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Karamanlis kein „starker Mann“ mehr?

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Einen nicht nur des schlechten Wetters wegen stürmischen Frühling hat Griechenlands konservative Regierungspartei „Neue Demokratie“ hinter sich. Hatten ihr 1974 die hellenischen Stimmbürger bei den ersten freien Wahlen nach über siebenjähriger Militärdiktatur eine absolute Mehrheit beschert, so war das hauptsächlich auf eine sentimentale Erinnerung an die gute, alte Amtszeit des Konstantinos Karamanlis (von 1956 bis 1963) zurückzuführen. Der „Vater des griechischen Wirtschaftswunders“ sollte nun, nach einem politisch wie wirtschaftlich bitteren Jahrzehnt, diese goljdenen Zeiten zurückbringen. Doch die Dinge hatten sich geändert: Karamanlis II brachte den Griechen zwar mehr demokratische Freiheit und mehr Rechtsstaat als in seiner ersten Regierungsperiode, dafür jedoch Teuerung, enorme Steuerbelastung und kein Ende der innenpolitischen Verunsicherung.

Die Zuverlässigkeit der Streitkräfte, die ihre totale Macht vor bald drei Jahren einsichtsvoll an den Zivilisten Karamanlis abgegeben hatten, war und ist gar nicht mehr die beste. Den ganzen April hindurch gärte es in den attischen Kasernen rund um die Hauptstadt, während Verteidigungsminister Averoff seinerseits „Sicherheitsmanöver“ anberaumte, um die unzufriedenen Einheiten von ihren Putschplänen abzulenken. Regelmäßige Waffendiebstähle durch „Neofaschisten“ bei Polizei und Heer finden selbst in der griechischen Oppositionspresse kaum noch Beachtung. Die große Frage ist nur, ob diese Maschinenpistolen, Sturmgewehre und Granatwerfer tatsächlich entwendet oder nicht vielmehr ausgehändigt werden.

Der Unmut breiter Bevölkerüngs- kreise über die sich verschlechtern den Lebensbedingungen ist schon so groß: daß heute sogar die Jahre der Obristenherrschaft in fast rosigem Licht erscheinen. Als die Diktatoren 1975 vor Gericht gestellt wurden, hatte die Volksseele noch nach dem Galgen geschrien. Heute spricht der Athener am Abend in seiner Stamm-Taverna beim geharzten Retsina-Wein geradezu mit Mitleid und Sympathie von den politischen Nobelhäftlingen im Hafenzuchthaus Korydallos.

Die „Neue Demokratie“ versucht dieser gefährlichen Entwicklung politisch und propagandistisch entgegenzutreten. Politisch durch ein besseres Verhältnis zu den linksliberalen und marxistischen Oppositionsparteien, die in den letzten zwei Jahren weit über ihre parlamentarische Vertretung von 1974 hinaus erstarkt sind.

Propagandistisch mit der Aufdeckung immer neuer Korruptionsaffären der „Junta“, mit der die Obristen indirekt für die finanzielle Misere von heute verantwortlich gemacht werden sollen.

Umgekehrt haben gerade die Pan- hellenischen Sozialisten von Papandreou junior in vielen Arbeitskämpfen Verantwortungsbewußtsein und große Reife bewiesen. Sie betrachten sich als Partei der Zukunft, von der erst die „wahrhaft demokratische“ Wiedergeburt Griechenlands ausgehen soll. Karamanlis sei eine notwendige Ubergangsfigur, doch auf die Dauer den Militärs viel zu sehr ausgeliefert.

Aber auch die Linke will Karamanlis noch am Ruder lassen, bis die Gefahr einer Restauration der Junta oder ein Sieg der Royalisten gebannt wäre. Denn gerade Griechenlands Königstreue profitieren von der allgemeinen Unzufriedenheit. Ihr Zentrum ist das südgriechische Navplion, von wo sie für die Heimkehr König Konstantins werben und kämpfen.

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