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Der Linksrutscher

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Am 17. November werden 6,7 Millionen wahlberechtigte Griechen und Griechinnen zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder frei ihre parlamentarischen Vertreter wählen. Ihr großer Parteien-Favorit steht schon heute, knappe vier Wochen vor dem Urnengang, fest: Es ist die „Neue Demokratie“ unter Führung des im vergangenen Juli von der bankrotten Militärjunta als Retter aus ihren Zypern- und Wirtschaftsnöten mit der Macht bekleideten konservativen Altmeisters Konstantinos Kararpan- lis. Nach achtjährigem, gigantischem Aufbauwerk in dem vom Welt- und den anschließenden Bürgerkriegen ruinierten Hellas war er bei den letzten freien Wahlen von 1963 und 1964 der große Verlierer angesichts der demagogischen Stimmenfängerei seines Konkurrenten Georgios Papandreou. Dessen Sohn Andreas Papandreou und seine sich „Panhelli- sche Sozialisten“ nennenden Reste vom politischen Anhang des Vaters haben hingegen diesmal nicht die geringsten Chancen, aus dem Wahlkampf mit Karamanlis als Gewinner, ja nicht einmal als nennenswerte Opposition hervorzugehen.

Schuld daran ist der frappante Linksrutsch, der in Athen schon vor den Wahlen passiert ist. Dieser wurde von Karamanlis selbst in sehr richtiger Einschätzung der Volksstimmung nach sieben Jahren autoritärer Herrschaft vorgenommen: Seine „Neue Demokratie“ hat sich in Griechenlands politischer Mitte und selbst noch links von dieser.angesiedelt. Auf dem rechten Flügel, den Karamanlis’ erste Parteigründung, die „Nationalradikale Union“ (ERE) von 1956 bis 1967 behauptet hatte, ist ein ausgesprochenes Vakuum zurückgeblieben. Zwar bemühen sich die neugegründeten „Nationaldemokraten“ des Bierbrauers Petros Ga- rouphalias, in diese Bresche zu springen, was aber bei der ihrer Partei und ihrem Programm von Anfang an auferlegten Polarität kaum gelingen dürfte. Um die im neuen Proporzwahlrecht geltende 17-Pro- zent-Klausel zu überwinden, wen-

den sich die Nationaldemokraten sowohl mit der Forderung nach Rückkehr König Konstantins an die alten Royalisten, wie auch mit einem Amnestieangebot an die „Ehemaligen“ der Militärregierung Papado- poulos. Diese beiden gegensätzlichen Gruppen werden die nationaldemokratische Liste vielleicht noch vor dem Wahltag aufsplittern und die griechischen Konservativen ohne die ihnen angemessene Parlamentsfraktion lassen.

In Garouphalias’ Rechtspartei haben leider auch einige Abenteurer Aufnahme gefunden, deren 1965/66 gegen den Willen von Volk und Parlamentsmehrheit mit Tricks und Drehs im Amt gehaltenen Minderheitsregierungen das Schmierenvorspiel zu der in Athen deshalb anfänglich sogar begrüßten Militärdiktatur geliefert haben.

Von Karamanlis waren diese sogenannten „Liberaldemokraten“ unter Führung des geschniegelt-ge-

wiegten Kreters Mitsotakis nicht unter seine „Neuen Demokraten“ aufgenommen worden, so beflissen sie auch auf seine Liste drängten. Einige Besorgnis hatte hingegen die standhafte Weigerung von Karamanlis’ altem Parteifreund, dem 1967 von den Putschisten gestürzten Ministerpräsidenten Panagiotis Kanellopoulos ausgelöst, unter dem Banner der „Neuen Demokratie“ zu kandidieren.

Auf den durch Karamanlis’ Kursberichtigung über die Mitte hinaus eingeengten Raum der griechischen Linken bemühen sich neben Andreas Papandreou noch fünf andere liberal-progressive bis erklärt marxistische Parteien um die Sicherstellung ihres traditionellen Stimmanteils, der zwischen 1952 und 1964 von 25 auf über 60 Prozent angeschwollen war. Für ihre nun aber ziemlich aussichtslose Position dem „Linksrutscher“ Karamanlis gegenüber spricht schon jetzt die Tatsache, daß sie sich zu gekoppelten Listen zusammenzuschließen beginnen. So haben sich die „internationalen“ Kommunisten (Moskauer Richtung) mit Griechenlands „unabhängiger“ KP und der linkssozialistischen EDA zu einer „Sammelpartei der Werktätigen“ zu- sammengefunderf. Andererseits zogen es auch die griechischen Sozialdemokraten des in Heidelberg habilitierten Professors Mangakis vor,

ihr Debüt auf der hellenischen Wahlbühne nur in Koppelung mit der „Zentrums-Union“ von Karamanlis’ jetzt zurückgetretenem Außenminister Georgios Mavros zu wagen. Nur dessen liberal-sozialdemokratische Doppelliste hat nun echte Aussichten, zu einer zweiten politischen Kraft neben der „Neuen Demokratie“ zu werden. Die anderen Splittergruppen haben daher schon im voraus prophezeit, daß die Novemberwahlen zu wenig frei und nicht unverfälscht verlaufen würden. So sollen die erwarteten Verluste vor den eigenen Anhängern gerechtfertigt werden, wie das in Griechenland schon immer üblich war.

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