6811019-1972_34_06.jpg
Digital In Arbeit

Die „Faulokraten“-Minister

Werbung
Werbung
Werbung

Nach mehrmonatiger Vorankündigung und vielwöchigen Anstrengungen ist Griechenlands „Nationale Revolutionsregierung“ wieder einmal, schon zum fünften Mal seit dem Staatsstreich von 1967, umgebildet worden. Diesmal in sehr umwälzender Weise, worunter vor allem die Wirtschafts- und Finanzressorts leiden, die eben erst im September 1971 mit einem neuen Stab von Ministern und Staatssekretären ausgestattet worden waren. Zum Teil standen diese aus dem Kreis von Unternehmern und Technokraten herangezogenen Ressortchefs aber schon seit Anfang Mai auf der Abschußliste, was alle Initiativen seit damals gelähmt hat. Zwar wirken sich auf die griechische Hochkonjunktur noch wohltuend die klugen Wirt-schaftsförderungsmaßnahmen des von 1967 bis 1971 voll für alle ökonomischen Belange verantwortlichen Obersts Nikolaos Makarezos aus. Dieser ist aber bei den jetzigen Kabinettsveränderungen voll von seinem früheren Platz im Juntadreieck

Papadopoulos-Pattakos-Makarezos auf den bescheidenen Posten eines Zweiten Stellvertretenden Ministerpräsidenten abgedrängt worden, nachdem er sich schon bei der letzten Umbildung eine erste Beschränkung seiner Befugnisse hatte gefallen lassen müssen.

Der Eindruck, daß es sich bei der Regierungumbildung vom 31. Juli nur um die Vollendung der mit den Veränderungen vom 1. September 1971 schon vorgezeichneten regimeinternen Entwicklung handelt, ist auch auf den Gebieten Innenpolitik, Sicherheitswesen und Kulturpolitik bestätigt worden. Panzerbrigadier Pattakos, der jahrelang ebenso exklusiv für Polizei und Gemeindekassen, Konzentrationslager und Müllabfuhr verantwortlich gezeichnet hatte wie Makarezos für steigenden Wohlstand und erhöhte Preise, ist nun völlig von dieser seiner Hausmacht getrennt worden. Das Innenministerium hatte ihm Papadopoulos schon 1971 weggenommen, doch war Pattakos zwischendurch wieder mit der Leitung des Polizeiministeriums für „Nationale Sicherheit“ betraut worden. Jetzt darf er ebenso wie Makarezos nur noch als Papado-poulos-Vertreter in dessen Namen Denkmäler einweihen, die Huldigungen von Ehren Jungfrauen entgegennehmen oder für den Regierungschef, der Griechenland seit seinem Putsch nie verlassen hat, durch die Welt reisen. Die Hoffnungen der griechischen Royalisten, die in den erzkonservativen Pattakos gewisse Erwartungen für eine Aussöhnung des verbannten Königs Konstantin mit dem Militärregime gesetzt hatten, sind jetzt auf einem Tiefpunkt angelangt. Nachdem Papadopoulos seine beiden Hauptaktionäre in der Macht mit einem Ausgedinge abgefertigt hat, steht ihm nichts mehr im Wege, vom Regierungschef, mehrfachen Minister und Reichsverweser nun auch den Sprung zum offiziellen Staatsoberhaupt zu wagen. Das zweite Hindernis auf diesem Weg zur totalen Machtausübung, der dem Königshaus verbundene Erzbischof Hieronymus von Athen, hat sich mit Papadopoulos wegen eines neuen Scheidungsgesetzes überworfen und findet bei diesem, der früher seinen Staatsstreich im Dienste des Christentums unternommen haben wollte, kein Gehör mehr. Beide Verfassungsgesetze, die den letzten Regierungsänderungen den organisatorischen Rahmen boten, haben in erster Linie auf eine absolutistische Entfaltung der Rechte des Regierungschefs abgezielt.

Gab es über diese Absichten Georg Papadopoulos' seit langem keinen Zweifel, so war doch in Athen fast sicher damit gerechnet worden, daß er die Ausbootung seiner alten Kämpfer mit einem Brückenschlag zu den nach wie vor einflußreichen Oppositionsparteien der vorrevolutionären Zeit verbinden werde. Papadopoulos' Sprecher Stamatopoulos hatte solche Absichten zwar immer wieder als Verrat an der „nationalsozialen Erhebung von 1967“ dementiert, doch lebten diese Gerüchte beim Besuch des amerikanischen Außenministers Rogers in Athen, wo er bei Papadopoulos auf mehr Demokratie drängte, wieder auf. Und jetzt hat es der Regierungschef als große Neuheit verkündet, daß seinem neuen Kabinett zwei frühere parlamentarisch gewählte Minister, Damianos und Kazotas, angehören. Beide stellen für ihn aber eher eine Belastung dar, da sie kaum mehr über politische Anhängerschaft verfügen, die Papadopoulos' Regime verbreitern oder sogar die Lücke schließen könnte, die sein Bruch mit dem radikalen Militärflügel und den Konservativen um Pattakos gerissen hat. Auf der anderen Seite muß sich Papadopoulos nun aus den eigenen Reihen vorwerfen lassen, seinen Grundsatz der kompromißlosen Gegnerschaft zum alten Parlamentarismus aufgegeben zu haben und nun persönlich diejenigen als Minister zu kreieren, die er noch vor kurzem als „Faulokraten“ beschimpft hatte.

Die griechische Regierungsumbildung ist vielmehr ein Symptom regimeinterner Machtkämpfe und der Schwierigkeiten von Papadopoulos, fähige und zuverlässige Mitarbeiter zu finden. Die erwartete Öffnung zur Demokratie ist hingegen ausgeblieben. Im Gegenteil: Bisher hatten Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Führungskleeblatts einen gewissen Spielraum gewährt, den der monocolore Papadopoulos jetzt nicht mehr gewährleisten dürfte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung