6824008-1974_02_06.jpg
Digital In Arbeit

Besser als der Ruf?

Werbung
Werbung
Werbung

Das am 25. November etablierte neue griechische Militärregime, das sich nach dem Sturz von Präsident Papadopoulos als eine Art autoritärer Interessengemeinschaft rechtsstehender Generäle, der bürgerlichen Mittelschicht sowie des ehrgeizigen Kommandanten der Militärpolizei, Ioannidis, konstituierte, hat sich im ersten Monat seiner Amtsführung weitaus besser als sein Ruf erwiesen. Waren anfängliche Hoffnungen, daß die neuen Herren zu einer raschen Demokratisierung bereit seien, bald der Einsicht gewichen, daß davon nun wieder auf Jahre hinaus keine Rede sein werde, so unterscheidet sich der Regierungsstil von Präsident Gizikis, seinem Ministerpräsidenten Androutsopoulos und auch des „starken Mannes“ Ioannidis im allgemeinen wohltuend von den durch Papadopoulos geprägten Praktiken der Jahre 1967 bis 1973.

Das gilt mit Einschränkungen sogar für die griechische Militärpolizei ESA. Diese hatte in den ersten sechs Jahren der Militärdiktatur unter dem Kommando desselben Ioannidis einen recht brutalen Ruf erhalten, wobei auch von Folterungen politischer Gegner die Rede war. Allerdings hatten schon Anfang 1969 die diesbezüglichen Untersuchungen des Europarates ergeben, daß sie darin hinter den zivilen Polizeibehörden deutlich zurüoktolieb. Nun spielt sich die Militärpolizei schon einen Monat als Staat im Staate auf, ihre Presseaussendungen haben größeres Gewicht als jene des Ministerrates, und Kommandant Ioannidis ist persönlich für die Schließung der führenden konservativen Tageszeitung „Vradini“ (Abendblatt) sowie der christlichen „Ohristianiki“ verantwortlich. Anderseits hat der Briga-dierv zu Weihnachten die Freilassung aller von seinem ehemaligen

Meister Papadopoulos bei den Novemberunruhen eingelochten politischen Gefangenen verfügt. Ioannidis' Entmachtung, die von der Mehrzahl der Athener Beobachter früher oder später erwartet wird, erscheint damit nicht unbedingt als Vorbedingung einer gedeihlichen Entwicklung.

Allerdings wird für den Anfang des neuen Jahres mit einer Klärung der Machtverhältnisse und bisher recht undeutlichen Zielsetzungen des Regimes Gizikis gerechnet. Zur Zeit zehrt es noch von dem Popularitäts-vorsohuß, den ihm die Beseitigung des von wenigen verehrten und bei vielen verhaßten Papadopoulos verschafft hat. Die Weihnachtsamnestie und der erzwungene Rücktritt des ebenfalls denkbar unpopulären „Ver-trauens-Erzbischofs“ der Papado-poulisten, Hieronymus, brachten letzten Schwung aus dieser Richtung. Jetzt müssen politische Reformen folgen, die dem Volk zumindest ein seinem Willen entsprechendes Fernziel vors Auge rücken, wenn schon keine sofortige Bereitschaft zur Demokratisierung vorhanden ist. Zweitens hat sich das Regime der prekären Wirtschaftslage anzunehmen, die im Oktober und im November durch das Zwischenspiel und die ökonomischen Basteleien von Papadopoulos' Regierungschef und einstigem Drachmen-Reformer von 1954, Spyros Markezinis, dem Ruin nahegebracht worden ist.

Hinsichtlich dieser beiden zentralen Problemkreise scheint es in der neuen Führung aber noch keine Einigung zu gehen. Politisch sind die meisten Minister, die schon vor 1967 in Regierungen der Rechten oder der bürgerlichen Mitte gesessen sind, durchaus bereit, auf den Boden der von Papadopoulos Anfang Juni abgeschafften konstitutionellen Monarchie zurückzukehren. Diese Gesinnung scheint auch für den schon in sehr vorteilhaftem Licht dastehenden neuen Präsidenten, General Gizikis, zuzutreffen, dessen Redlichkeit und Bescheidenheit denkbar günstig vom geradezu messianischen Selbstbewußtsein seines Vorgängers absticht. Ministerpräsident Androutsopoulos und Brigadier Ioannidis hätten da prinzipiell auch nichts einzuwenden, wollen aber wohl die starke griechische Linke nicht zu rasch vor den Kopf stoßen.

Schwerwiegende Differenzen haben sich bezüglich der Wirtschaftspolitik aufgetan. Während Persönlichkeiten, wie der einflußreiche Minister im Amt des Regierungschefs, Konstantin Ballis, der in den fünfziger Jahren am griechischen Wiederaufbau- und Wirtschaftswunder eines Karamanlis mitgestaltet hat, unter Betonung der freien Marktwirtschaft den Anschluß an die EG suchen, gilt gerade Ioannidis als Freund sozialistischer Experimente. Ein Mittelweg war unter Papadopoulos' Herrschaft von dessen Wirt-schaftsmann Makarezos gegangen worden, der sich jetzt den neuen Machthaber fortlaufend anzubiedern versucht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung