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Novemberwahlen: Leichtes Spiel der Regierungspartei
Vier Wochen vor dem Wahltag begann in Griechenland die Kampagne von Regierungspartei und Opposition. Gleichzeitig lief die Frist für die Zulassung von Parteien und die Nominierung ihrer Kandidaten ab, während das Kabinett Karamanlis zwecks unparteiischer Durchführung der Wahlen durch einen neutralen Innen- und Justizminister ergänzt wurde. Vor dem Schock der Militärdiktatur in den Jahren 1967 bis 1974 war es in Hellas üblich gewesen, in Wahlzeiten unparteiische Ubergangsregierungen zu bilden. Die auf dem Lande nach wie vor herrschenden patriarchalischen Verhältnisse hätten es der regierenden Mehrheitspartei oder -koalition jederzeit mit etwas Zuckerbrot und Peitsche möglich gemacht, ihre Macht durch Beeinflussung der Stimmbürger und durch Auszählungsbetrug zu verewigen. Wie schon bei den ersten freien Wahlen vom November 1974, bleibt jetzt zwar die Regierung im Interesse der Stabilität im Amt, muß jedoch die zwei Ressorts neu besetzen, die damit unmittelbar zu tun haben. Ministerpräsident Karamanlis weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut, daß nachträgliche Vorwürfe von „via kai nothefa” (Wählerzwang und Zählbe- trug) das schönste Wahlergebnis zunichte machen können. Seine überwältigende Mehrheit von 1961 war so Stück um Stück abgebröckelt, bis er zwei Jahre später, verfemt und verjagt, ins Pariser Exil flüchten mußte.
Aus diesem hatten ihn die Griechen 1974 als Befreier von der Obristen- herrschaft im Triumph heimgeholt. Diese Gesinnung schlug sich damals in dem Rekordergebnis einer absoluten
Mehrheit für seine neue Partei, die „Nėa Demokratla”, nieder. Teuerung, Aufrüstungspolitik und der bekannte Wankelmut der Griechen ließen diese Vielzahl von Abgeordneten in der am 21. Oktober aufgelösten Athener „Boulė” jedoch nicht mehr repräsentativ erscheinen. Karamanlis packte die Opposition, die diesen Vorwurf immer lautstärker erhob, beim Schopf, und ordnete vorzeitige Neuwahlen an. Das war im September, als seine Meinungsforscher für den termingemäßen Wahlgang im November 1978 der Nėa Demokratia nicht einmal die einfache Mehrheit mehr garantieren wollten.
Jetzt, da der vorverlegte Wahltag vor der Tür steht, muß man sagen, daß Griechenlands liberale und linke Opposition ihre große Chance verpaßt hat. Ihr Zusammenschluß, der ihr im griechischen Teil Zyperns bei Nachwahlen am 16. Oktober 65 Prozent der Stimmen sichern konnte, ist im Mutterland ausgeblieben. Im Gegenteil. Dort toben die heftigsten Wahlschlachten zwischen den verschiedenen Fraktionen des liberalen Lagers. Lediglich die bisher nicht im Parlament vertretenen Linkssozialisten haben sich mit kleineren kommunistischen Gruppen zur „Symmachi’a” zusammengeschlossen, denen eine Meinungsumfrage der führenden Mittagszeitung „Apogevmatini” einen Stimmanteil von 7,9 Prozent prophezeit. 8,4 Prozent dürften die Kommunisten erringen, während Liberale und Sozialisten mit 15,8 beziehungsweise 12,9 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern könnten.
Als Rechts- und Mittelpartei be herrscht die „Nėa Demokratfa” weiterhin allein die politische Szene. Vom „Nationalen Block” der Monarchisten unter der Führung von Stefanopulos, dem letzten Regierungschef König Konstantins, hat sie lediglich den Verlust eines Mandats auf der Royalisteninsel Korfu zu befürchten. Hingegen hat Karamanlis auf seine Liste eine Persönlichkeit gesetzt, die eine ganze Partei wert ist: Panagiotis Kanellopou- lulos, Dichter und Philosoph, Ministerpräsident bei der Machtergreifung der Armee am 21. April 1967, verhaftet, nach seiner Freilassung Führer des demokratischen Widerstands.
Um seine Junggesellenwohnung am Sophien-Boulevard kreisen seither wilde Gerüchte. Karamanlis habe diesen einstigen Führer der Fortschrittlichen Volkspartei zum Nachfolger an der Regierungsspitze ausersehen. Karamanlis selbst wolle bei den Wahlen siegen, dann zurücktreten und sich zum Staatsoberhaupt wählen lassen. Schon die neue Verfassung von 1975 hat in ihren Bestimmungen über das Präsidentenamt den Zuschnitt auf die Person von Karamanlis erkennen lassen. Sein Wechsel von der Ministerpräsidentenkanzlei ins Präsidentenschloß hinter dem Athener Stadtpark hat sich eigentlich nur wegen der Nachfolgefrage verzögert. Der Parteiapparat befürwortete Verteidigungsminister Averoff, den auch die keineswegs ausgeschaltete Armee unterstützt. In Linkskreisen gilt der make- dorumänische Bojarensproß jedoch als „Faschist”. Eine „Lösung Kanello- poulos” käme hingegen allen Seiten gelegen.
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