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Athens Arger mit Verbündeten

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Griechenlands Verhältnis zu seinen westlichen Verbündeten, vor allem den USA, ist alles andere als konfliktfrei. Die Gründe dafür reichen in die Zeit der Militärdiktatur von 1967 bis 1974 zurück.

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Griechenlands Verhältnis zu seinen westlichen Verbündeten, vor allem den USA, ist alles andere als konfliktfrei. Die Gründe dafür reichen in die Zeit der Militärdiktatur von 1967 bis 1974 zurück.

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Die Republik Griechenland wird 1984 zehn Jahre alt. Formell ist die Monarchie erst mit der Volksabstimmung vom 8. Dezember 1974 abgeschafft worden. Die Weichen in Richtung Republik waren aber bereits mit Ablösung der Militärdiktatur durch die demokratische Regierung der nationalen Einheit am 24. Juli gestellt.

Die Griechen haben aber bis heute nicht vergessen, wie sympathisch das zwischen 1967 und 1974 etablierte autoritäre „Griechenland der Hellenen-Christen" der

Mehrzahl ihrer NATO-Verbün-deten gewesen war. Seitdem ist Athens Verhältnis zum Westen gestört geblieben, ob hier der bürgerliche Karamanlis oder der linksliberale Papandreou regieren.

So hat auch die erste Dienstreise des neuen NATO-Generalse-kretärs Carrington nicht zufällig dem griechischen Sorgenkind der Verteidigungsgemeinschaft an ihrer Südostflanke gegolten. Den Anlaß dafür bot die Einrichtung des neuen NATO-Kommandos in der mittelgriechischen Garnisonsstadt Larissa.

Bei Carringtons Gesprächen mit Außenminister Charalambo-poulos und mit Regierungschef Papandreou am „Pentagon" in der attischen Ebene trat aber gleich wieder die Hauptproblematik hervor, die das „neue", de-

mokratische Griechenland seit seiner Wiedergeburt belastet: und zwar das ungleiche Maß, mit dem der Westen nach Ansicht der Griechen seine Verbündeten Athen und Ankara nun schon lange zu messen pflegt.

Die Türkei hatte im Juli und August 1974 beachtliche Vorteile aus dem Bankrott der Obristen-herrschaft in Griechenland gezogen. Abgesehen von der bis heute andauernden Besetzung des Nordens der griechisch geführten Republik Zypern konnte Ankara wirtschaftliche und militärische Ansprüche in der Ägäis geltend machen, gegen die sich Athen noch immer im Alleingang zur Wehr setzen muß.

Umgekehrt ist die Türkei für ihre zum Teil noch immer fortbestehende Militärdiktatur der Jahre 1980 bis 1983 kaum geächtet und schon gar nicht bestraft worden.

Die Griechen mußten hingegen auch jetzt bei Carrington darum kämpfen, daß ihre Ägäis-Insel Limnos in den Bereich des neuen Kommandos von Larissa einbezogen wird und nicht ein militärisches Niemandsland zwischen Hellas und der Türkei bleiben muß. Vor diesem Hintergrund war es doch einigermaßen verständlich, daß die seit 1981 regierenden P ASOK-Sozialisten — und mit ihnen eine klare Bevölkerungsmehrheit — den Blockfreien und selbst dem Ostblock mehr spontane Sympathien entgegenbringen als Westeuropa oder gar den Amerikanern.

Diese Haltung wurde eben bei dem Auftreten des griechischen

Parlamentspräsidenten Alevras in der sowjetischen Hafenstadt Odessa deutlich. Er sprach vom Schwarzen Meer als einer „See des Friedens" und deutete dabei für den Ägäis-Konflikt eine neutralistische Lösung in Verbindung mit einem „kernwaffenfreien Balkan" an.

So populär beides in Griechenland wäre, sind nun die NATO-Partner erst recht verschnupft. Und zum Teil muß sich Athen seine schlechte Behandlung durch Brüssel und Washington damit auch selbst zuschreiben. Hingegen hat die Türkei, ob Volksrepublikaner Ecevit, Konservativer Demirel, General Evren oder jetzt Turgut özal an der Regierung an ihrer hundertprozentigen Bündnistreue nie einen Zweifel gelassen.

Der Schöpfer des „neuen" Griechenland und heutige Staatspräsident Konstantin Karamanlis warnt daher jetzt seine Landsleute im allgemeinen und die Papandreou-Regierung im besonderen vor innen- und außenpolitischem Abgleiten in die Ordnungs- und Ziellosigkeit einer „anarchischen Demokratie".

Dazu muß gesagt werden, daß das meiste vom Athener Kabinett ohnedies nicht so heiß gegessen wie vorher von den Parteiorganen und im Parlamentsklub der PA-SOK-Sozialisten gekocht wird. Dadurch ist es aber auch zu Spannungen und regelrechten Zerreißproben zwischen Andreas Papandreou samt seinen eher sozialliberalen Ministern und dem radikalen Fußvolk der Partei gekom-

men. Und das können sich weder Papandreou noch der PASOK angesichts der näherrückenden Neuwahlen von 1985 leisten.

In erklärter Einmütigkeit geht man daher jetzt auf die seit eh und je in Hellas eher unbeliebten USA los. Als der Partei- und Regierungschef zum zehnten Jahrestag der Demokratie von der damals abgetanen Diktatur und deren „Stützen im Ausland" sprach, wußte in Griechenland jeder, daß damit die USA gemeint waren.

Zwischen Hellas und den USA hat sich eine Kettenreaktion angebahnt, aus deren verhängnisvollem Kreis es kaum mehr ein Entrinnen gibt: Die antiamerikanischen Auslassungen von Regierung und Partei haben Griechenlands politischen Untergrund zu Terrorakten gegen US-Bürger aller Art ermutigt.

Athen ist heute auf der ganzen Welt eines der unsichersten Pflaster für amerikanische Diplomaten und Militärs. Mutmaßliche Gegenschläge der CIA wurden durch Griechenland so scharf beantwortet, daß die USA mit einer schon vereinbarten Flugzeuglieferung zurückhielten. Darauf drohte Papandreou mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen.

Soweit ist es zwar noch nicht gekommen. Immerhin will die Regierung in Athen nicht mehr um die US-Kampfbomber bitten, sondern hat prompt ein entsprechendes Lieferungs- und Lizenzabkommen mit Spanien geschlossen.

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