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Papadopoulos fest im Sattel

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Der 21. April 1969, zweiter Jahrestag des Putsches der von Oberst Papadopoulos geführten Militärjunta in Griechenland, wurde von Stadt und Land als gewöhnlicher Werktag begangen. Sein schlichter Gegensatz zum Festespomp des Vorjahres, als man im Athener Stadion unter Hunderten von Luftballons mit klingendem Spiel die einjährige Machtergreifung feierte, beweist unter anderem, wie selbstverständlich den Diktatoren von Hellas ihre Präsenz geworden ist. In der Tat wird diese Einstellung von der innenpolitischen Entwicklung des zweiten Revolutionsjahres gerechtfertigt, während Griechenlands außen- und wirtschaftspolitische Position in dessen Verlauf erhebliche Rückschläge hinnehmen mußte.

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Der 21. April 1969, zweiter Jahrestag des Putsches der von Oberst Papadopoulos geführten Militärjunta in Griechenland, wurde von Stadt und Land als gewöhnlicher Werktag begangen. Sein schlichter Gegensatz zum Festespomp des Vorjahres, als man im Athener Stadion unter Hunderten von Luftballons mit klingendem Spiel die einjährige Machtergreifung feierte, beweist unter anderem, wie selbstverständlich den Diktatoren von Hellas ihre Präsenz geworden ist. In der Tat wird diese Einstellung von der innenpolitischen Entwicklung des zweiten Revolutionsjahres gerechtfertigt, während Griechenlands außen- und wirtschaftspolitische Position in dessen Verlauf erhebliche Rückschläge hinnehmen mußte.

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Die innergriechische Bilanz zum Juntajübiläum bescheinigt den Obersten eine bescheidene, aber für sie entscheidende Ausweitung ihrer politischen Basis nach links wie rechts, dem griechischen Volk jedoch gewisse Erleichterungen, die es in seiner Mehrheit fast mit dem Regime versöhnen könnten, wenn nicht Teuerung und Steuerschraube dem Bürger tief in die Taschen griffen. Zur Ausweitung seiner politischen Basis, die sich im ersten Jahr der Ära Papadopoulos auf Teile der Landbevölkerung und intellektuelle Zirkel beschränkt hatte, leitete die Militärregierung schon im Mai 1968 ein nicht ganz erfolgloses Liebes-werben um die antiköniglich und Sozialrevolutionär gestimmte Masse der ehemaligen Papandreou-Wähler ein, indem sie den Sozialisten Stama-topoulos zum Generaldirektor für Information und Propaganda ernannte. Verfestigt wurde diese Entwicklung mit der Regierungsumbildung vom Juni 1968, bei der das Arbeits-, Sozial- und Unterrichtsministerium an vormalige Linkspolitiker gelangten, von denen einer sogar im griechischen Bürgerkrieg auf Seiten der Kommunisten gekämpft hatte. Die Arbeiterschaft hat zwar bisher noch nicht auf diese hauptsächlich von Linksintellektuel-len honorierte 1 Geste der Obersten reagiert, doch wird die Popularität des Regimes in diese Richtung zunehmen, sobald die für das anstehende dritte Revolutionsjahr versprochenen Sozialreformen wirksam werden. Die Führerlosigkeit der linken Mitte Griechenlands seit dem Tod von Georg Papandreou hat hier ein Vakuum geschaffen, um das sich zur Zeit die „Nationale Regierung“ in gleicher Weise bemüht wie der demokratische und der kommunistische Widerstand.

Ihren schwachen Zustrom von rechts, der sich in der Hauptsache auf Griechenlands langjährigen Außenminister Averoff und den konservativen Parlamentspräsidenten Rhodopoulos beschränkt, hat die Junta hingegen nicht eigenem Entgegenkommen, sondern der Tatsache zu verdanken, daß die Auslandspropaganda gegen das Militärregime häufig vom antidiktatorischen in rein antigriechischen Tenor umschlägt. Für manchen national gesinnten Griechen war das Grund genug sich hinter Papadopoulos zu stellen, den er unter anderen Umständen schärfstens abgelehnt hätte.

Auf jeden Fall ist es den Obersten gelungen, einige Lücken in die Einheitsfront ihrer politischen Gegner zu schlagen, und was die Bevölkerung betrifft, so steht sie den neuen Herren zwar immer noch kritisch und abwartend gegenüber, doch ist von ihr keine Initiative zur Beendigung der Diktatur zu erwarten. Ernste Schwierigkeiten sind dem Militärregime hingegen in seinen Beziehungen zur westlichen Welt erwachsen. Zwar hat der Unmut von Presse und öffentlicher Meinung über die griechische Diktatur erheblich nachgelassen, seit sich analoge Regimes auch anderswo etabliert haben, und unter dem Eindruck der Unruhen in vielen europäischen Staaten die Papadopoulos-Botschaft von Ruhe und Ordnung auch außerhalb Griechenlands verfänglich klingt, doch sieht sich Athen erst jetzt den Konsequenzen dieser spontanen Ablehnung von gestern ausgesetzt, nachdem der schwerfällige Apparat der internationalen Organisationen zur Sache Griechenland in Bewegung geraten ist. In den Vordergrund ist dabei die Auseinandersetzung mit dem Straßburger Europarat getreten, der sich nicht nur grundsätzlich an der Mitgliedschaft eines autoritär regierten Landes stößt, sondern auch Folterungen, Konzentrationslagern und politischen Unterdrückungsmaßnahmen mit einer Untersuchungskoimimission zu Leibe rückte. Abgesehen von dem Prestigeverlust, den das Straßburger Gremium dem Regime der Obersten bereitete, wurde die Auseinandersetzung auch auf NATO-Ebene ausgedehnt, wo sich erst Dänemark und Norwegen, und in der Folge Italien zu Anklägern aufwarfen. Die Verlautbarung von Liberalisierungen in letzter Minute rettete zwar die Griechen noch einmal unbeschadet durch die Washingtoner NATO-Konferenz, doch werden sie immer mehr zu einem geduldeten statt wie einst unter Karamanlis geachteten Mitglied der Verteidigungsgemeinschaft.

Auf wirtschaftlichem Gebiet verfügen die Obersten wohl in Koordinationsminister Makarezos über einen hervorragenden Planungsexperten, doch fehlte es ihnen auch im zweiten Revolutionsjahr an der Initiative und Investitionsfreudigkeit der griechischen Privatwirtschaft. Die Stagnation konnten auch die zahlreichen Auslandsfinanzierungen nicht wettmachen, derer sich das Müitärregime mit wachsender Stabilität und unter Einräumung günstigster Steuer- und Rückzahlungs-bedingungen versichern konnte. Papadopoulos ging daher soweit, den griechischen Industriellen mit dem Kriegsgericht zu drohen, falls sie ihren „wirtschaftlichen Hochverrat“ nicht bald aufgäben. Diese Drohungen verstärken im Verein mit anderen staatlichen Druckmaßnahmen den zwangswirtschaftlichen Zug, der sich des griechischen Wirtschaftslebens trotz aller Lippenbekenntnisse zur freien Marktwirtschaft mehr und mehr bemächtigt.

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