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Neue, alte Freunde

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Das neue Jahr steht für Griechenland und seine demokratisch-konservative Regierung unter Altmeister Konstantinos Ka-ramanlis im Zeichen weiterer Herauslösung aus der in sieben Diktaturjahren (1967 bis 1974) eingegangenen Alleinbindung an die USA, der zielbewußten Annäherung an Europa, ja selbst an die kommunistischen Nachbarn auf der Balkanhalbinsel. Diese Reaktivierung der allzu lange isolierten griechischen Außenpolitik, die auch bei den Arabern und in der Dritten Welt beachtliches Terrain gewinnt, wird auf der anderen Seite durch den nach wie vor unüberbrückten Gegensatz mit der Türkei in den Fragen Zypern und Ägäis-Erdöl gekennzeichnet.

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Das neue Jahr steht für Griechenland und seine demokratisch-konservative Regierung unter Altmeister Konstantinos Ka-ramanlis im Zeichen weiterer Herauslösung aus der in sieben Diktaturjahren (1967 bis 1974) eingegangenen Alleinbindung an die USA, der zielbewußten Annäherung an Europa, ja selbst an die kommunistischen Nachbarn auf der Balkanhalbinsel. Diese Reaktivierung der allzu lange isolierten griechischen Außenpolitik, die auch bei den Arabern und in der Dritten Welt beachtliches Terrain gewinnt, wird auf der anderen Seite durch den nach wie vor unüberbrückten Gegensatz mit der Türkei in den Fragen Zypern und Ägäis-Erdöl gekennzeichnet.

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Als Karamanlis nach seinem Wahlsieg vom November 1974 den auch unter dem Militärregime im Dienst stehenden Karrierediplomaten und ehemaligen königlichen Sekretär Bitsios zu seinem Außenminister bestellte, war das zum Parlamentarismus zurückgekehrte Hellas auf dem diplomatischen Parkett zunächst recht labil vertreten: Athen hatte die Amerikaner, von denen die Diktatur als eine Art notwendiges Übel geduldet worden war, nach Wiederherstellung der Demokratie durch Austritt aus der NATO und andere Seitenhiebe vor den Kopf gestoßen, ohne daß zunächst ein rasches Tauwetter in den von der Junta aufs Eis gelegten griechisch-europäischen Beziehungen erzielt werden konnte. Das schwelende Unbehagen zwischen Washington und den Griechen, die vor allem Staatssekretär Henry Kissinger für den Hauptverantwortlichen für türkische Besatzung und Flüchtlingselend auf Zypern halten, hat inzwischen mit dem politischen Mord am amerikanischen Diplomaten Richard Welch in einem Villenvorort der griechischen Hauptstadt neuen Zündstoff erhalten.

Inzwischen ist Hellas aber in Europa wieder so gut verankert, daß es sich Schwierigkeiten mit den USA erlauben darf. Als Karamanlis im Juli 1974 aus seinem Pariser Exil umjuibelt nach Athen zurückgekehrt war, um von den bankrotten Ob-risten die Führung des Landes zu übernehmen, das er schon 1956 bis 1963 mit besten Ergebnissen regiert hatte, brachte er dem neuen Hellas zunächst nur die Sympathien Frankreichs mit. Seitdem haben sich die Griechen mit zäher Kleinarbeit in Brüssel, Straßburg und Rom in den europäischen Gremien wieder Gehör und Vertrauen geschaffen. Diese Entwicklung ist zum Jahreswechsel von dem Athenbesuch des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt gekrönt worden, um so mehr, als die Bundesrepublik zu den schärfsten Kritikern des autoritären Griechenland gehört hatte. Umgekehrt war gerade Bonn bevorzugt im Schußfeld der Athener Regimepresse und -Propaganda gestanden.

Als erster prominenter deutscher Gast zu Füßen der Akropolis seit dem ein Jahrzehnt zurückliegenden Besuch des damaligen Außenministers Schröder, hat Kanzler Schmidt die letzten Reste von Distanz zu Griechenland aus der Welt schaffen können. Sind übersteigerte griechische Hoffnungen auf Bonner Rü-stungshilfe gegen die Türken zwar unerfüllt geblieben, so kamen die Hellenen dafür wirtschaftlich und politisch um so mehr auf ihre Rechnung. Wer in Athen „Europa“ sagt, meint jetzt nicht länger nur Frankreich, sondern Paris und Bonn.

Uber diesen Avancen an die Europäer hat Karamanlis nicht auf seine Projekte für eine von Hellas geführte balkanische Gemeinschaft über die ideologischen Schranken hinweg vergessen. Eine erste Konferenz der südosteuropäischen Staaten wird für das Frühjahr vorbereitet. Sofia, Bukarest und Belgrad haben die Athener Einladungen bereits fest angenommen, während man in Tirana noch auf bilaterale Vorgespräche Wert legt. Nach zum Teil noch aus den Balkenkriegen und dann vor allem aus der griechischen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Partisanenbewegung herrührender chronischer Feindseligkeit mit seinen Nachbarn auf dem Balkan, stellen Griechenlands Initiavtiven an diesem Raum einen wichtigen Dienst an der gesamteuropäischen , Entspannung dar. In das für 1976 erwartete große Verhandlungsringen mit der Türkei um Zypern und die anderen Streitpunkte geht Hellas also mit starker west- wie osteuropäischer Dek-kung.

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