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Das Ende des „Dichasmos”

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Nach ihrem im Augenblick eher verhaltenen Auftreten in der Zypernfrage, das aber der gemeinsamen Position Athens und Nikosias dpn türkischen Okkupanten gegenüber langfristig um so bessere Chancen sichert, hat die neue demokratische Regierung Karamanlis mittlerweile die erste große innenpolitische Bewährung hinter sich gebracht: für dieses Kabinett der „rechten Mitte” stellt die lautstarke Opposition des politischen „Linksaußen” und Spätheimkehrers Andreas Papandreou keine Gefahr und Alternative, ja nicht einmal mehr eine-- Herausforderung dar, obwohl sich in den beiden Gruppierungen die Gegenpole einer fast hundert Jahre alten nationalen Spaltung der Griechen verkörpern.

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Nach ihrem im Augenblick eher verhaltenen Auftreten in der Zypernfrage, das aber der gemeinsamen Position Athens und Nikosias dpn türkischen Okkupanten gegenüber langfristig um so bessere Chancen sichert, hat die neue demokratische Regierung Karamanlis mittlerweile die erste große innenpolitische Bewährung hinter sich gebracht: für dieses Kabinett der „rechten Mitte” stellt die lautstarke Opposition des politischen „Linksaußen” und Spätheimkehrers Andreas Papandreou keine Gefahr und Alternative, ja nicht einmal mehr eine-- Herausforderung dar, obwohl sich in den beiden Gruppierungen die Gegenpole einer fast hundert Jahre alten nationalen Spaltung der Griechen verkörpern.

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Diese Spaltung, der vielbeklagte „Dichasmos”, hat sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bald als monarchistisch-republikanische Kontroverse, bald als autoritär-liberaler Gegensatz herausgebildet, der seine geistigen Wurzeln in dem Bekenntnis zu Griechenlands byzantinischchristlichem Mittelalter oder in der Sehnsucht nach Demokratie und Freigeistigkeit’ im Sinne einer idealisierten antiken hellenischen „Polis” hatten. Diese Auseinandersetzung im bürgerlichen Lager, die den stets als Außenseiter betrachteten Kommunisten eine weit über ihre Stärke hinausgehende Schlagkraft zuspielte, hat wiederholt Griechenlands Sternstunde zunichte gemacht: So 1920 bis 1922 die Befreiung Konstantinopels und der kleinasiatischen Christen vom jungtür- kisch-kemalistischen Joch mit Billigung des letzten Sultans Mehmed VI., nach dem Zweiten Weltkrieg eine sofortige und energische Bewältigung des Bürgerkrieges gegen die stalinistischen Eindringlinge aus den balkanischen Nachbarländern und 1964 bis 1967 eine friedliche Lösung der schon damals überhitzten Zypernproblematik.

Bei dieser letzten akuten Fieberphase des „Dichasmos” hatte sich die nationale Spaltung der Hellenen in dem Widersacherpaar Karamanlis und Georg Papandreou manifestiert, dessen Sohn und politischer Teilerbe Andreas Papandreou ist. Teilerbe deshalb, weil sich heute rechter Flügel und Mitte von Georg Papandreous liberal-republikanischer

Zentrumsunion um Griechenlands neuen Außenminister Mavros scharen, während nur die marxistisch- orientierten „Zentristen” die Hofübergabe vom Vater auf den Sohn gebilligt haben.

Mit seinem erklärt antiamerikanischen, neutralistischen und plan-’ wirtschaftlichen Programm stellte Andreas Papandreou jedoch zum Monatsanfang einen echten Rivalen . zu Karamanlis dar, als der er auch auf dem Athener Flughafen von Hunderttausenden umjubelt wurde. Die Nixon-Feindschaft des — bezeichnenderweise — Harvard-Professors und Ex-US-Bürgers Papandreou entsprach ganz den Gefühlen seiner von Amerikas Sympathien für die Türkei enttäuschten Landsleute; mit seinem blockfreien Konzept ä la Tito nahm Papandreou diesen den Unwillen ob der Vermittlungsunfähigkeit der NATO von der Seele; und seine Vorschläge für totalen Preisstopp, Enteignung der industriellen „Gewinnler” und eine drastische „Reichstumssteuer” mußten einfachen Gemütern wirklich als Lösung der hellenischen Inflationsnöte mit 30 Prozent Preisspirale nach oben erscheinen.

Inzwischen hat die Regierung Karamanlis die gegen die USA gerichteten Drohungen Papandreous mit ihren ersten antiamerikanischen Maßnahmen um vieles überrundet: Die griechischen Streitkräfte wurden aus der NATO genommen, den Stützpunkten der 6. Flotte auf Kreta und bei Athen droht die Schließung, Karamanlis und Mavros zeigen Ford und Kissinger — der als Metternich- Spezialist bei den vom einstigen Wiener Kanzler benachteiligten Griechen nie gut angeschrieben war — die kalte Schulter, und selbst die „Voice of America” muß um ihren Relais-Sender auf Rhodos bangen.

Hat diese antiamerikanische Roßkur mit einem Schlag den griechischen Dichasmos überwunden und alle hellenischen Nichtkommunisten — und selbst die von Moskau unabhängigen Marxisten — einmütig um Karamanlis geschart, so ist seine Taktik doch frei von jenen Gefahren, die mit ihr im Fall einer Athener Führung durch Andreas Papandreou verbunden gewesen wären. Karamanlis’ Abrücken von den USA steht im Zeichen forcierter Hinwendung zu Westeuropa und den Europäischen Gemeinschaften — die siebenjährige Militärdiktatur hatte Europa zugunsten einer bilateralen Achse Athen- Pentagon brüskiert —, während Papandreous Amerikafeindschaft nur ein Anfang vom volksdemokratischen Ende gewesen wäre. Was sich heute in Griechenland heraüsbildet, ist ein echter gaullistischer Ableger — nicht vergebens hat Karamanlis vierzehn Verbannungsjahre in Paris verbracht.

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