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Anatomie einer Verschwörung

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Athen hat seit dem 14. November seinen Schauprozeß. Im Justizpalast in der Santaroza-Straße, die von Militärpolizisten abgeriegelt ist, tagt in Permanenz das Kriegsgericht. 28 Offiziere der griechischen Streitkräfte stehen unter Anklage, an der revolutionären Verschwörung

ASPIDA beteiligt zu sein; 28 Offiziere sollten mitsamt ihren Plänen vom Königssturz und sozialistischen Griechenland die Existenz des Kabinetts Stefanopoulos in einem groß aufgebauten Schauprozeß recht-

fertigen; 28 Offiziere haben der Regierung in dem Prozeß die Schau gestohlen.

Da sitzen sie nun tagtäglich von 9 bis 14 Uhr und von 17 bis 21 Uhr, zwei Obersten und 26 Hauptleute, alte Kämpfer aus dem Bürgerkrieg und Ehrgeizlinge, die sich von allem nur einen Stern erhofften. Aus dem Auditorium winken den Vatis Frauen umd Kinder zu, und ein paar verwehte Genossen mahnen mit bitterer Miene zum Durchhalten. In der ersten Reihe verfolgt die Präsidentin der demokratischen Frauenbewegung das seltsame Spiel.

Die Hauptdarsteller

15 Monate Haft im Averoff- Gefängnds mit allen einschlägigen Abreibungen haben die Männer nicht mürbe gemacht, zumindest diejenigen nicht, die für die Anklagebank übrigblieben. Manch anderer erschien in blanker Uniform auf dem Zeugenstand und sagte gegen die Mitverschwörer aus. Also verdiente er Nachsicht.

Auch Umstürzler haben ihre Stars. Oberst Papaterpos, Partisan unter Tito, Vizechef des griechischen Geheimdienstes unter Papandreou, wirkt erfahren, geradsinnig und sympathisch. Ein Mann, der zu sei-

nen Überzeugungen steht, ein Idealist, der sich zu weit nach links verirrt hat.

Gegen den asketischen Oberst wirkt Hauptmann Bouloukos, der auf Zypern die Werbetrommel für die Verschwörer rührte, wie ein verpatzter Gefreiter. Als einen Protektionsverein für majorsgierige Hauptleute führte er den ASPIDA unter dem griechischen Offizierskorps der Insel ein, ehrgeizige Hauptmannsgattinnen erwiesen ihm als vermeintlichen Herrn über Sterne und

Achselspangen zärtliche Liebesdienste. Eine geborene Krämerseele, feilschte er mit Chargen, Ideologien und Schäferstündchen.

Dann gibt es die zornigen jungen Männer, die Stürmer und • Dränger, wie den hitzigen Hauptmann Papageorgopoulos, der sich mit Flüchen, Beschimpfungen und Lästerreden schon gut ein Jahr Ordnungs-

strafen verdient hat. Diese Heißsporne wollen es einfach nicht wahrhaben, daß ihr ach so edles Streben nach Freiheit, Gleichheit und Beförderung im Kreuzverhör der Ankläger zusammenbrechen soll.

Übrig bleiben die großen Unbekannten, denn wo hätte man schon eine Verschwörung der Hauptleute gesehen. Aber diese Herren sitzen noch nicht im Justizpalast, sondern im Parlament, wenn nicht sogar mit auf der Regierungsbank. Das behauptet zumindest der frühere Verteidigungsminister Garouf alias,

über dessen Unbestechlichkeit die Verschwörer gestolpert waren.

Der „ordentliche Kerl Andreas“

Einer der angeblichen Hintermänner, Andreas Papandreou, Sohn des Oppositionsführers Georg Papandreou, ließ sich sogar bei der Verhandlung sehen. Er sprach den Kameraden Mut zu und erklärte vor der Presse ohne mit der Wimper zu zucken: „Was wollt ihr denn mit den kleinen Fischen? Fangt lieber die Anstifter!“

Doch Andreas hat leicht spotten. Mögen ihn die Zeugen, mag ihn die Regierung als den Kopf und Organik sator der Verschwörung hinstellen, das Beweismaterial bleibt mehr als mager. Was wiegt schon die Aussage von General Grivas: „Nach dem Besuch von Andreas Papandreou auf Zypern wurde alles anders, und die Disziplin ließ zu wünschen übrig“? Wieviel Glaubwürdigkeit verdient der im Gefängnis abgefangene Brief eines Hauptmanns, der Andreas, den Anführer, um sein Eingreifen zugunsten der Inhaftierten bittet? Die Tendenz, den populären Volkstribun zum Hochverräter zu stempeln, ist zu aufdringlich.

Andreas Papandreou, um dessent- willen die ganze ASPIDA-Operette letztlich über die Bühne geht, ist eine widerspruchsvolle Persönlichkeit. In jungen Jahren soll er Kommunist gewesen sein, doch wanderte er aus dem Griechenland des vom Faschismus angehauchten Staatschefs Metaxas nicht etwa ins Arbeiterparadies, sondern nach den USA aus, wo aus dem Kummerl ein Wirtschaftsfachmann von Format wurde. Kein anderer als der ehemalige Ministerpräsident Karamanlis berief den Professor in die Heimat zurück und vertraute ihm die gesamte Wirtschaftsplanung an. Im Freundeskreis äußerte der rechtsgerichtete Regierungschef: „Der Andreas ist ein ordentlicher Kerl! Ganz anders als sein Vater!“

Heute ist Andreas Papandreou, der von seinen amerikanischen und deutschen Mitarbeitern am Institut für Wirtschaftsplanung nach wie vor hoch eingeschätzt wird, Führer der Ultralinken in der einst liberalen Zentrumsunion seines Vaters und erklärter Liebling der Mehrheit der städtischen Bevölkerung. Im Gegensatz zu seinem Vater, dem verblüffenden Volksredner und Verteiler von Staatsgeldern, ist der Nationalökonom Andreas ein kühler Kalkulator mit klarem Konzept. In seinen politischen Anschauungen aber übertrifft er sogar die „Einige Demokratische Linke“, wie sich die verbotenen Kommunisten nennen müssen, die ihn besorgt zur Ordnung rufen, wenn er bei seinem radikalen Vop- preschen ihre taktischen Vorbehalte über den Haufen rennt.

Der „Schild“

Die Bewegung des ASPIDA, das Deckwort bedeutet „Schild“, hat, ganz abgesehen von ihrer Rechtoder Unrechtmäßigkeit, der Regierung mit ihrem Pochen auf Ordnung, Stabilität und Prosperität — Elan, Begeisterung und ein neues Ziel voraus. Die ASPIDA-Verschwö- rung im Heer ist kein isoliertes Faktum, sondern Symptom des all-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

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