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Andreas unter Doppelbeschuß

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Erstmals sieht sich Premier Andreas Papandreou dem Druck von links ausgesetzt. Die anhaltenden Streiks stellen die sozialistische Regierung auf eine Zerreißprobe.

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Erstmals sieht sich Premier Andreas Papandreou dem Druck von links ausgesetzt. Die anhaltenden Streiks stellen die sozialistische Regierung auf eine Zerreißprobe.

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Seit Wochen wird das Alltagsleben in Griechenland von einer Streikwelle beeinträchtigt, die sich gegen das von der Regierung unter dem Ministerpräsidenten Andreas Papandreou verordnete Sparprogramm richtet.

Das Athener Sparprogramm sieht unter anderem die Einführung einer Sondersteuer sowie ein weitgehendes Einfrieren der Löhne und Gehälter vor.

Erstmals seit dem Wahlsieg der „Panhellenischen Sozialistischen Bewegung“ (PASOK) am 18. Oktober 1981 protestieren Hunderttausende von griechischen Arbeitnehmern gegen die Wirtschaftspolitik der sozialistischen Regierung.

Der bis 1987 verordnete Lohnstopp treffe vor allem den Kleinverdiener, der aufwendige Lebensstil der von Papandreou protegierten sozialistischen „Nomenklatura“ werde dagegen in keiner Weise eingeengt, beteuern streikende Arbeiter.

Immerhin gehören Papandreou und dessen Verwandtschaft zu den reichsten Familien des Landes.

Die Liste der Streikenden ist überlang: Bislang streikten schon Büro- und Bankangestellte, Fluglotsen und Piloten, Textil- und Bergarbeiter, Bäcker, Metzger, Tankstellenpächter, Lehrer und Eisenbahner. Anfang November wollen dann die Taxifahrer und Staatsangestellten in den Ausstand treten.

Im Augenblick gibt es vor allem zwei Fragen, die zu klären sind. Erstens: Inwieweit ist die Streikend Demonstrationswelle eine unmittelbare Folge der von Papandreou verursachten Mißwirtschaft? Gibt es noch zusätzliche Faktoren, die zur Krise beigetragen haben? Zweitens: Wird es ernsthafte außenpolitische Konsequenzen geben, vor allem im Hinblick auf das ohnehin belastete Verhältnis Griechenlands zum westlichen Verteidigungsbündnis?

Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist sicherlich in erster Linie auf die langjährige unkontrollierte Ausgabefreudigkeit der Regierung Papandreou zurückzuführen.

Allein in diesem Jahr hat die Pasok-Regierung ein Defizit von über zwei Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Die wirtschaftliche Situation sieht auch sonst nicht rosig aus, die Auslandschuld des Hellenenstaates wird heuer auf über 20 Milliarden US-Dollar beziffert.

Zum ersten Mal sieht sich Papandreou dem Druck von links ausgesetzt: Die Tatsache, daß sich der Zorn der Streikenden nicht nur gegen das Sparprogramm der Regierung, sondern auch gegen die EG und den Internationalen Währungsfond richtet, ist auf die Propagandatätigkeit linker Pasok-Aktivisten zurückzuführen, die behaupten, der Währungsfond diskriminiere das sozialistische Griechenland aus „politischen Gründen“. Die unpopulären Sparmaßnahmen, wollen linke Gewerkschafter wissen, seien dem Land in Wirklichkeit „von außen“ aufgezwungen worden. Um sich mehr Luftzu verschaffen, feuerte Papandreou gleich acht führende Gewerkschafter aus der sozialistischen Gewerkschaftsbewegung und ersetzte sie durch weniger radikale Elemente.

Der verstärkte Druck von links kommt für Papandreou in einem denkbar ungünstigen Augenblick, weil gleichzeitig auch die rechtskonservative Oppositionsfront '„Nea Dimokratia“ und deren Chef Konstantin Mitsotakis zum Großangriff auf die Wirtschaftspolitik der sozialistischen Regierung blasen.

Es ist bezeichnend, daß sich der Pasok-Chef zu Beginn der Streikwelle außenpolitisch für einen eher mäßigen Kurs entschlossen hat.

Die Regierung war bestrebt, ein Treffen zwischen dem US-Präsidenten Ronald Reagan und Papandreou zustande zu bringen, zumal auch die angeschlagene Wirtschaft schon konkrete Kreditwünsche bei den US-Banken deponiert hat.

Erst als die Reagan-Administration den Griechen die kalte Schulter zeigte, schaltete Papandreou auf seine altbewährte „nationale Welle“ um und präsentierte sich abermals als Verfechter der Unabhängigkeit gegenüber der Großmacht USA.

Ein Luftzwischenfall in der Ägäis bot Papandreou den willkommenen Anlaß, seine außenpolitische Wende mit „konkreten Fakten“ zu untermauern. In einer offiziellen Mitteilung erklärte da's Athener Außenministerium, amerikanische Kampfflugzeuge hätten während einer Übung „22 Mal den griechischen Luftraum“ verletzt.

Ähnliche Zwischenfälle hatte die griechische Regierung in der Vergangenheit je nach Bedarf, bald hoch -, bald hinuntergespielt

Diesmal liegt jedoch die Absicht der Pasok-Regierung klar auf der Hand. Die Luftraumverletzungen sollen propagandistisch ausgeschlachtet werden.

Die Aufmerksamkeit der Bevölkerung soll von der wirtschaftlichen Misere abgelenkt und die latente antiamerikanische Stimmung wieder angeheizt werden.

Doch der von Papandreou selbst entworfene antiwestliche und antiamerikanische Stil in der griechischen Außenpolitik bringt dem Pasok-Chef im Augenblick mehr Schaden als Nutzen.

Bereits vor seinem Amtsantritt im Jahre 1981 formulierte Papandreou seine These, wonach Griechenland zu den „unterentwickelten Peripherieländern“ gehöre. Dieser These entsprang auch seine „vorsichtige Haltung“ gegenüber EG und der NATO; in beiden Organisationen verlangte Papandreou eine Art „Sonderstatus“.

Gleichzeitig machte er sich den seit der Zypernkrise 1974 latenten Antiamerikanismus in der griechischen Bevölkerung zunutze, indem er in seinen programmatischen Erklärungen unentwegt betonte, Amerika begünstige einseitig die Position der Türken in der Zypernfrage.

Es ist unbestritten, daß es Papandreou gelang, dank seiner nationalistisch-populistischen Politik, einen großen Teil der unteren und mittleren Schicht in den Städten, die sich von der Konkurrenz ausländischer Unternehmen bedroht fühlten, für sich zu gewinnen.

Jetzt aber droht die ursprüngliche Begeisterung der sogenannten „Unterprivilegierten“ ins Gegenteil umzuschlagen.

Gerade die untere und mittlere Schicht fühlt sich von Papandreous rigoroser Sparpolitik am meisten betroffen und bewegt sich mit ihrer Kritik der Regierung praktisch auf derselben Wellenlänge wie die konservative Oppositionsfront „Nea Dimokratia“.

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