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Türkennot - Türkenkrieg?

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Auf griechischer Seite hat das Säbelgerassel in dem nun schon bald seit zwei Jahren schwelenden Konflikt mit Ankara um Zypern und die erdölreichen Hoheitsgewässer im Ägäischen Meer seit dem Nationalfeiertag am 25. März nicht mehr aufgehört. Dieses Gedenken an den Aufstand der Griechen gegen die osmani-sche Herrschaft im Jahr 1821 war natürlich ein vorzüglicher Anlaß für die Entfachung kriegerischer Begeisterung und nationaler Hochstimmung in einem Lande, dessen Bürger allzuschwer unter dem wirtschaftlich katastrophalen Erbe der siebenjährigen Militärdiktatur und nicht minder unter den berechtigten, aber harten Sanierungsmaßnahmen der neuen demokratischen Regierung Ka-ramanlis und seines Finanzexperten Papaligouras zu seufzen haben.

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Auf griechischer Seite hat das Säbelgerassel in dem nun schon bald seit zwei Jahren schwelenden Konflikt mit Ankara um Zypern und die erdölreichen Hoheitsgewässer im Ägäischen Meer seit dem Nationalfeiertag am 25. März nicht mehr aufgehört. Dieses Gedenken an den Aufstand der Griechen gegen die osmani-sche Herrschaft im Jahr 1821 war natürlich ein vorzüglicher Anlaß für die Entfachung kriegerischer Begeisterung und nationaler Hochstimmung in einem Lande, dessen Bürger allzuschwer unter dem wirtschaftlich katastrophalen Erbe der siebenjährigen Militärdiktatur und nicht minder unter den berechtigten, aber harten Sanierungsmaßnahmen der neuen demokratischen Regierung Ka-ramanlis und seines Finanzexperten Papaligouras zu seufzen haben.

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Beachtliche Summen aus Griechenlands um jeden Preis und ohne jede Rücksicht gesteigertem Steueraufkommen fließen dabei in den Rüstungssektor, der 1974 vom neuen Verteidigungsminister Averoff-To-sitsa in völliger Auflösung übernommen worden war. Das Militärregime hatte sich nur an Schützenpanzern und Maschinenpistolen zur Aufrechterhaltung der eigenen Macht interessiert gezeigt, die bekannt königstreuen Verbände der Flotte und der Luftwaffe waren als potentielle Widersacher bewußt kurz gehalten worden. Darüber hinaus hatten sich die Obristen um' Diktator Papadopoulos durch Abverkauf der hellenischen Arsenale nach Südafrika, den Nahen Osten und nach anderen Krisenherden bereichert, so daß bei ihrem Sturz im Sommer 1974 selbst an Gewöhrmunition fast nur leere Kisten vorgefunden wurden. Seitdem hat Averoff emsig wie eine Ameise in aller Welt Waffen für Hellas zusammengekauft und ebenso einträgliche Nebenaufträge an die griechische Industrie vergeben, deren wichtigste Vertreter immer noch den Zeiten des engen und profitreichen Bündnisses zwischen Diktatur und Industrie nachtrauerten. Was die demokratischen griechischen Politiker aller Schattierungen, vom konservativen Regierungschef Karamanlis bis zum exzentrischen Linksaußen Andreas Papandreou in ihrem gestörten Verhältnis zu den hellenischen Industriellen bisher nicht erreichen konnten, ist dem Verteidigungsminister durch ihre Heranziehung beim Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie gelungen.

Ebenso wichtig für die Zuverlässigkeit der griechischen Streitkräfte ist das ständig beschworene „Ge-

wehr-foei-Fuß-tStehen“. Nach Athener Schätzungen stehen heute in der Generalität und unter den Stabsoffizieren 80 Prozent eingefleischte Royalisten der neuen Republik mit größter Skepsis gegenüber, weitere zehn Prozent halten es nach wie vor mit der Diktatur, und von dem kleinen Rest stehen die allermeisten auf der äußersten Linken. In den Reihen der Subalternen zeigt sich die Polarisierung mit fast noch zwei Dritteln Junta-„Ehemaligen“, einem starken Nachwuchs von Linksradikalen und nur sehr wenigen Demokratiegläubigen noch deutlicher. Würde nicht das Gespenst der „Türkennot“ ständig an alle Kasernen- und Kasinowände gemalt, dann ergäben sich in der griechischen Armee bald ähnliche Spaltungen wie sie zur Zeit auf der anderen Seite des Mittelmeers an der Tagesordnung sind.

Was aber nun, wenn das Spiel mit dem Feuer tatsächlich zu einem Waffengang zwischen Athen und Ankara führt, die ihre Erbfeindschaft seit über fünfzig Jahren in einen kalten Krieg verwandelt hatten? Auf dem fernen Zypern können die Griechen nie mit einem entscheidenden Sieg, höchstens mit Partisanenerfolgen rechnen. Die Stoßrichtung Istanbul und Meerengen, die, rein militärisch gesehen, am meisten für hellenischen Waffenruhm sorgen könnte, müßte sofort die Großmächte auf den Plan rufen und Griechenland um die politischen Früchte seines Vormarsches bringen. Bleibt nur eine Invasion in Kleinasien, wo die Griechen schon einmal Triumphe gefeiert haben, in der Mitte, zwischen Bosporus-Dardanellen und dem Nahen Osten, so daß sich weder die Amerikaner noch die Russen zu sofortiger Intervention veranlaßt sähen.

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