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Papandreou ist optimistisch
Als wir Sonntag, den 16. Februar, gegen 23 Uhr im Pressezentrum im Hotel Palace ankamen, ließ sich der überwältigende Sieg der Zentrumsinion an den bisher eingetroffenen Srgebnissen bereits ablesen. Die kühle Rechnung von Georgios Papandreou war aufgegangen. Die politisch io individualistischen Griechen hatten sich für eine arbeitsfähige Regierung Entschieden. Die großzügigen Zu-sunftspläne des 76jä-hrigen Zen-brumführers, seit seinen Studienjahren in Athen und Berlin leidenschaftlich der griechischen Politik zugetan, hatten die Wähler mitgerissen. Der triumphierende Papandreou sieht vor sich die große Bewährung und Krönung seiner Laufbahn.
Der Zentrumsunion (ER), die liberale und linke Gruppen umfaßt, war es im November des vorigen Jahres gelungen, eine achtjährige Vorherrschaft der Konservativen zu brechen. Ihr damaliger Führer, Karamanlis, war infolge einer schweren s:i Meinungsverschiedenheit mit der Königsfamilie bezüglich ihres Londonbesuchs, zurückgetreten. Die Neuwahlen am 3. November 1963 ließen Karamanlis* Partei, die Nationalradikale Uniion (ERE), von 176 auf 132 Mandate zusammenschrumpfen, während die Zentrums-union die knappe Mehrheit von 138 Mandate erzielte. Der Schock der Niederlage ließ Karamanlis die Parteileitung zurücklegen. Grollend zog er sich nach Paris zurück. Die Führung der ERE übernahm der Jurist Panayotis Canellopoulus.
Die 138 Sitze der Zentrumsunion genügten nicht für eine arbeitsfähige Mehrheit. Premier Papandreou überlebte das erste Mißtrauensvotum nur mit Hilfe von 28 linksradikalen Abgeordneten der EDA, die ihre Bereitwilligkeit zu einer Volksfrontkoalition durchblicken ließen. Papandreou lehnte entschieden ab, verwehrte sich aber auch gegen eine große Koalition mit den Konservativen und verlangte neuerliche Wahlen. König Paul, das schon schwelende Zypernproblem im Hintergrund, gab nach, löste das Parlament auf und setzte Neuwahlen für den 16. Februar fest. Wie üblich, wurde für die Übergangszeit eine provisorische Regierung von Fachleuten bestellt, die nur dem König gegenüber verantwortlich ist.
Griechenland begann sich für einen zweiten Wahlkampf zu rüsten. Karamanlis blieb in Paris und grollte nur: „Griechenland muß durch eine lange und schwere Krise, bis das Volk meine Rückkehr verlangt.“ Papandreou hatte 50 Tage zur Verfügung gehabt, um seine großzügigen Programme zu umreißen. Mit ungeheurem Enthusiasmus hatte sich der an Jahren alte Mann, unterstützt von einem Team tüchtiger Fachleute, darunter auch seinem Sohn, in die Arbeit gestürzt. Griechenland sollte erneuert, dem trüben korrupten bürokratischen Sumpf der Karamanlis-Periode entrissen und Land und Volk zu einer höheren Stufe sozialer und wirtschaftlicher Demokratie gehoben werden: Freie Erziehung, inklusive der Hochschulen, auf breitester Basis, beschleunigtere Industrialisierung, Aufsaugen des Landproletariats, Schaffung einer gesünderen Infrastruktur, Stundung der Agrarschulden, Programme, die zusätzliche 50 Millionen Dollar pro Jaihr verschlingen werden. Die Frage der Finanzierung wurde kaum angeschnitten, doch den Griechen gefielen diese weitgesteckten Pläne, die das Land schnell an den technischen und intellektuellen Standard Westeuropas heranführen sollen. Die Zentrumsunion hatte daher im zweiten Wahlkampf einen großen Vorsprung. Die konservative ERE, in die Defensive gedrängt, konnte nur mit Gegenversprechungen oder mit Anklagen auf Demagogie antworten. Papandreous Rechnung schien sicher aufzugehen.
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