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Nacht Uber Griechenland

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Freitag, 21. März 1967, 2 Uhr früh, schlug in Griechenland die Stunde des Faustrechts. Eine Handvoll Offiziere unter Führung des Gene-ralstabsohefs Generalleutnant Span-didakis setzte den überraschten Armeemechanisimus zu einem meisterhaft organisierten Staatsstreich in Bewegung, der das ohnedies flackernde Licht der Demokratie gänzlich zum Verlöschen brachte.

Wie inzwischen aus Athen eingetroffene Augenzeugen berichten, sahen sich König, Regierung und Volk sowie die überwältigende Mehrheit der Flotten-, Luftwaffen- und Pölizeieinheiten vor vollendete Tatsachen gestellt, so daß jeder vereinzelte Widerstand bald zusammenbrechen mußte.

Was die Rolle König Konstantins betrifft, so muß die Berufung der Revolutionsregierung auf ihre Bevollmächtigung durch den Monarchen ernstlich bezweifelt werden. Das von den Aufständischen zitierte Königliche Notstandsdekret wurde erst Stunden nach der Machtargreifung der Putschisten erlassen, von der bis zu diesem Augenblick allein legalen Regierung Kanellopoultis nicht mitunterzeichnet, wodurch es null und nichtig bleibt, mag der König auch aur Unterschrift gezwungen worden sein. Doch selbst daran bestehen Zweifel, solange sich die neuen Machthaber weigern, ihre Echtheit durch Vorlage des Originals zu erhärten.

Für den Gegensatz des Königs zu den Aufständischen sprechen femer die Meldungen Athener Beobachter daß bei der Fernsehübertragung der Vereidigung des „nationalen“ Kabinetts jede Spur König Konstantins fehlte. Ebenso zeigten die bisher veröffentlichten Photographien wohl die neuen Minister und Erz-bischof Chrj'sostomos von Athen, mitnichten aber das „im Angesicht des Königs“, mit dem die Diktatur ihre Vertfassungswidrigkeit zu yer-mänteln sucht.

Passiver Widerstand der Monarchisten

Des weiteren kann nicht übersehen werden, daß sich die monarchistische „Akiropolis“ seit ihrem Wiedererscheinen auf kommentarlosen Abdruck der revolutionären Verlautbarungen beschränkt, während sich der rechtsextreme „Elertheros Kosmos“ — bisher völlig unbedeutend — als offiziöses Organ aufspielt.

Uber das Schicksal der Mitglieder des Kabinetts Kanellopoulos, das bis auf weiteres als einzig gesetzmäßige Regierung zu betrachten ist, läßt sich noch nichts Verbindliches aussagen. Jedenfalls konnten sie Auslandskorrespondenten weder in ihren Wohnungen noch in den Büros der konservativen Nationalradikalen Union antreffen. Die Parteilokale der kommunistischen EDA sind verwüstet, die aller anderen Parteien geschlossen. Lediglich in der Parteileitung der Liberaldemokraten konnte Exminieterpräsident Stefanopoulos aim Tag nach dem Putsch die Hände weniger Getreuer schütteln, ehe auch hier der Freiheit die Tore schlössen.

Die Gesamtheit der Politiker Griechenlands ist in der Versenkung verschwunden. Notstandsbestimmungen und Standrecht werden eisern gehandhabt. Menschenrechte und freiheitliche Ordnung mit Füßen getreten, die Presse vergewaltigt und kriegsgerichtet.

Herr ist die nackte Gewalt. Jeder Widerstand des Volkes ist sinnlos, aber ebenso hat das Militärregime außer bei einigen Faschisten keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Monarchisten, Liberale und Sozialdemokraten sind zu geschlossener Front stillschweigenden Protestes zusammengewachsen. Die kollaborierende Presse bleibt an den Kiosken hängen und wird von den Werbeagenturen ignoriert, in den Kirchen bekreuzigen sich die Gläubigen ostentativ bei den Fürbitten für den König, während sie bei den Gebeten für das „christliche“ Heer die erst gefalteten Hände auf den Rük-ken legen.

Was auf der anderen Seite die neuen Machthaber betrifft, so sind sie sich ihrer Sache ganz und gar nicht sicher. Mit Ausnahme der Artillerie und einiger Infanteriedivisionen kann die Junta auf das Landheer nur beschränkt bauen, und in Luftwaffe und Flotte, deren Oberkommandant Admiral Avgerin Selbstmord beging, ist die Gegenrevolution latent.

Ausdruck dieser Unsicherheit ist die Fülle von Verhaftungen, die sich daran abschätzen läßt, daß die politischen Häftlinge nicht nur alle Gefängnisse, sondern auch die Trabrennbahn und das große Stadion füllen, in dem die österreichische Nationalmannschaft zum Europa-Cup antreten sollte.

Die aus Offizieren, Staatsanwälten und Gernegroßen bestehende Revolutionsregierung, die sich des Anklägers am Obersten Gerichtshof, Konstantinos Kollias, als Ministerpräsidenten bedient und in Verteidigungsminister und stellvertretendem Regierungschef Generalleutnant Spandidakis ihr Rückgrat hat. gibt ihre Illegialität offen zu. Zur Rechtfertigung des Putsches führt sie angebliche Aufstandspläne der Kommunisten ins Treffen, doch wäre es in diesem Fall nicht Pflicht der Militärs gewesen, die Regierung davon in Kenntnis zu setzen und gemeinsam mit ihr und dem König der Gefahr zu begegnen?

Das pompöse Regierungsprogramm ist ein Strickstrumpf hohler Phrasen und klingelnder Allgemeinheiten. Seine Analyse läßt die Abhängigkeit vom braunen Vorbild noch frappierender werden.

Sein nationaler Teil will aus den Sümpfen demokratischer Fäulnis zu den fernen Höhen ethnischer Erhabenheit führen, schwört Blut und Boden die Treue, verheißt statt der Parteien Hader nun ein Volk von Brüdern und ruft die griechische Frau ans Werk.

Im sozialistischen Abschnitt ist von der Regierung der Arbeiter und Bauern, Enteignungen und Planwirtschaft die Rede, von Musterhöfen und Sozialstaat.

Die Zukunft wird lehren, ob den Worten Taten folgen. Doch unabhängig davon und ohne jede Voreingenommenheit muß der griechische Staatsstreich, abgesehen von seiner Verfassungswidrigkeit und Brutalität, als schwerer politischer Fehler gewertet werden.

Die einzige Partei des Landes, die auf ein Wirken im Untergrund vorbereitet ist, sind die Kommunisten, während die demokratischen Kraft unter den Schlägen der Gewehrkolben und den Tritten der Armeestiefel ihren freiheitlichen Geist aushauchen. So wird nur der Linksblock Gewehr bei Fuß stehen, wenn das heutige Regime zwangsläufig früher oder später zusammenkracht. Und dann wird die Nacht über Griechenland noch dunkler werden.

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