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Ein Volk steht stramm

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Man merkt es schon beim Anflug auf das einstige Lichtermeer von Groß-Athen, daß die Griechen zum Unterschied von anderen Südeuropäern nicht mehr über ihre Verhältnisse leben wollen. Mit dem Energiesparen nimmt es das aufs eigene Erdöl immer nur hoffende, elektrizitätsarme und nur an Verheizungs-Ligni- ten reiche Land so ernst, daß der Nachtflieger nur mehr ein paar schwachbeleuchtete Dörfer unter sich zu haben meint.

Nun sind die Griechen tatsächlich sehr wohl beraten, den Gürtel in fast jeder Hinsicht enger zu schnallen. Während sich andere Länder die Gunst der Ölproduzenten mit politischen Konzessionen und Effekthascherei zu sichern suchen - Dom Mintoffs Malta ist ein Musterbeispiel dafür - zielt das griechische Vorgehen auf möglichst weitgehende Freimachung vom Sklavenjoch des Nahostöls.

Dabei zählen andererseits die arabischen Staaten zu den wichtigsten Abnehmern der/Aufstrebenden griechischen Industrie, vor allem was Plastikwaren, Elektrogeräte und Textilkonfektionen betrifft. Ebenso ist es einer griechischen Großbank, der „Ethniki Trapeza” gelungen, so weitgehend vom Ausfall Beiruts als nahöstliches Finanzzentrum zu profitieren, daß sich ihre Filialen heute in Kairo, Tripolis, am Golf wie ums Rote Meer bestens im Geschäft befinden. Selbst international renommierte Bankhäuser haben dort ihretwegen das Nachsehen.

Seine guten Geschäfte mit den Arabern will Griechenland abernicht im Würgegriff der Erdölabhängigkeit belassen. Einsparungen sind dazu der erste, die volle Ausnützung der Wasserkräfte und kalorischen Reserven des Landes der zweite und langfristig entscheidende Schritt.

Nur so kann Hellas, das in diesem Jahr die Vollmitgliedschaft bei den EG erreicht hat, auch wirtschaftlich europareif werden. Kein anderer als Konstantinos Karamanlis, der schon seit fünf Jahren für eine Wirtschaftspolitik des Konsumsparens und der Investitionen verantwortlich zeichnet, hat auf der im September abgehaltenen Messe von Thessaloniki auf diese Notwendigkeit hingewiesen.

Die durchschnittliche griechische Wachstumsrate für die Jahre 1975 bis 1978 hat ganze 5,4 Prozent’betragen. Die griechische Investitionsfreudigkeit ist mit einer mittleren Jahreszunahme von 5,2 Prozent den 0,2 Prozent der Europäischen Gemeinschaften richtig davongelaufen. Auch die Schätzung für 1979 mit je vier Prozent Zuwachs für Wirtschaftswachstum und Investitionen bewegen sich weiter über den EG-Werten.

Dieser Auftrieb wird aber mit dem Preis eines Zahlungsbilanzdefizits von 1,75 Milliarden Dollar bezahlt, das in erster Linie auf Kosten der Erdölimporte geht und ohnedies schon durch Griechenlands Deviseneingänge aus Fremdenverkehr und Heimüberweisungen von mehreren Millionen Auslandsgriechen in stark gemilderter Form aufscheint.

Die Teuerungsrate für 1979 dürfte bis zum Jahresende zwanzig Prozent erreichen. Dennoch ist es der verantwortlichen Sozialpolitik der konservativen Arbeits- und Sozialminister, Laskaris und Doxiadis, gelungen, die Löhne soweit anzuheben, daß sie dem Preissturm zur Zeit sogar um etwa 40 Prozent vorausgeeilt sind.

So müssen sich die Griechen zwar heute in dem und jenem einschränken, leben aber sonst in mehr Wohlfahrt und Wohlstand als vor fünf Jahren, als Karamanlis das chaotische Erbe der siebenjährigen Militärdiktatur anzutreten hatte.

Die konservative Regierung der „Neuen Demokraten”, die bei ihrer letzten größeren Umbildung um den altliberalen Wirtschaftsfachmann Mitsotakis bereichert wurde, scheint auf diesem Gebiet ihre entscheidende Schlacht gegen die in den letzten drei Jahren mächtig angewachsene linksliberale Opposition von Andreas Papandreou nun schon ziemlich gewonnen zu haben.

Zwar gibt es in der Auseinandersetzung um eine west- und europaorientierte oder eine blockfrei-tito- istische Außenpolitik noch ganz leidenschaftliche Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und Papandreous panhellenischen Sozialisten (Pasok). In der Wirtschafts- und Sozialpolitik hat sich Karmanlis jedoch fortschrittlicher als seine weniger aus Arbeiter- und Bauernschaft wie vom Kleinbürgertum kommenden Gegner gezeigt.

Ein Prüfstein dafür war schon vor drei Monaten die parlamentarische Auseinandersetzung um den EG-Bei- tritt gewesen. Die Opposition hatte dem Karls- und jetzt auch Schumannpreisträger Karamanlis wenig überzeugende und noch weniger populäre Argumente entgegenhalten können, so daß der Pasok auf die Debatte schließlich ganz verzichtete und dem Parlament einfach fern blieb.

Die Solidarität allerGriechen in der jetzigen „Einsparungsschlacht” erweist sich weiter als eine gesunde Hungerkur für die politischen Gegensätze, die vor dieser nationalen Anstrengung an Bedeutung verlieren.

Hellas ist in diesem Jahrhundert fąst siebzig Jahre lang das Land der unheilbaren Spaltung seiner Bevölkerung in rechts und links gewesen. Heute endlich kennt die Not nur das Gebot der Einheit: Das griechische Volk ist über alle Parteigegensätze zusammengewachsen. Es hat es sich selbst, den Ölscheichs und dem rei- ‘ fen Staatsmann Karamanlis zu danken.

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