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Resistance von rechts

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Kaum hatten sich die Tore des Athener Standgerichtssaales hinter dem bisher größten Verfahren gegen Männer des griechischen Widerstandes geschlossen, als sich aus dem hellenischen Norden eine neue Untergrundbewegung zu Wort meldete. Der an byzantinische Kaiser erinnernde Name „General Niki-phoros“, den sich der Führer dieser Organisation in seinen Flugblättern beilegt, läßt auf königstreue Offiziere als Drahtzieher dieser Gruppe schließen, die der von links her betriebenen „Volksrevolution gegen die faschistische Junta“ durch einen Gegenputsch zugunsten König Konstantins und der exilierten konservativen Führung zuvorzukommen sucht.

In der nun dreijährigen Geschichte des demokratischen Widerstandes gegen die Militärdiktatur vom 21. April 1967 sind Griechenlands konservative und liberale Großparteien, entgegen dem von den Massenmedien verbreiteten Anschein, Immer führend geblieben. Das begann schon mit Ministerpräsident Kanellopoulos und Innenminister Rhallis, die den Putschisten als einzige bewaffneten Widerstand entgegensetzten, fand seine Fortsetzung in der Erhebung König Konstantins gegen die Willkürherrschaft des 38köpflgen Revolutionsrates vom 13. Dezember 1967, in der monarchistisch-konservativen Widerstandsbewegung „Nationaler Untergrund“, Im royalistischen Offiziersklub „Freie Griechen“, in der während des Frühsommers 1969 auch militärisch operierenden Aktionsgruppe des „General Akritas“ und schließlich in der Beteiligung an der von allen nichtkommunistischen Kräften getragenen „Demokratischen Verteidigung“, deren 34 führende Männer im letzten Schauprozeß um ein Haar der Todesstrafe entgangen sind.

Die einzig namhafte Widerstandsbewegung unter kommunistischer Führung war die 1967 bis zur Verhaftung ihres Leiters Theodorakis recht aktive „Vaterländische Front“, die sich aber schon nicht mehr nach Moskauer Direktiven richtete und jede Gewaltanwendung ablehnte. Der im Ausland mehr als Komponist denn als Kommunist bekannte Theodorakis hat nach seiner jetzigen Freilassung in Paris erneut das Prinzip der Gewaltlosigkeit und der passiven Resistenz im griechischen Widerstand vertreten und seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem konservativen Exilpremier Karamanlis wie mit dem linksliberalen Führer Andreas Papandreou ausgesprochen. Man kann darüber diskutieren, ob die von Theodarakis' französischem Retter Servan-Schrei-ber verkündete „Bekehrung“ des griechischen Komponisten vom Kommunismus nur ein taktischer Schachzug ist, auf jeden Fall aber gibt es jetzt keinen ernstzunehmenden offiziellen Widerstand der extremen Linken in Hellas mehr. Die kommunistische Restorganisation der „Vaterländischen Front“ unter dem ehemaligen EDA-Abgeordneten Brillakis ist hauptsächlich im Ausland unter Emigranten und Gastarbeitern aktiv, ihr 1968 geschlossenes Aktionsabkommen mit Andreas Papandreou mehr oder weniger auf dem Papier geblieben. Die bisherigen Erfahrungen mit dem aktiven und bewaffneten griechischen Widerstand können Theodorakis' These von der Gewaltlosigkeit als dem einzig gangbarem Weg nur recht geben. Die bisher aufgetretenen Partisanen in den griechischen Bergen, eine Handvoll versprengter Kommunisten im Kythairon zu Anfang 1968, und die im vergangenen Jahr gegen nordgriechische E-Werke und Hochspannungsleitungen eingesetzten Kommandos 402 und 404 der „Demokratischen Verteidigung“ hatten psychologisch eher als Bürgerschreck gewirkt und der Aufrechterhaltung des Ausnahmezustands durch die Militärregierung den Schein einer Rechtfertigung geliehen. Die Bombenanschläge verschiedener Widerstandsorganisationen in Athen, bei denen Zivilisten verletzt wurden, hatten auf die Bevölkerung denselben Effekt in noch verstärkterem Maße. Da die Hoffnungen auf die beste Lösung der griechischen Problematik, die in der freiwilligen Rückkehr der Regierung Papadopoulos zu einer demokratischen Basis bestünde, nach drei Jahren unentschärfter Diktatur ziemlich entschwunden sind und die Militärregierung nichts mehr von ihrem anfänglich betonten „Übergangscharakter“ wissen will, könnten nur eine großangelegte Volksbewegung von unten oder ein ebenfalls aus der Armee kommender Machtwechsel die unerfreuliche griechische Situation verändern.

In Hinblick auf den ersten Weg, den Andreas Papandreou durch Partisanenkrieg und Theodarakis durch die Mobilisierung der Massen zu Generalstreiks, passiver Resistenz und schweigendem Protest beschreiten will, hegen führende demokratische Politiker, die sonst gar nicht mit der Junta sympathisieren, die Besorgnis, daß sich die dabei freiwerdenden Kräfte jeder Kontrolle entziehen und von der autoritären Herrschaft der Obersten in einen Antiterror umschlagen könnten. Die meisten konservativen und liberalen Parteimänner in Athen befürworten daher einen blitzartigen Sturz der regierenden Junta durch demokratische Offiziere. Man muß jedoch realistisch genug für die Einsicht sein, daß es seit 1967 schon ein Dutzend mißlungener Offlziersverschwörungen gegen Papadopoulos gegeben hat und alle potentiellen Umstürzler hinter Schloß und Riegel oder auf einsamen Inseln in der Verbannung sitzen. Und jene Leutnants von 1967, die dank der Säuberungen inzwischen zu Obersten und Majoren befördert sind, wollen ihre goldenen Sterne natürlich nicht riskieren. Nur eine Störung des regimeinternen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Machtgruppierungen, wie sie sich jetzt mit der schweren Erkrankung des Papadopoulos-Rivalen General Patiiis anbahnt, könnte den Sturz der gegenwärtigen Machthaber ins Rollen bringen.

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