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Griechenland nach Karamanlis

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Mit dem Amtsantritt von Präsident Christos Sartze-takis ist in Griechenland die Ära Karamanlis zu Ende gegangen. Seinem Nachfolger können persönlich die besten Qualitäten und lautersten Absichten bestätigt werden. Weniger ehrlich ging es aber bei seiner Wahl durch Sozialisten und Kommunisten Ende März im griechischen Parlament zu.

Die konservative Opposition hat darum sofort Verfassungsbeschwerde gegen Sartzetakis erhoben. Dessen Promotor Papandreou trägt sich inzwischen aber überhaupt mit einer Verfassungsreform. Durch diese und mit Hilfe des neuen Staatsoberhauptes will er offensichtlich seine Herrschaft verewigen. Die Parlamentswahlen im Herbst sind der einzige Ausweg aus der schweren politischen Krise.

Mit dieser Ablösung von Konstantinos Karamanlis hat eine dreißigjährige Ära südosteuropäischer Zeitgeschichte seinen Abschluß gefunden. Dem großen Europäer, der das Land der Hellenen vom Bürgerkrieg der frühen fünfziger Jahre bis zum EG-Beitritt von 1981 fast durchwegs geführt hatte, sind seine Verdienste zuletzt in Athen schlecht gelohnt worden.

Dem Sohn eines armen Tabakpflanzers im nordgriechischen Serres war der Aufstieg an die Spitze von Hellas nicht ohne die Hilfe einflußreicher Frauen gelungen. Eine höhere Tochter aus bestem Haus reichte ihm die Hand. Ihre Familie sorgte dafür, daß ihn der damalige Regierungschef Marschall Papagos als Bautenminister ins Kabinett holte.

Griechenlands Wiederaufbau nach dem Weltkrieg und dem erst 1952 beendeten Bürgerkrieg zwischen „Nationalen” und Kommunisten wurde von Karamanlis so zügig in Angriff genommen, daß er sich die Sympathien der Bevölkerung über die politischen Fronten hinweg erwarb.

Die von Karamanlis geführte Sammelpartei der Nationalradikalen Union (ERE) errang bei den Wahlen von 1956 die absolute Mehrheit. Der „schöne Mann” aus Serres wurde für die nächsten acht Jahre zum starken Mann von Hellas. Er regierte mit einem fast autoritären Stil, bescherte den Griechen jedoch ihre Art Wirtschaftswunder. Seiner Führung schien kein Ende gesetzt zu sein.

Bis Karamanlis 1963 zum ersten Mal über Christos Sartzetakis stolperte. Im nordgriechischen Thessaloniki war der linksradikale Friedensmarschierer Lambra-kis ermordet worden. Die rechtsextremistischen Attentäter täuschten einen Verkehrsunfall vor.

Diese Version wurde auch von der offiziellen Sprachregelung der Regierung und des Hofes in Athen übernommen. Ein junger Richter namens Sartzetakis ging den Dingen jedoch auf den Grund. Der folgende Skandal belastet in erster Linie die Regierung Karamanlis.

Zudem zerkrachte sich der wenig polierte Selfmademan mit seiner königlichen Gönnerin Friederike. Uber Nacht ließ er in Griechenland alles liegen und stehen. Er zog sich nach Paris ins selbstgewählte Exil zurück. Als Mensch wie als Politiker schien der „große, alte Mann” von Hellas schon damals am Ende zu sein.

In Athen überschlugen sich inzwischen die Ereignisse. Papandreou senior erging sich 1965 in nahezu ebenso riskanten und umstrittenen Richtungen, vom NATO-Austritt bis zu einparteilichen Verfassungsänderungen, wie jetzt nach 20 Jahren sein Sohn Andreas. König Konstantin griff ein.

Es folgten chronische Regierungskrisen mit rasch aufeinanderfolgenden Minderheitskabinetten. Das forderte die Machtergreifung der Militärs am 21. April

1967 heraus. Unter der anschließenden, siebenjährigen Militärdiktatur kam der Lambrakis-Richter Sartzetakis ins Gefängnis.

Je länger das Obristen-Regime dauerte, desto lauter wurde bei allen griechischen Demokraten der Ruf nach einer Rückkehr von Karamanlis. Die zweite Amtszeit des inzwischen ruhiger und fortschrittlicher gewordenen Regierungschefs begann. Sein diesmal wirklich demokratisches Regiment brachte den Griechen bisher unbekannte Freiheiten und soziale Rechte.

1981 zog sich Karamanlis aus der Parteipolitik zurück und ließ sich von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments zum Staatspräsidenten wählen. Als diese Mehrheit bald darauf an seinen linkssozialistischen Gegenspieler Papandreou junior verloren ging, erwies sich der zum Liberalen gewordene Konservative aus Serres weiter als untadeliger Landesvater aller Griechen.

Der überraschenden Weigerung von Papandreos PASOK-Partei, ihn bis 1990 weiter zum Präsidenten zu wählen, ist Karamanlis mit seinem Rücktritt zuvorgekommen. Dieser Ausgang der Dinge hat auf die meisten Griechen wie ein Schock gewirkt. Für sie waren die Dinge mit Karamanlis als Staats- und Papandreou als Regierungschef genau im richtigen Lot.

Diese Einstellung wird sich bei den Parlamentswahlen im Oktober sicher zu Lasten der griechischen Linken auswirken. Für Andreas Papandreou könnte sein Sieg- mit Sartzetakis der Anfang vom eigenen Ende werden.

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