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GEORGE A. PAPANDREOU / DER NÄCHSTE ZUG

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Der „griechische Kerenski“ wird er von seinen Gegnern genannt, die in dem abgesetzten Ministerpräsidenten einen Förderer kommunistischer Umtriebe und allgemeiner Unordnung sehen wollen: George Papandreou hat viele Gegner, nicht wenige sogar in den Reihen der eigenen Partei, die allerdings unverzüglich als „Verräter“ bezeichnet wurden — eine schnell gefundene Sprachregelung, ähnlich der, die Papandreou die neue Regierung „Königsregierung“ nennen ließ, im Gegensatz zu seiner eigenen „Volksregierung“.

Politische Beobachter wußten schon lange um die Krise, die seit dem Tod König Pauls schwelte und jetzt plötzlich zu einem gefährlichen Feuer zu werden scheint. Der Tod seines Konkurrenten Venizelos (Sohn) mitten im Kampf für die Wahlen des 16. Februar 1964 sicherte Papandreou den Wahlsieg als Führer einer Partei — der „Zentrumsunion“ —, die nach dem Ende der Ära Kara-manlis 1963 durch eine Vereinigung der Anhänger des — im Jargon politischer Simplifizierung als „gemäßigt“ bezeichneten — Venizelos und Papandreous entstanden war.

Wenige Wochen nach Papandreous Regierungsbildung warf der plötzliche Tod Pauls 1. schwere Schatten über das Land, Schatten, die auch von der Hochzeit des jungen Königs mit der dänischen Prinzessin Annemarie nicht aufgehellt werden konnten.

Der auch nach seinem Sturz, nicht zuletzt dank seiner glänzenden Rednergabe, noch mächtige Papandreou fand schon früh den Weg in die Politik: 1888 in Patras geboren, studierte er in Westeuropa Jus, schlug die Verwaltungslaufbahn ein und gehörte 1923 zum erstenmal einer griechischen Regierung an, später, unter dem älteren Venizelos, hatte er 1925 und von 1930 bis 1933 einen Sitz im Kabinett.

1935 gründete er die Sozialdemokratische Partei, zu deren Führer er gewählt wurde, und lebte unter der Diktatur Metaxas 1936 bis 1940 im Exil. Im Krieg in der Widerstandsbewegung, wurde er von den Italienern zu Gefängnis verurteilt, aus dem ihm die Flucht in den Mittleren Osten gelang. Im April 1944 wurde Papandreou Ministerpräsident der griechischen Exilregierung in Kairo, einte die nationalen Kräfte und stellte eine berühmt gewordene Gebirgsbrigade auf. Im Sommer 1944 wurde er Regierungschef der „Nationalen Union“, mit der er im Oktober 1944 in die griechische Hauptstadt einzog. Im Dezember 1944 schlug er mit seinen Gebirgs-soldaten einen kommunistischen Aufstand nieder.

In den meisten griechischen Nachkriegskabinetten — bis zum Beginn der Ära Karamanlis — ist Papandreou vertreten. 1963 betritt er wieder die politische Bühne. Es kommt zur Einigung zwischen den beiden großen „alten Männern“ der griechischen Innenpolitik, Papandreou und Venizelos, eine Aktionseinheit, die Venizelos' Tod rasch wieder auflöste.

Und jetzt der „königliche Staatsstreich“ vom 15. Juli: Das Ende eines stillen, aber heftigen Kampfes um die staatlichen Machtmittel. Es war kein Zufall, daß der junge König in Felduniform häufiger als sonst militärische Einrichtungen inspizierte, es war aber auch kein Zufall, daß Papandreou eine Säuberung der Armee nach dem Auffliegen einer Untergrundorganisation — der übrigens sein eigener Sohn angehört haben soll — ankündigte, mit dem Ziel, selbst das Amt des Verteidigungsministers zu übernehmen. Die drohende Zusammenballung der staatlichen Machtmittel in einer Hand dürfte es gewesen sein, die den König schließlich veranlaßte, den ehrgeizigen Ministerpräsidenten zu stürzen. Daß Papandreou die Absicht gehabt hätte, die Staatsform zu ändern, wird vielfach bezweifelt: seine letzten Gespräche mit dem König auf Korfu werden als Bekenntnis zur konstitutionellen Monarchie gedeutet. „Schach dem König“ heißt es im politischen Spiel im sommerlich-heiteren Griechenland also vorläufig noch nicht...

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