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Karamanlis’ Sprung in Neuwahlen

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Mit einem Kopfsprung in vorzeitige Neuwahlen hofft Griechenlands konservativer Regierungschef Karamanlis seiner „Nea Demokratia“ noch einmal die Führung zu sichern. Die bürgerliche Sammelbewegung hatte im November 1974 216 der 300 Parlamentssitze gewonnen, eine Folge der damals allgemeinen Begeisterung für Karamanlis, der ąn die Stelle siebenjähriger Militärdiktatur getreten war. Seitdem hat zwar kaum er selbst, sehr wohl jedoch seine Partei und seine Regierung an Popularität stark eingebüßt. Hielte dieser Trend an, so könnte sich die „Neue Demokratie“ für die 1978 fälligen Herbstwahlen die Niederlage ausrechnen. Daher die Vorverlegung des Termines um ein Jahr, was auch den Oppositionsparteien kaum mehr Spielraum für ihren von der Regierung gefürchteten Zusammenschluß läßt.

Offiziell hat Konstantinos Karamanlis seinen Schachzug mit der Notwendigkeit eines neuen Wählermandats für die Handhabung der Zypemfrage nach dem Tod von Erzbischof Maka- rios begründet. Doch ist gerade in diesem „nationalen Thema“ seine Politik am allerwenigsten in Frage gestellt. In der griechisch-türkischen Kontroverse stehen heute die Hellenen aller politischen Richtungen einmütig hinter Karamanlis.

Die wachsende Enttäuschung der Griechen über die Regierungspartei hat nichts mit ihrer Außenpolitik zu tun. Jede neue Regierung muß hier denselben Kurs einschlagen. Hingegen wird an Karamanlis ausgesetzt, daß seine anfangs breite demokratische Erneuerungsbewegung ihre Chance als echte griechische Volkspartei vertan hat und sich zu den alten „Nationalradikalen“ (ERE), nur unter neuem Namen, zurückentwickelt.

Gelegenheit zu akuten Angriffen und Anlaß für die Neuwahlen haben in diesem Herbst Terroranschläge von Anhängern des Militärregimes und eine Preislawine auf dem Wohnungsmarkt geboten. Die Frage einer radikalen Säuberung von Armee, Polizei und öffentlichem Leben, der Entlassung von Mitverantwortlichen und Mitläufern der Diktatoren, stellt schon länger den Hauptzankapfel zwischen Regierung und Opposition dar. Gerade in den Streitkräften läßt man sich mit der „Entjuntisierung“ immer noch Zeit. Großflächige Brandstiftungen im August und September, von denen wichtiger Waldbestand vernichtet, ganze Dörfer und sogar Athener Vororte bedroht wurden, haben gezeigt, wie unbelehrbar diese „Ehemaligen“ sind; daß sie über Zugang zu Waffendepots der Armee verfügen, im konkreten Fall zu Brandbomben. Immer mehr Griechen haben Karamanlis im Verdacht, von den Generälen abhängig zu sein, die ihm die Macht im Juli

1974 unblutig übergeben haben. Die liberalen und marxistischen Oppositionsparteien führen daher diesen Wahlkampf unter der Devise „1974 - Neue Demokratie, 1977 — wahre Demokratie!“

Zentrumspartei (61 Mandate), Sozialisten (14 Abgeordnete) und Komuni- sten (9 Abgeordnete) dürften außerdem von der allgemeinen Unzufriedenheit der Griechen mit Inflation, Teuerung und Steuerbelastung profitieren. Sie hatten Karamanlis vor drei Jahren nicht zuletzt deshalb gewählt, weil er aus den fünfziger Jahren als Vater des griechischen Wirtschaftswunders in bester Erinnerung war. Das von der Diktatur hinterlassene ökonomische Chaos und enorme Rüstungslasten im Konflikt mit der Tür-

kei haben Karamanlis II jedoch zu einem eisernen Sparmeister gemacht. Bisher hat es nur vereinzelte Streikwellen und Ausstände als Protest gegen seine restriktive Lohnpolitik gegeben. Mieterhöhungen zwischen 30 und 50’Prozent im September haben jedoch die ganze Wohnbevölkerung getroffen. Sie wird sich dafür am 2t5. November mit dem Stimmzettel bedanken.

Athener Beobachter teilen daher nicht so ganz den Optimismus der Regierungspartei für eine neue Mehrheit der „Neuen Demokratie“. Karamanlis hat sich schon einmal bei einem Kopfsprung in Neuwahlen den Kopf angeschlagen. Das war 1963, als er seine zwei Jahre zuvor errungene Mehrheit aufs Spiel setzte, nur um sich ein „neues Wählermandat“ zu sichern. Stattdessen wurde er abgewählt, der Auftakt zu Griechenlands politischen Wirren 1964 bis 1974. Und darum die Sorge: Wird sich das alles wiederholen …?

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