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Schwache Mannschaft. starker Mann

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Kaum jemand war am Montag in Athen davon überrascht, daß die sonntägliche Volksabstimmung über die künftige Staatsform von Hellas mit einem Sieg der Republikaner ausgegangen war. Das Erstaunen politisch interessierter Kreise, der Triumph der liberalen Mittagszeitungen und die Bestürzung in der königstreuen Boulevardpresse, die für Konstantin in Gesellschaft von Filmköniginnen und Boxmeistern geworben hatte, war auf andere Ursachen zurückzuführen. Und zwar auf die überraschend hohe Zweidrittelmehrheit von fast 70 Prozent für die Republik und auf die besonders fühlbare Niederlage des Thronwerbers in der griechischen Provinz, von der, zum Unterschied von den städtischen Zentren, immerhin ein knappes Votum für den Restaurationsplan erwartet worden war.

Für diesen Erdrutsch können nicht nur die traditionellen Vorbehalte breiter griechischer Kreise gegen das noch immer mit dem Makel des Ausländischen behaftete Königshaus der Glücksburger verantwortlich gemacht werden. In erster Linie scheinen es doch die grichischen Monarchisten selbst zu sein, die mit einer ungünstigen Propagandataktik die anfänglich nicht so aussichtslosen Chancen des 1973 von der damaligen Militärjunta abgesetzten Konstantin auf Wiederkehr als König der Hellenen zunichte gemacht haben.

Ihre gesamte Stimmenwerbung war auf die Person des jungen Königs abgestimmt gewesen. Damit wurde das Referendum von einer Wahl zwischen zwei Staatsformen zu einer Persönlichkeitsstichwahl zwischen dem farblosen, wenn nicht gar negativ gekennzeichneten Konstantin und jenen Männern, die Griechenland an der Spitze einer Republik sehen möchte — mögen das nun der vitale Karamanlis oder der Ehrfurcht gebietende Politikerphilosoph Kannellopoulos sein, in beiden Fällen lag Konstantin, auf sich allein gestellt, aussichtslos im Rennen. Für die Royalisten wäre bei der Abstimmung wesentlich mehr zu gewinnen gewesen, wenn sie ihre Propaganda auf den Stabilitätsfaktor einer erblichen Monarchie und auf die Gesamtleistung der Glücksburger Dynastie für Griechenland, von dem Gründerkönig Georg dem Ersten bis zu Konstantins selbst bei der Linken hochgeachteten Vater Paul konzentriert hätten.

Wie dem auch sei, die Initiative liegt jetzt bei dem Montag mittag angelobten neuen Parlament, das in den nächsten Wochen eine demokratische Präsidialverfassung auszuarbeiten hat. Ursprüngliche Pläne für eine Vereinigung der Ämter des Staats- und Regierungschefs in der Hand des starken Mannes Karamanlis wurden inzwischen ad acta gelegt. Sie erinnern zu stark an die Verfassungsexperimente des Diktators Papadopoulos aus den Jahren 1968 und 1973. Aber auch so haben sich konservative Regierung und liberale Opposition noch auf kein gemeinsames konstitutionelles Konzept festlegen können.

Die erste Auseinandersetzung darüber wird es im Parlament zwischen dem Oppositionsführer Mavros und Karamanlis geben.

Die Zusammensetzung der neuen Regierung Karamanlis hat selbst Anhänger dieser starken und besonnenen Führerpersönlichkeit enttäuscht. In den eleganten Cafes an der Universitätsstraße und im Nobelviertel von Kolonaki wird über Karamanlis und sein Kabinett als „die schwache Mannschaft des starken Mannes“ gewitzelt. Sind in die Schlüsselpositionen der Ministerien für wirtschaftliche Koordination, Verteidigung, Inneres und „Öffentliche Ordnung“ (Polizei) ganz einfach Karamanlis’ alter Mitarbeiter aus seinen- drei Regierungen zwischen 1956 und 1963 eingezogen, so fehlt es in den sonstigen Positionen ganz einfach an jungem und modern gesinntem politischem und fachlichem Nachwuchs.

Angesehene Mitglieder der Athener Akademie der Wissenschaften mit viel Gelehrsamkeit und wenig Haaren haben die Lücke nicht zu füllen vermocht, die durch den Austritt der jungen Widerstandskämpfer und fortschrittlichen Wirtschaftsexperten aus der Übergangsregierung Karamanlis, der sie von Juli bis September angehört hatten, entstanden war. Geschart um den Heidelberger Professor Mangakis und den auf eine soziale Marktwirtschaft festgelegten Nationalökonomen und Bankfachmann Pesmazoglou, war diese Gruppe dann bei den Novemberwahlen unter der Bezeichnung „Junge Kräfte“ eine Listenkoppelung mit der Zentrumsunion eingegangen, aus der sie aber nur mit einem Dutzend Parlamentssitzen hervorging. Nach diesem Mißerfolg hatte ganz Griechenland auf eine neue Koalition mit Karamanlis gerechnet, wozu sich dieser im Hochgefühl seines Wahlsieges aber nicht bereitfinden wollte. Sein Verzicht auf solch ebenso hochqualifizierte wie populäre Mitarbeiter machte dann die Heranziehung zweitklassiger oder zumindest unbekannter Kräfte für die meisten Ministerien und Staatssekretariate erforderlich.

Daß Karamanlis sogar seinen eigenen Bruder Achilleus, dessen Chauffeur vor den Wahlen als Haschisch- Schmuggler festgenommen worden war, ins Kabinett aufnahm, hat in Athen besonders böses Blut gemacht. Noch sind die Zeiten des Diktators Papadopoulos in lebendiger Erinnerung, der seine Brüder Konstantin und Charalambos zu Teilhabern von Macht und Korruptionsgewinnen befördert hatte. Im Augenblick können sich Karamanlis und sein neuer Außenminister, der Karrierediplomat Bitsios, wenigstens an äußeren Erfolgen über die sich anbahnende neue innere Krise hinwegtrösten. Auf Griechenlands feierliche Wiederaufnahme in den Europarat von Straßburg in der letzten Novemberwoche war zum Monatswechsel die vorläufige Krönung von Karamanlis’ Zypernpolitik mit der Rückkehr von Erzbischof Makarios erfolgt.

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