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Ohne König, ohne Freiheit

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Mit dem Juni 1974 ist Griechenlands Zweite Republik — die Erste

ereignete sich in der Zwischenkriegszeit — ein Jahr alt geworden. Am 1. Juni 1973 hatte sich der damalige Reichsverweser, Regierungschef,

dreifache Minister und Oberbefehlshalber Georgios Papadopoulos; anstelle des bereits seit 1967 außerhalb des militärregierten Landes lebenden Königs Konstantin II. zum Staatsoberhaupt erklärt. Seine „Elli-niki Dlmokratia — Hellenische Demokratie“ wurde im Juli bei einer alles andere als freien Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit angenommen. Diese neue Verfassung und Papadopoulos' persönliche Machtfülle nahmen aber schon am 25. November 1973 durch einen Offiziersputsch ihr Ende, der die Armeekommandanten Gizikis und Bo-nanos sowie den obersten Militär-

Polizisten Ioannidis an die Herrschaft brachte. Papadopoulos, der sich in Hellas über sieben Jahre im Zeichen der Krone — obwohl in Wirklichkeit gegen diese — im Sattel gehalten hatte, kam sofort zu Fall, als ihn;.

dieses Symbol nicht mehr bei konservativen Städtern und einfachen Land- und Inselbewohnern, sowie vor allem im königstreuen Offizierskorps den Rücken stärkte.

Wie sieht es nun ein Jahr nach seinem größten Triumph um den Urheber der griechischen Republik aus? In Athen selbst sind darüber wider sprechende Gerüchte im Umlauf. Den einen zufolge befindet sich der Machthaber der Jahre 1967 bis 1973 nach wie vor in ehrenvoller Haft in einem attischen Feldlager, in das er Anfang Dezember aus seiner prunkvollen Küstenvilla auf der „Haseninsel“ (Lagonisi) verbracht worden

war. Papadopoulos habe aber seitdem einen Schlaganfall erlitten und sei seiner Zunge nicht mehr mächtig und in schlimmster Weise entstellt. Griechische Linkskreise bezeichnen gerade die letzte Meldung als gezielte Propaganda eines Teiles der neuen Führung, die im Volk neues Mitleid mit dem bestgehaßten Mann von Hellas wecken wolle. In Wirklichkeit fungiere Papadopoulos schon seit dem Jahreswechsel wieder als Berater des radikalen Exponenten irr neuen Regime, des berüchtigten Obersten Ioannidis.

Ob die eine oder die andere G-rüchteküche recht hat, wird sich in den nächsten Wochen bei den groß Korruptionsprozessen gegen die Vertreter des Papadopoulos-Regimes zeigen. Zur Zeit stehen der ehemalige 67er-Putschist und Junta-Staatssekretär Balopoulos und weniger bekannte Größen der „Nationalen Erhebung vom 21. April 1967“ wegen Milliardenschiebungen vor einem Sondertribunal der Militärpolizei. Als nächster soll Papadopoulos' Wirtschaftsminister Makarezos an die Reihe kommen, der Griechenland die Inflation und sich selbst Touristenstädte auf den Balearen erarbeitet hätte. Wird schließlich gegen den Papadopoulos-Clan der Brüder

Georgios-Konstantin-Charalambos Korruptionsklage erhoben, so dürfte es bei der Kluft zwischen „altem“ und „neuem“ Militärregime bleiben.

Letzteres hat vor der Papadopou-los-Diktatur ein paar gemäßigte und sachkundige Minister, aber weder Freiheit noch Wohlstand voraus, j Griechen nennen mit Galgenhumor ihre neue „Demokratie“ eine „De-miokratie, Schergen-Herrschaft“, und Ioannidis' ESA wird nicht als Abkürzung für Elliniki Stratiotiki AstynOmeia (Militärpolizei), sondern für „Hellenische SA“ gelesen. Selbst die radikale Linke ist des Sturzes des Thrones, den sie seit dem Bürgerkrieg von 1944 bis 1950 gefordert hatte, nicht froh geworden. Die neu-

en Gesetze zur Enteignung aller Vermögenswerte der Dynastie sind zu;-Quelle der Bereicherung für die Sonnenkinder der heutigen Mach haber geworden. Besonderes Aufsehen hat der Fall eines levantini-schen Griechen erregt, der seine unschätzbaren Kunstsammlungen der Königinmutter Friederike vermachte, dann aber nicht verhindern konnte, daß sie von einem republikanischen Botschafter zweckentfremdet wurden, Ein Botschafter, der sich, wie die meisten neuen Athener Missionschefs, seinen Rang nicht als Karrierediplomat, sondern damit verdient hat, daß er als von Papadopoulos entsandter „Gastarbeiter-Schreck“ aus einer mitteleuropäischen Demokratie mit Schimpf und Schande ausgewiesen wurde.

So negativ die Aspekte der „Hellenischen Demokratie“ sein mögen, hat ihre neue Struktur doch die Rückkehr zu normalen und gerechten Verhältnissen im Prinzip leichter gemacht. Der Vater des modernen Griechenland, Konstantin Karamanlis, von dessen triumphaler Heimkehr aus dem Pariser Exil heute fast alle Griechen die Lösung der autoritären Notlage erhoffen, ist der Mann für die griechische Präsidentschaft. Als „nur“ Regierungschef von 1956 bis 1963 hatte er später kaum Neigung gezeigt, an König Konstantins Seite den Kampf gegen die Militärdiktatoren aufzunehmen. Heute aber gehört ihm die Zukunft.

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