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Griechenland drängt in die EG

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Die vom konservativen griechischen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis mit Beginn der politischen Herbstsaison eingeleitete Umbildung seines Einparteienkabinetts, das von der in der Athener „Vouli“ die absolute Mehrheit stellenden „Neuen Demokratie“ getragen wird, hat in einer ersten Phase zunächst einmal wirtschaftliche und soziale Schlüsselressorts betroffen. Der bisherige stellvertretende Wirtschaftsminister Ioannis Voutos avancierte zum Landwirtschaftsminister, während das Sozialministerium in Konstantinos Stephanopoulos seinen neuen Leiter erhielt.

Die sich auf Liberale, „Junge Kräfte“, Sozialisten, Linkssozialisten und Kommunisten verteilende Opposition hat diese personellen Umbe-setzungen angesichts von Teuerung, wirtschaftlicher Stagnation und einer gespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt natürlich sofort als „Rettungsmanöver einer gescheiterten rechtsdoktrinären Wirtschaftspolitik“ gebrandmarkt. In Kreisen der ständigen Athener EG-Delegation für die Eingliederung Griechenlands in die Europäischen Gemeinschaften wurde hingegen der Regierungskommentar bestätigt, demzufolge die Kabinettsumbildung in den wirtschaftlichen Schlüsselressorts lediglich ein besseres Zusammenspiel mit Brüssel in den nächsten kritischen Verhandlungsmonaten gewährleisten soll.

Bereits Ende Juli hatte sich eine vom griechischen Wirtschaftsminister Papaligouras geführte griechische Delegation in der belgischen Hauptstadt mit den Vertretern der EG grundsätzlich über eine rasche hellenische Vollmitgliedschaft geeinigt. Griechenland war mit der alten EWG schon in den sechziger Jahren, noch als Königreich, assoziiert gewesen, doch führte die zwischen 1967 und 1974 in Athen etablierte Militärdiktatur zu einer völlig rückläufigen Entwicklung. Um so eiliger hat es nun die aus den wieder freien Wahlen vom November 1974 hervorgegangene Regierung Karamanlis nach ihrem NATO-Austritt, dafür wirtschaftlich und finanzpolitisch mit Westeuropa um so enger in Tuchfühlung zu kommen.

Verhältnismäßig rasch haben sich Brüssel und Athen seit ihrer sommerlichen Vermählungsfeier über die finanziellen Zuwendungen der EG zur Absicherung der vollen Integration Griechenlands in die Europäischen Gemeinschaften geeinigt. Der Gesamtrahmen dieser Zuwendungen beläuft sich auf rund 300 Millionen US-Dollar, davon 250 Millionen in Form von Krediten für infrastrukturelle und industrielle Investitionen, während es sich bei dem Rest um eine Art von Brüsseler Hochzeitsgeschenk handelt. Aber auch diese Mittel sind größtenteils an die Leistung des Zinsendienstes für das EG-Darlehen an Hellas gebunden.

Bisher völlig offen ist hingegen die Prozedur der sogenannten „Harmonisierung“ der landwirtschaftlichen Exportprodukte Griechenlands mit der Agrarpolitik der EG geblieben. Schon bei den alten Assoziierungsverhandlungen war das ein heißes, Eisen gewesen, das in der Frage der griechischen Tabakproduktion in Weißglut zu geraten pflegte. Von Athener Seite war jetzt gefordert worden, daß Brüssel wenigstens für die Dauer der Verhandlungen keine neuen Zollschranken für griechisches Obst, Gemüse und andere Agrarpro-dukte aufrichten und die dafür festgesetzten Mindestimportpreise abschaffen werde. Inzwischen will die führende griechische Wirtschaftszeitung „Navtemporiki“ (Schiffahrt und Handel) jedoch über ihren Brüsseler Korrespondenten erfahren haben, daß sich die EG zumindest beim Obst mit Plänen für eine vorläufige Verdoppelung der Schutzzölle trägt, womit zu Lasten der griechischen Neuankömmlinge den italienischen EWG-Mitgründern unter die Arme gegriffen werden soll.

Besonders beunruhigt sind außerdem die griechischen Pflanzer von Orienttabaken, für die von den EG in der Periode 1976/77 angesichts des bereits bestehenden Überangebots nur geringfügig verbesserte Preise angesetzt worden sind. Auf dem Tabaksektor sind die Brüsseler Hauptrivalen der Griechen nicht, wie bei Obst und Gemüse, die Italiener, oder die Franzosen beim Wein, sondern wieder einmal die Türken, mit ihrem starken Angebot an vorzüglichen Dschebeli-Sorten und anderen Orienttabaken.

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