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Athen am Wendepunkt

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Die griechische Krise, die mit dem Rücktritt der Regierung Paraskevo-poulos und den verzweifelten Bemühungen um die Bildung eines neuen, arbeitsfähigen Kabinetts schlagartig in ein akutes Stadium getreten war, zeigt sich heute in derselben Unerbittlichkeit wie bei ihrem Ausbruch im Juli 1965. Allerdings hat sich seit damals das Schwergewicht unaufhaltsam zugunsten Papandreous verschoben: Die damalige Abspaltung der „Apostaten“, jener altlberalen Abgeordneten, die den radikalen Linkstrend der Zentrumsunion nicht mehr mitmachen wollten, ist heute durch weitgehende Gleichschaltung von deren „Liberalem Demokratischen Zentrum“ mit den Zielen der Volksfront Papandreou-Kommunisten wettgemacht, während der Uberraschungserfolg, den die ERE unter Kanellopoulos mit dem Sturz der Minderheitsregierung Stefano-polous hatte verbuchen können, durch den vom Zentrum ebenso unvorhergesehen erzwungenen

Rücktritt des Verlegenheitskanzlers Paraskevopoulos nunmehr ausgeglichen ist. Dieses gleich auf gleich muß noch nach der in der Opposition gewachsenen Popularität des greisen Zentrumsführers, dem Einfluß der meisterhaft eingespielten Parteipresse des Lambrakis-Konzerns und dem von dieser hysterisch kultivierten Fanatismus des „demokratischen Volkes“ korrigiert werden.

Was Georg Papandreou unter Versprechen, und deren Einhalten versteht, hat er während seiner kurzen, aber für Griechenland allzulangen Regierungsperiode bislang zureichend demonstriert. Kein Wunder also, daß sich an des Vaters Statt immer Sohn Andreas Papandreou zur Schlüsselftgur in der Tragikomödie der griechischen Regierungskrisen entwickelt. Sein Führungsanspruch innerhalb der Zentrumsunion ist heute unbestritten, seine Führerrolle in Griechenland eine Frage der Zeit und der Ungeschicklichkeit seiner Gegenspieler. Doch, wie immer man zu ihm stehen mag, Andreas Papandreou ist eine der wenigen Persönlichkeiten mit klarem Programm und fundierter Ideologie.

Der Kronprinz der Zentrumsunion ist in erster Linie Nationalökonom, und als solcher will er durch staatswirtschaftliche Industrialisierung Griechenlands die Möglichkeiten ausschöpfen, die Bodenschätze, Agrarprodukte und die günstige Brückenlage des Landes geradezu aufdrängen.

Ernst sind die Bedenken des jungen Papandreou gegen die Assoziierung Griechenlands mit der EWG, deren Schwierigkeiten auf dem Agrarsektor erst in diesen Tagen wieder der interparlamentarischen Assoziierungskommission in Thessaloniki Kopfzerbrechen bereiteten. Im Zentrum der Meinungsverschiedenheiten steht Griechenlands Nationalprodukt Nr. 1, der Tabak. Sicher ist Papandreous Plan einer Balkanischen Wirtschaftsgemeinschaft noch reichlich utopisch, trotz Liberalisierung . bei Tito und Tauwetter in Bukarest. Aber, daß dieser Gedanke nicht nur in linksliberalen Köpfen spukt, bewiesen die Belgrader Vorträge des ehemaligen Ministerpräsidenten Pipinellis, der sicher nicht den Bürgerkriegsplänen der „Union der Sozialistischen Balkanrepubliken“ das Wort redet, und dennoch die Bildung eines Balkanrates nach Vorbild des Nordischen Rates anregte. Die Außenpolitik ist überhaupt ein positives Kapitel unter Andreas' hochfliegenden Plänen. Die von ihm verfochtene Neutralitätspolitik nähme Griechenland die peinliche Rolle des NATO-• S/!h*'';>'' }irt'~s :• un es in einen von Ost und West umworbenen EnWieklungshiil.nemp... r Seine Freundschaftserklärung an die balkanischen Nachbarvölker befreite die Griechen von ihrem quälenden antislawischen Komplex und böte dem hellenischen Staat in der südosteuropäischen Gemeinschaft die Führerrolle, die er verdient, aber in der NATO-Quetsche zwischen Italien und der Türkei nicht einmal ahnen darf.

Zur Verwirklichung dieser immerhin diskutablen Konzepte hat sich Andreas Papandreou auf einen abenteuerlichen Kurs der Innenpolitik eingelassen. Daß der Ruf nach Demokratie nichts als ein Schlagwort ist, haben er persönlich und seine Abgeordneten im Parlament und wf der Straße mit Tat und Schlag wiederholt bewiesen. Sein unverhohlenes Ziel ist eine Prasidialdiktatur der Familie Papandreou nach Muster Trujillo seligen Angedenkens. Dazu braucht man sich nicht auf das zweifelhafte Phänomen des ASPIDA-Prozesses stützen, ein Blick in sein Sprachrohr -„Ethnos“ gibt Bescheid genug.

Aus dieser Richtung zielen alle Angriffe der Zentrumsunion, sei es offen oder verschleiert, auf Person und Amt des Königs, der in Griechenland über entscheidendere Rechte verfügt als in anderen konstitutionellen Monarchien. König Konstatin ist nicht einfach Unterschriftenspender und Paradefigur, sondern „Rhythmistes“ des Staatswesens, unparteiischer Richter und Mittler über und zwischen dem Wechselspiel der parteipolitischen Strömungen. Von dieser Verpflichtung hat der junge Monarch während der Krisenjahre erfolgreich Gebrauch gemacht. und man braucht kein Monarchist zu sein, um einzugestehen, daß es nur der Mittlerrolle des Königs zu verdanken ist, wenn nach all den Wirren nicht über Friedhöfen die roten Fahnen wehen.

In Anbetracht dieses fundamentalen Machtkampfes haben vordergründige Positionsverschiebungen, wie der Regierungswechsel und der vielumlärmte ASPIDA-Prozeß, nur diagnostische Bedeutung. Regierungen und Wahlen werden weiter wechseln, so lange zwei für das Gleichgewicht des Staatsgefüges so zentrale Kräfte wie die Krone und die stärkste Partei des Landes in unverbrüchlicher Fehde liegen.

Griechenland steht nicht nur in einer Krise seiner Monarchie, es erlebt ebenso einen Wendepunkt der Parteiendemokratie, als deren gemeinsames Ergebnis sich eine neue, integrierende Staatsform europäischen Formats abzeichnet. Darum besteht aus Athener Perspektive trotz roter Gefahr nicht der mindeste Grund, für die Zukunft Griechenlands allzu schwarz zu sehen.

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