6869652-1978_18_06.jpg
Digital In Arbeit

Terroristen - Neutronen: Auch Athen hat Sorgen

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn sich die europäischen Nationen mit Terroristen herumzuschlagen und mit der Neutronenwaffe auseinanderzusetzen haben, kann und will Griechenland, das auch sonst so in die EG drängt, sichtlich kein Außenseiter bleiben. Nur muß man in Athen, bei einem Vergleich mit den Tragödien um Schleyer oder Moro, hell auflachen, wenn dort die griechische Regierung tiefernst auf die Terrorakte im eigenen Land hinweist: Hat es doch der Dichter Dialegmenos gewagt, vor dem Parlament seine nie gespielten Bühnenwerke „Wir verloren Tante Stop“ und „Mutter, Mama, Mutti“ zur Bekräftigung seiner außerparlamentarischen Opposition zu verbrennen.

Mit der Tatsache, daß Dialegmenos für diese Untat nur wegen Umweltverschmutzung belangt werden konnte, begründete Ministerpräsident Kara-manlis unter anderem sein neues Anti-Terror-Gesetz, das leidenschaftliche innenpolitische Diskussionen entfachte. Nicht nur die oppositionellen Links- und Mittelparteien, die vor der Abstimmung unter Protest das Hohe Haus der Athener „Boule“ verließen, hatten nämlich den Eindruck, daß die Obrigkeit damit das Kind samt dem Bad ausschütte. Auch die jüngeren Abgeordneten der konservativen Regierungspartei „Nea Dimokratia“ mit dem vor allem in der Hauptstadt populären Industrieminister deutscher Abstammung, Militades Ebert, an der Spitze, hatten Bedenken gegen die neuen Notstandsgesetze angemeldet.

Sollte es Zweck dieser Gesetze sein, „Hellas vor dem Ansturm des Terrors als Bastion der Ruhe und Ordnung^ zu erhalten“, so sahen ruhiger denkende Köpfe in ihnen hauptsächlich eine Neuauflage des berüchtigten Gesetzes 4000 aus dem Jahre 1959, das schon damals vom selben Karamanlis unter ähnlichen Begründungen durchgesetzt worden war. Ein politischer Prozeß nach dem anderen waren seine Folgen, und nicht nur bärtig-zersauste Terroristenjünglinge mit ihren ungepflegten Maiden kamen in Kerker- und Inselhaft: Auch Priester und Rentner, Kommunalpolitiker und Abgeordnete, Anwälte, Mütter und Großmütter waren gegen den Zugriff der Gendarmen nicht länger gefeit.

Während Karamanlis fast die gesamte heutige Regierungsmannschaft aus seiner damaligen nationalradikalen Vergangenheit - seine Partei nannte sich ERE - National-radika-le-Union - herübergerettet hatte, wollten die jungen Kräfte den nach dem Zwischenspiel der Militrädiktatur gewählten neuen Namen „Nea Dimokratia - Neue Demokratie“ ernst und voll nehmen. Karamanlis mußte sie zu öffentlicher und persönlicher Stimmabgabe verdonnern, um seinem Antiter-ror-Gesetz bei der nächtlichen Abstimmung die Zustimmung seiner mit absoluter Parlamentsmehrheit ausgestatteten Fraktion zu sichern.

In der Frage der Neutronen- und anderer Atomwaffen, bei der Griechenland - obwohl seit 1974 nur noch im

Schmollwinkel der NATO - ebenfalls mitzureden versucht, müßten die Fronten eigentlich analog verlaufen: Konservative „Militaristen“ in der Regierung, pazifistische „Friedenskämpfer“ im Lager der Liberalen und Linken. Stattdessen tritt jedoch Oppositionsführer Andreas Papandreou von den PASOK-Sozialisten für griechische Atomrüstung ein, während der ganz rechts stehende Verteidigungsminister Averoff selbst taktische Kernwaffen für das kleine Hellas als Größenwahnsinn ablehnt Ein solcher Eigenbau müßte außerdem die Möglichkeiten zu friedlicher Nutzung der Kernenergie verschließen, auf die das ebenso Strom- wie erdölarme Griechenland mit seinen paar Ligniten einfach angewiesen ist.

Papandreou hingegen ist bei den Wahlen vom November 1977 dank seiner Scharfmacherei und Kriegstreiberei gegen den Türken vom Chef einer Minipartei zum Hauptrivalen von Karamanlis hinaufgewählt worden. Kein Wunder, daß er es jetzt Atombomben auf Ankara und Istanbul regnen lassen möchte!

Diese militanten Ambitionen haben nicht verhindert, daß sich die kleineren griechischen Linksparteien um seine PASOK zu scharen beginnen, obwohl sie sonst gegen NATO-Milita-risten und vor allem gegen die Deutschen kläffen. Eine Art Konstitution dieser „Vereinigten Mitte und Linken“ war im April der Athener Parteitag der hellenischen „Inlandskommunisten“, die sich als Euro-KP dem Moskauer Führungsanspruch widersetzen. An ihren Beratungen im Theater Luzita-nia nahmen auch die PASOK, die hier weit links stehenden Christdemokraten sowie die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO teil. Publizistisches Sprachrohr dieser neuen Gruppierung ist das nach Vorbild des römi-, sehen „Messagero“ mit viel Gehalt, noch mehr mit Sex, Gewalt und vor allem humanistisch überzuckertem Linksdrall aufgemachte Mittagsblatt „Elevtherotypia“ (Pressefreiheit). Ihr Erfolg ist so groß, daß sie ab 9. Mai auch in einer Morgenausgabe erscheinen wird. Noch nie hatten Griechenlands Linkskräfte über ein so einflußreiches Organ der Meinungsbildung verfügt, was sich schon bei den Kommunalwahlen vom Oktober in einer weiteren Zurückdrängung der bürgerlich-bäuerlichen Regierungspartei von Karamanlis auswirken dürfte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung