Erdbebendiplomat in neuer Mission

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Eine Politiker-Dynastie hat in Griechenland wieder einmal die andere abgelöst: Ein Papandreou folgt wieder einmal auf einen Karamanlis, rot auf schwarz, links auf rechts, sozialistisch auf konservativ … – und alles bleibt beim Alten. So ist zumindest der griechische Fernseh-Komödiant Lakis Lazopoulos überzeugt: „Papandreou wird scheitern wie Karamanlis.“ Warum hat das griechische Wahlvolk dann Giorgios Papandreou und seine Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) am Sonntag mit überwältigender Mehrheit gewählt? Lazopoulos: „Wenn du todkrank bist, dann gehst du am ersten Tag zu einem Arzt. Wenn der dir nicht helfen kann, dann gehst du am Tag danach halt zum Botaniker. Die Menschen warten auf einen Zauberer und Papandreou wird ihnen ein paar Kunststückchen vorführen. Ich gebe ihm zwei Jahre.“

Wenn sich der Satiriker da nicht täuscht. Erstens kann sich Papandreou mit 160 der 300 Sitze auf eine bequeme Mehrheit im Athener Vouli (Parlament) stützen. Und zweitens hat der 57-Jährige schon bei der von seinem Vater gegründeten PASOK demonstriert, wie er mit Freunderlwirtschaft, Nepotismus, Korruption umgeht: Er räumt auf – und das ist im von all diesen Gesellschaftskrankheiten befallenen Griechenland nötiger denn je.

Dass ihm dazu der Mut fehlt, kann man von Papandreou nicht sagen. Schon seine Kür zum Sozialistenchef vor drei Jahren war ein gewagtes, letztlich aber sehr erfolgreiches demokratisches Experiment: Anstatt sich von Delegierten am Parteitag bestellen zu lassen, traute sich Papandreou erstmals in der Geschichte des Landes in eine „Urwahl“ – und 1,011 Millionen (!) PASOK-Parteimitglieder und Sympathisanten stimmten für ihn, bei 1675 Stimmenthaltungen und ungültigen Stimmen. „Wir brauchen einen Umsturz“, hatte Papandreou damals für seine Partei erklärt – jetzt verspricht der neue Premier den „Bruch mit der Vergangenheit“ für das ganze Land.

Und nichts braucht Griechenland mehr als ein Aufbrechen der verkrusteten Strukturen, die das Land an den Rand des Staatsbankrottes geführt und mit den Waldbränden von 2007 und 2009 zwei menschengemachte Katastrophen verursacht haben. Die Jugendrevolten vor einem Jahr zeigten zudem, wie gespalten die griechische Gesellschaft ist, und das Versagen der griechischen Asylpolitik spottet allen menschenrechtlichen Standards, die man von einem EU-Mitgliedsstaat verlangen muss.

Dass er mit alten Ritualen brechen wolle, demonstrierte Papandreou, der auch Chef der Sozialistischen Internationale ist, bereits während des Wahlkampfes. Siegesgewiss verzichtete er auf Wahlplakate. Damit sparte die PASOK nicht nur Geld. Papandreou verkaufte dies auch als Beleg für seine ökologische Gesinnung.

Und die nächste Überraschung gelang dem Premier bei seiner Bestellung am Dienstag: Papandreou will neben der Regierungsspitze auch das Amt des Außenministers übernehmen – deutlicher als mit dieser Handlung kann das neue offizielle Griechenland seine ausgestreckte Hand in Richtung des historischen Erzfeindes Türkei nicht zeigen. Denn während seiner letzten Amtszeit als Außenminister (1999–2004) hat sich Papandreou mit der sogenannten „Erdbebendiplomatie“ gegenüber der Türkei einen Namen gemacht – wenn ihm jetzt ohne Erdbeben eine Aussöhnung mit der Türkei gelingt, dann wird er auch den Satiriker Lazopoulos für sich gewinnen. Und die Zuschreibung „Zauberer“ kann ja auch positiv gemeint sein.

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