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Nur schöne Worte…

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Man hätte es unter anderen Umständen nicht genug begrüßen können, daß Griechenland nach einem halben Jahrhundert des Hin- und Herschwankens zwischen totaler Ungebundenheit und scharfer Zensur seiner Zeitungen nun endlich ein Pressegesetz erhalten soll, das Übergriffe der Journalisten ebenso verhindert wie die Willkür des Zensors. Eine gesetzliche Regelung der Rechte und Verantwortlichkeit der publizistischen Organe ist in Anbetracht der großen Zeitungsbelesenheit des Griechen und der hohen Entwicklung der hauptstädtischen wie lokalen Presse in Hellas angezeigter als in jedem anderen europäischen Land, wo Rundfunk und Fernsehen an der öffentlichen Meinungsbildung einen höheren Anteil nehmen.

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Man hätte es unter anderen Umständen nicht genug begrüßen können, daß Griechenland nach einem halben Jahrhundert des Hin- und Herschwankens zwischen totaler Ungebundenheit und scharfer Zensur seiner Zeitungen nun endlich ein Pressegesetz erhalten soll, das Übergriffe der Journalisten ebenso verhindert wie die Willkür des Zensors. Eine gesetzliche Regelung der Rechte und Verantwortlichkeit der publizistischen Organe ist in Anbetracht der großen Zeitungsbelesenheit des Griechen und der hohen Entwicklung der hauptstädtischen wie lokalen Presse in Hellas angezeigter als in jedem anderen europäischen Land, wo Rundfunk und Fernsehen an der öffentlichen Meinungsbildung einen höheren Anteil nehmen.

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Rückständigkeit, sondern in hohem Maße dadurch bedingt, daß der in den Händen des Staates und seltsamerweise auch der Armee liegende Informationsdienst aus dem Äther nur in der griechischen Republik zwischen 1927 und 1935 über Nachrichtenfreiheit verfügte und seitdem das einseitige Propagandaorgan der jeweils regierenden Partei geworden ist.

Es war daher nur verständlich, daß das gegenwärtige Militärregime nach seiner Machtergreifung im April 1967 der Kontrolle und Lenkung der Presse sein besonderes Augenmerk zuwandte. Auf das völlige Erscheinungsverbot für alle Zeitungen folgte die Einführung der Vorzensur, für die eine eigene Behörde unter dem euphemistischen Namen „Pressebeobachtungsamt” geschaffen wurde, das man später in „Direktion für nationale Führung” umbenannte. Unter der strengen Aufsicht dieser Institution, die sogar die Placierung von Artikeln und Photos bestimmte, konnte rund die Hälfte der großen griechischen Zeitungen ihr Erscheinen wenige Tage nach dem Umsturz wiederaufnehmen.

Das System der Vorzensur, das Griechenlands neue Herren vor allem im Ausland in ein schiefes Licht setzte, wurde von ihnen selbst schon früh als Unzulänglichkeit empfunden. Staatschef Papadopoulos setzte bereits im Frühjahr 1968 zwei Kommissionen ein, die ein Gesetz über die Presse und eines über die Voraussetzungen zur Ausübung des Journalistenberufes ausarbeiten sollten. Von den Arbeiten dieser Kommission war seitdem nichts mehr zu vernehmen, doch ließ der als Rahmenbestimmung für das künftige Pressegesetz gedachte Artikel 14 der neuen griechischen Verfassung vom September 1968 wenig Spielraum für eine echte Pressefreiheit. Seine Klauseln tendierten vielmehr dahin, die Durchsicht der Zeitungen vor der Drucklegung durch allgemeine Verbotsbestimmungen und die totale Aufhebung der journalistischen Unabhängigkeit in politischer und finanzieller Hinsicht zu ersetzen.

pfe&1fectiel? Versuche Verwirklichung dfbses Programms wurden von dem Obersten schon lange vor Veröffentlichung des jetzigen Pressegesetzes eingeleitet. Der mächtige Athener Redakteursverband wurde der Quelle seiner finanziellen Unabhängigkeit, der beliebten Neujahrslotterie, beraubt, damit in Schulden gestürzt und dann mit staatlichen Zuschüssen von einem unbequemen Mahner zur Wiederherstellung der Pressefreiheit zu einem zahmen Verein von Papadopoulos-Nachbetern umerzogen. Verschiedene dem Regime nahestehende Zeitungen wie der „Elevtheros Kosmos” und die „Nea Politeia” wurden von der Vorzensur befreit, und die Junta experimentierte an ihnen die Gefügigkeit einer unzensurierten, aber völlig von ihr abhängigen Presse.

Der Pferdefuß

Die Ergebnisse dieser eineinhalbjährigen Tests haben jetzt in den 108 Paragraphen des Pressegesetzes ihren Niederschlag gefunden, das bis zur Septembermitte öffentlich diskutiert und dann endgültig vom Ministerrat verabschiedet werden soll. Trotz vielen guten und längst notwendigen Einzelheiten, die die Gesetzesvorlage bietet, krankt sie an einer gefährlichen Einschränkung der verlegerischen und redaktionellen Freiheit, vor allem aber an ihrer eigenen Fiktivität: Wie schon die griechische Verfassung von 1968 enthält nämlich auch das Pressegesetz einschränkende und auf schiebende Durchführungsbestimmungen, die alle schönen Worte von Pressefreiheit und journalistischer Verantwortung zugunsten des unbeschränkten Fortbestandes der Zensur aufheben. Papadopoulos sieht und anerkennt die Presse nicht als realistischen Spiegel der Wirklichkeit, sondern will sie zu einem Instrument der nationalen, ideologischen und moralischen Erziehung machen. Und seine Ideale stellt Papadopoulos wie in seinem ganzen Regierungsprogramm eben auch in der Pressepolitik höher als die Akzeptierung der Wahrheit, Freiheit und menschlichen Würde. Die unzähligen Verbote und kategorischen Imperative seines Pressegesetzes haben etwas Gekünsteltes, Wirklichkeitsfremdes an sich.

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