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Die Männer aus Straßburg
Acht Männer aus Straßburg versuchen seit dem 10. März in Athen in Gesprächen mit Politikern für und wider die Junta sowie durch Einvernahmen gefolterter Regimegegner den ungeschminkten Standort der griechischen Militärdiktatur zwischen Verlegenheit und Willkür festzulegen. Sie mußten sich zu strengstem Stillschweigen über den Verlauf ihrer Untersuchungen verpflichten und wurden auch sonst zu einer Reihe von Konzessionen gezwungen, die Griechenland aber zur Voraussetzung seiner lange hinausgezögerten Einwilligung in den Athener Besuch der Europäischen Menschenrechtskommission machte. Ihrerseits glaubte sich die griechische Regierung nicht an die Schweigepflicht gebunden, und während die europäischen Rechtsgelehrten nicht einmal ihre Athener Botschaft über die Ankunft zu informieren und diese zu kontaktieren wagten, stand ihr Eingreifen in Verbindung mit einem Lippenbekenntnis der Junta zur Europäischen Menschenrechtskonvention auf den Titelseiten der griechischen Zeitungen.
Acht Männer aus Straßburg versuchen seit dem 10. März in Athen in Gesprächen mit Politikern für und wider die Junta sowie durch Einvernahmen gefolterter Regimegegner den ungeschminkten Standort der griechischen Militärdiktatur zwischen Verlegenheit und Willkür festzulegen. Sie mußten sich zu strengstem Stillschweigen über den Verlauf ihrer Untersuchungen verpflichten und wurden auch sonst zu einer Reihe von Konzessionen gezwungen, die Griechenland aber zur Voraussetzung seiner lange hinausgezögerten Einwilligung in den Athener Besuch der Europäischen Menschenrechtskommission machte. Ihrerseits glaubte sich die griechische Regierung nicht an die Schweigepflicht gebunden, und während die europäischen Rechtsgelehrten nicht einmal ihre Athener Botschaft über die Ankunft zu informieren und diese zu kontaktieren wagten, stand ihr Eingreifen in Verbindung mit einem Lippenbekenntnis der Junta zur Europäischen Menschenrechtskonvention auf den Titelseiten der griechischen Zeitungen.
Ohglei'ch der gemäßigte Flügel der Obersten und sein politischer Wortführer Pipinellis Enthüllungen der Komimission als Waffe gegen ihre extremistischen Rivalen sogar zu begrüßen scheinen, rechnet der immer noch tonangebende Papadopoulos mit einem Mißerfolg der schwierigen Recherchen.
Die acht Vertreter des Europarates, unter ihnen der österreichische Völkerrechtler Prof. Dr. Felix Erma-cora, haben bei ihren Vorarbeiten aber keine Mühe gescheut, um den Dingen wirklich auf den Grund gehen zu können. Sie waren sich darüber im klaren, daß ihre Fragestellung nach den guten oder schlechten Gründen der Diktatur und dem Wahrheitsgehalt der massiv erhobenen Falterungsanklagen zu einem Propagandaerfolg für das Militärregime werden muß, wenn die Kommission am Ende ihrer Athener Arbeiten nicht zweifelsfreies Beweismaterial in den Händen hält.
Für den Europarat ist die griechische Frage zum Prüfstein der Echtheit und Realisierbarkeit seiner Bemühungen um einen einigen, freien und demokratischen Kontinent geworden. Seine Lage angesichts der Diktatoren in Hellas kann mit der des Genfer Völkerbundes vor der italienischen Invasion in Äthiopien verglichen werden. Begann mit dieser 1936 der Zusammenbruch des internationalen Ordnungssystems der Zwischenkriegszeit, so stellt der 21. April 1967 die intereuropäische Solidarität und freiheitliche Ordnung auf die Bewährungsprobe. Die Straßburger Menschenrechtskommission ist dabei das letzte aktionsfähige Organ, nachdem die Ausschlußdrohung der Beratenden Versammlung kaum Aussicht auf ihre Bestätigung durch den Rat der europäischen Außenminister hat. Im Gegenteil wird Athen wegen seiner Stimme bei der Wahl des neuen Generalsekretärs des Europarates von verschiedenen Seiten umworben, darunter auch von Österreich.
Ist die klare Abgrenzung seines Verhältnisses zur griechischen Militärregierung für den EUroparat eine Prinzipienfrage, wird sie für die demokratischen Kräfte in Hellas zur Entscheidung, ob sie weiter auf den Beistand des freien Westens vertrauen können oder gegen besseres Wissen und Wollen nur zwischen dem Arrangement mit der Junta oder einer Volksfront mit den Kommunisten zu wählen haben.Männer wie Kanellopoulos, der den ihm seit dem 21. April 1967 auferlegten Hausarrest zur Abfassung einer „Geschichte des europäischen Geistes“ verwendete, oder der Staats-wissenschaftler Mitrelias, dessen auf die europäische Einigung abgestimmter Verfassungsentwurf von den Obersten nicht einmal veröffentlicht wurde, sind zwar überzeugte Europäer, doch wird sich der griechische Widerstand auf die Dauer nur dahin wenden, wo er Verständnis und Unterstützung findet. Die Diktatur der Obersten gegen bessere Überzeugung im Namen des Antikommunis-mus dulden zu wollen, heißt nichts anderes, als die griechischen Demokraten mit Gewalt in den Kommunismus treiben.
Vor dem Hintergrund dieser europäischen WeichenstelQiung haben die Komrnissionsmitglieder ihre erste Athener Woche mit der Einvernahme politischer Persönlichkeiten aller Richtungen verbracht. Der unentschlossene Ohef der Ende März 1967 gestürzten Ubergangsregierung, Pa-raskevopoulos, wurde ebenso befragt wie der konservative Polizeiminister Rhallis, dessen Gendarmen in der Nacht zum 21. April vergeblich die rollenden Panzer der Militärrevolution zu stoppen versuchten. Auch der Wirtschaftspotentat Stratis Andrea-dis kam als Entlastungszeuge der Obersten zu Wort, denen er sich nach der Machtergreifung angeschlossen hat, während er vor dem Putsch RückVersicherungsbeiträge an die griechischen Kommunisten zu entrichten pflegte.
Ohne dem Spruch der Kommission vorgreifen zu wollen, kann schon heute grundsätzlich gesagt werden, daß sich zwar gewisse Entschuldigungsmomente für den Staatsstreich der Obersten aus der verworrenen Lage des Jahres 1967 ergeben haben, den Fortbestand der Diktatur und ihr Ausbau zu einem totalitären Regime mit seinen menschenrechtswidrigen Ausschreitungen und Übergriffen jedoch in keiner Weise zulässig erscheinen.
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