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Demokraten im Feuerofen

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Nach dem in letzter Minute durch die Regierung Karamanlis vereitelten Umsturzversuch rechtsradikaler Offiziere vom Februarende ist die griechische Demokratie in den Feuerofen einer unbeugsamen Linksopposition um jeden Preis geraten. Diese beschränkt sich nicht nur auf die fast täglichen Parlamentssitzungen am Athener Syn-tagmaplatz und auf Angriffe der

liberal-sozialistisch-kommunistischen Tageszeitungen auf den konservativen Ministerpräsidenten, sondern wird immer mehr von unruhigen Studenten, brotlosen Bauarbeitern und trotzkistischen Aktivisten in die Straßen der griechischen Hauptstadt getragen. Bei diesem Frühlingserwachen des hellenischen Linksblocks vor dem romantischen Hintergrund der Mandel- und Aprikosenblüte stehen nicht nur die für den 30. März angesetzten Wahlen der Gemeinde- und Stadträte im ganzen Land Pate. Es ist vor allem die prekäre wirtschaftlich-soziale Situation in Hellas, die alles Radikale zum Gären bringt.

Mit der sich schon wieder mehrenden Unzufriedenheit vieler Griechen über die Steuer- und Preispolitik der demokratischen Nachfolger der siebenjährigen Militärdiktatur scheinen auch die um den Putschversuch des Generalleutnants Papa-dakis gescharten Offiziere gerechnet zu haben, die in den letzten Februartagen Karamanlis und dessen „eisernen“ Verteidigungsminister Averoff zu ermorden und den starken Mann des letzten Diktaturjahres 1973/74, den Brigadier Ioan-nidis, aus dem Kerker von Korydal-los an die Spitze des Staates zu stellen versuchten. Die beinahe überrumpelte Regierung hat dieses Unternehmen einer neuerlichen Machtergreifung der extremistischen Kräfte des 21. April 1967 zunächst zu bagatellisieren versucht. Erst in der ersten Märzwoche wurde den Parlamentariern vertraulich und der Öffentlichkeit über einen wesentlich kürzeren Bericht Rechenschaft über die dramatischen Vorgänge gelegt. Wie sich dabei herausstellte, waren die Panzerkolonnen der Putschisten in der kritischen Nacht nur mehr wenige hundert Meter vom Amtssitz des Ministerpräsidenten entfernt. Nur die Loyalität der griechischen Flotte und Athens Lage in Meeresnähe, die Kasernen und Kommandostellen der Verschwörer in bedrohliche Reichweite von Schiffsgeschützen brachte, scheint Griechenland vor einem Rückfall in die Diktatur gerettet zu haben.

Die politischen Folgen des Papa-dakis-Putsches zeichnen sich schon heute mit aller Klarheit ab. Hatte die Regierung Karamanlis bisher mit Rücksicht auf die ihr angesichts von Zypernkrise und griechisch-türkischen Spannungen unentbehrlichen Streitkräfte die Absicht durchblicken lassen, bei dem Hochverratsprozeß gegen die Führer der gestürzten Militärdiktatur Gnade vor Recht ergehen zu lassen, so kann davon jetzt keine Rede mehr sein. Bei dem am 21. April 1975, acht Jahre nach der Machtergreifung, beginnenden Verfahren wird es nun für Georgios Papadopoulos, Stylianos Pattakos, Nikolaos Makarezos, Ioan-nis Ladas, und vor allem für Demetrius Ioannidis wirklich um Kopf und Kragen gehen. Dasselbe gilt für die über 50 führenden Persönlichkeiten des Februarputsches.

Hatte man aber nun nach diesem erwartet, daß die Wiederbeschwö-rung von Willkür und Folter, Zensur und KZ-Inseln die Einheit der demokratischen Kräfte festigen und eine neue Ära der schon im Sommer 1974 so bewährten Zusammenarbeit von Konservativen, Liberalen und Marxisten einleiten werde, so gab es statt dessen die unangenehmsten Überraschungen. Noch waren die nordgriechischen Stützpunkte der Putschisten nicht übergeben, als in Athen schon alle Oppositionsführer von Georgios Mavros (Liberale Zentrumsunion) über Andreas Papandreou (Panhellenistische Sozialisten) bis zu Elias Iliou (Kommunisten) der um die Rettung der Demokratie verdienten Regierung Karamanlis in den Rücken fielen. Ihre Kritik gipfelte in der Forderung nach sofortiger Entlassung von Verteidigungsminister Averoff, der die Streitkräfte nicht gründlich genug „von Faschisten gesäubert“ habe. Die parlamentarischen, journalistischen und auf den Straßen gröhlenden Widersacher des makedorumänischen Bojaren Averoff-Tositä übersahen dabei, daß dieser der Verschwörung nur deshalb Herr geworden ist, weil seine Rückendeckung für den auf der Abschußliste der griechischen Linken stehenden rechtsnationalen Generalstab dessen Zusammengehen mit den Putschisten verhindert hat.

Einer Regierung gegenüber, die nach sieben Jahren der Korruption und Verschwendung, der unverantwortlichen Sozialgeschenke und eines milliardenteuren Propagandaapparates jetzt solide wirtschaften und die inflationssüchtige Drachme stabilisieren will, ist es natürlich leicht, in Demagogie zu machen. Es wäre daher absolut keine Überraschung, wenn die Oppositionsparteien jetzt auf Gemeindebene bedeutende Erfolge erringen und vielleicht sogar die absolute Mehrheit von Karamanlis' „Neuen Demokraten“ überholen sollten. Da Griechenlands Konservative in der Provinz immer dazu geneigt haben, autoritärer als in den Großstädten Athen, Thessaloniki und Patras aufzutreten, hätte eine solche Entwicklung aber auch ihre gute Seite. Die unbestrittene Führerrolle von Karamanlis der Türkei und Amerika gegenüber und sein Bekenntnis zu einem „europäischen Hellas“ würden dadurch in keiner Weise betroffen oder eingeschränkt werden.

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