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Hilfe gegen Rückfälle

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Die nach siebenjähriger Diktatur von der griechischen Offi-ziersjunta in einem Akt später Einsicht ins Amt gerufene Regierung bewährter demokratischer Politiker unter Führung des im In- und Ausland angesehenen Staatsmannes Konstantin Karamanlis hat mit der Zypernkrise der ersten Wochen ihres Bestehens eine Feuerprobe hinter sich gebracht. Während aber die aus der Holzhacker-Diplomatie der Athener Obristen resultierende türkische Invasion auf der Insel der Aphrodite sehr wohl den unmittelbaren Anlaß zur Rückberufung des seit 1963 im Pariser Exil grollenden Vaters des modernen Griechenland bot, steht und fällt das von der hellenischen Linken mit Argwohn beäugte Demokratisierungsexperiment unter Fortbestand der autoritären Präsenz des Putschpräsidenten General Gizikis keineswegs mit der Zypernfrage.

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Die nach siebenjähriger Diktatur von der griechischen Offi-ziersjunta in einem Akt später Einsicht ins Amt gerufene Regierung bewährter demokratischer Politiker unter Führung des im In- und Ausland angesehenen Staatsmannes Konstantin Karamanlis hat mit der Zypernkrise der ersten Wochen ihres Bestehens eine Feuerprobe hinter sich gebracht. Während aber die aus der Holzhacker-Diplomatie der Athener Obristen resultierende türkische Invasion auf der Insel der Aphrodite sehr wohl den unmittelbaren Anlaß zur Rückberufung des seit 1963 im Pariser Exil grollenden Vaters des modernen Griechenland bot, steht und fällt das von der hellenischen Linken mit Argwohn beäugte Demokratisierungsexperiment unter Fortbestand der autoritären Präsenz des Putschpräsidenten General Gizikis keineswegs mit der Zypernfrage.

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Wenn Karamanlis eine Neuauflage und sogar Verbesserung seiner glorreichen Amtszeit 1956 bis 1963 gelingen soll, so hängt das in erster Linie von innenpolitischen und wirtschaftlichen Faktoren sowie davon ab, ob der herrische Konservative mit den buschigen Augenbrauen in seinem elfjährigen Ausgedinge Geduld, Toleranz und Offenheit gelernt hat.

Karamanlis' erste Amtszeit war nicht ohne autoritäre, polizeistaatliche Schönheitsfehler gewesen, von denen Oppositionelle ein Lied zu singen wußten, und die ein Vorspiel der Schreckensjahre des Papadopoulos-Terrors darstellten. Diesmal hat Karamanlis hingegen einen guten, freizügigen Anfang gemacht. Nicht nur sein Haar ist weißer, sondern vor allem sein Gebaren weiser geworden. Der Antrittserklärung von einem „neuen, demokratischen Hellas für alle Griechen ohne Unterschied der politischen Gesinnung“ ist ein sofortiger und spürbarer Abbau der Schikanen der MEitärregierung gefolgt. In sein „Kabinett der politischen Einheit“ hat der aus Makedonien stammende Gründer der „National-Radikalen Union“ (ERE) nicht nur alte Parteifreunde und den Führer der liberalen Zentrumsunion, Außenminister Mavros, aufgenommen, sondern er hat auch die Tür für die griechische Linksintelligenz geöffnet.

Vorerst ausgeblieben ist hingegen die Öffnung zur organisierten hellenischen Linken und Arbeiterbewegung, die bei den letzten freien Wahlen von 1964 über 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinte und die in den Diktaturjahren eher erstarkt sein dürfte. Es wird weitgehend von Karamanlis' Arbeitsmiinister Laska-ris abhängen, der von der christlichen Gewerkschaftsbewegung kommt, ob diese Kräfte zur Mitarbeit an der „bürgerlich“ geprägten Demokratisierung oder zumindest für ein Stillhalteabkommen gewonnen werden können.

Kundgebungen, Streiks und gar eine Fortführung des gegen die Diktatur gerichteten Widerstands marxistischer Zellen in der neuen Ära Karamanlis wären genau das, was die nach wie vor in Reichweite der Macht befindlichen Offiziere zu rascher Reue über ihre Rückkehr von den Ministerien in die Kasernen veranlassen könnte. Zwar nicht Präsident Gizikis, der seine Rolle als Staatschef des Überganges von der autoritären Papadopoulos-Herrschaft zur Wiederherstellung eines freien Hellas seit seiner Machtergreifung am 25. November 1973 ernstgenommen haben dürfte. Seine Teilhaber an der Macht waren aber stark genug, dieses Anliegen schon nach wenigen Wochen ins Gegenteil zu verwandeln. Der Zypernschock hat sie jetzt zur Nachgiebigkeit veranlaßt, doch wird die Stunde kommen, zu der diese Niedergeschlagenheit überwunden Ist. Zwar steht die Armee jetzt unter der Kontrolle von Karamanlis' energischem Verteidigungsminister Averoff, der bereits bündig mit den Allüren der Militärpolizei und ihres als Folterchef berüchtigten Führers Ioannidis aufgeräumt hat. Anderseits haben die Militärs für eine Art Rückversicherung gesorgt, indem sie der „Demofcratie“-Regierung ihren Vertrauensmann Gikas als Polizeiminister aufnötigten.

Innerhalb der griechischen Streitkräfte scheint es jedoch einen von der starken 3. Armee im Norden ausgehenden Trend zugunsten des gemäßigten Gizikis und für die Rückkehr des in Offizierskreisen nach wie vor populären Königs Konstantin zu geben. Averoff, der 1973 politischer Führer des Marineputsches gegen Papadopoulos für die Reaiktirvierung der Monarchie war, wäre als Griechenlands Royalist Nr. 1 nie von den Generälen als ihr Minister akzeptiert worden, wenn sie nicht seinen Restaurierungsplänen zustimmten.

Griechenlands Zivilbevölkerung erwartet von der neuen Regierung aber mit weniger Interesse die Rückkehr des. seit 1967 im Ausland lebenden Königs als die Wiederkehr halbwegs stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse. Das Weltübel Inflation galoppiert nirgends so geschwind wie in Hellas, und die von Karamanlis in den fünfziger Jahren gebannte Armut breiter Bevölkerungssdiichten ist in schlimmerer Form wiedergekehrt. Der neue Wirtschaftsminister Zolötas versucht sich in rigorosen Maßnahmen, die von der Einführung einer zwölfstündigen Arbeitszeit bis zur Sperrung der Sparkonten für größere Albhebungen reichen. Solche Schritte sind vielleicht richtig, aber sicher unpopulär, wenn sie nicht von sofort spürbaren Erleichterungen auf anderen Sektoren begleitet werden.

Das neue Griechenland bedarf dringend der Unterstützung durch seine Freunde, die besonders dann tatkräftig einspringen sollten, wenn sie sich bisher lautstark über die Diktatur entrüstet haben. Jetzt äst die Gelegenheit, einen Rückfall in diese zu verhüten.

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