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Schwur an Papandreous Bahre
Der Begeisterungssturm der Athener Bevölkerung beim Begräbnis des liberalen Parteiführers Georg Papandreou ist zweifellos der Anfang vom Ende des anachronistischen Papadopoulos-Regimes in Griechenland. Einen Monat nach dem 91pro- zentigen „Ja” der Volksabstimmung vom 29. September hat das griechische Volk jetzt bei der ersten Gelegenheit freier Meinungsäußerung dieses Votum widerrufen und den erbosten Machthabern und dem vor der endgültigen Entscheidung schwankenden Ausland klangemacht, daß die Militärdiktatur nicht dem demokratischen Willen des griechischen Volkes entspricht.
Hochrufe auf Österreich
Das feierliche Leichenbegängnis war zugleich ein Prüfstein für die Haltung der westlichen und östlichen Regierungen. Während die Botschafter der NATO-Länder und neutralen westlichen Staaten unter dem Jubel der Volksmassen Papandreou die letzte Ehre erwiesen, hielten sich die diplomatischen Vertreter des Ostblocks, der arabischen Staaten und der südamerikanischen Diktaturen von den Trauerfeierlichkeiten ebenso ostentativ fern wie die Mitglieder der Militärregierung.
Wie sehr das aufgebrachte griechische Volk am freien Westen hängt und gerade von diesem Hilfe erwartet, bewiesen die stürmischen Hochrufe auf das demokratische Österreich, als Botschafter Dr. Steiner an der Athener Kathedrale vorfuhr. Daß die hellenische Opposition gegen die Junta noch lange nicht von den Kommunisten beherrscht wird und sogar eher konservativ ist, zeigte sich vollends beim ersten öffentlichen Auftreten des durch den Putsch gestürzten rechtmäßigen und demokratischen Ministerpräsidenten Kanello- poulos, der seinem Freund und politischen Widersacher Georg Papandreou die Grabrede hielt, Im Leichenzug hinter dessen Sarg schritt und von den Volksmassen ebenso umjubelt wurde wie der Verstorbene. Damit hat der konservative Vermittlungspolitiker europäischen Formats auch das liberale Erbe Papandreous angetreten, auf das sich die Obersten ihrerseits große Hoffnungen gemacht hatten.
Die Stunde genau berechnet
Ihre Einwilligung zu dem Begräbnis großen Stils, dessen Entwicklung zur demokratischen Kundgebung sie offenbar nicht richtig vorausgesehen hatten, war nicht nur ein Propagandaeffekt, der dem In- und Ausland Achtung vor dem politischen Gegner vortäuschen sollte. Papadopoulos und seine Mitarbeiter hielten vielmehr mit Papandreous Tod die Stunde für gekommen, die schon zu dessen Lebzeiten abbröckelnden Anhänger der ybęfglep,, Zentrumsbewegung vollends um ihre Fahnen zu sammeln. Wie einst Papandreou in den Jahren 1961 bis 1964 die ideologisch ungebundenen und opportunistisch schwankenden Wählerschichten angesprochen und so aus dem Nichts eine absolute Mehrheit ins Parlament geführt hatte, appellieren auch Programme, Versprechungen und Sozialgeschenke der Diktatoren an die unsteten, unzufriedenen Kreise, deren politischer Standort zwischen liberaler Mitte und gemäßigter Linken schwankt.
Der Staatsakt in der Athener Kathedrale und das Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof sollten mit dem toten Papandreou Frieden schließen und der Militärregierung in den Augen der Bevölkerung zu falschen Analogien &it der liberalen Offizierserhebung von 1909 verhelfen.
Die Absage, die das griechische Volk an der Bahre seines demokratischen Heros diesen Plänen bereitete, kann Papadopoulos’ Stellung im Revolutionsrat schwer erschüttern. Seine bisherigen Erfolge im Aufbau einer Scheindemokratie und der Wiedergewinnung des nach dem Putsch verlorenen außenpolitischen Terrains sind nach dieser glatten Absage an die Diktatur und ihre Männer in Frage gestellt. Befürworter eines härteren inneren Kurses und totalen Bruchs mit allen demokratischen Kritikern aus dem Ausland, . „..Oberst Ladas, erhalten jetzt; neuen Auftrieb. Spannungen im Revolutionsrat Sind aber “die beste Vor--1 aussetzung für ein baldiges Ende.
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