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Ein Jasagerparlament

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Am letzten Novembersonntag haben in Griechenland Wahlen stattgefunden. Diese überraschende Kunde bedeutet nun aber keineswegs das Ende der Militärdiktatur und eine Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie. Genaugenommen ist die sechzigköpfige beratende Kammer, die jetzt auf Grund der Notverordnung 490/70 gewählt wurde, sogar ein Verstoß gegen die von Papadopoulos und seinen Obersten sich selbst 1968 gegebene Konstitution, in der nirgendwo von dieser Übergangsform des „Kleinen Parlaments“ die Rede ist.

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Am letzten Novembersonntag haben in Griechenland Wahlen stattgefunden. Diese überraschende Kunde bedeutet nun aber keineswegs das Ende der Militärdiktatur und eine Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie. Genaugenommen ist die sechzigköpfige beratende Kammer, die jetzt auf Grund der Notverordnung 490/70 gewählt wurde, sogar ein Verstoß gegen die von Papadopoulos und seinen Obersten sich selbst 1968 gegebene Konstitution, in der nirgendwo von dieser Übergangsform des „Kleinen Parlaments“ die Rede ist.

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Allem Formalismus zum Trotz scheint ein gewisser Wert dieses neuen Beirates zu dem engen Kreis der militärischen Machthaber darin zu bestehen, daß in seinen Reihen nicht nur ständische, sondern vor. allem regionale Repräsentanten Platz gefunden haben. In der Hauptsache war es ja der bisherige Zentralismus gewesen, der die griechische Demokratie untergraben und den Männern des 21. April 1967 die Machtergreifung und -erhaltung erleichtert hatte.

Neben dem föderalistischen läßt sich aber kaum ein demokratischer Effekt an der neuen Institution entdecken. So gut es sich nämlich anhört, daß die Standesvertreter von den Vorstandgremien aller Berufsvertretungen und die Regionaldelegierten von den Wahlberechtigten ihres Bereiches bestimmt werden sollen, so war doch dafür gesorgt, daß nur Gefolgsleute und Mitläufer des gegenwärtigen Regimes zum Zug kommen konnten. Fürs erste sind die Gewerkschafts- und Bauernführung, die Präsidenten der Kammern und die Interessenvertretungen der Wirtschaft seit 1967 nicht mehr frei gewählt, sondern von der Militärregierung ernannt. Wenn diese Männer nun ihre Vertreter in ein Parlament wählten, das überdies nur beratende Funktion haben wird, dann kann man nicht von einer echten Repräsentation der Standes- und Berufsinteressen sprechen. Wäre Papadopoulos so weitblickend gewesen, dieses Ständeparlament gleich 1967 ins Leben zu rufen, als die verschiedenen Körperschaften noch über eine demokratische Führung verfügten, so hätte dieses Organ zu einem recht brauchbaren Ersatz für das durch Parteikämpfe lahmgelegte Parlament werden können. So muß von den Vertretern der Gewerkschaften und Kammern nichts anderes als Heil- und Jarufe für Papadopoulos erwartet werden, wenn die am 29. November bestellten Mandatare im Jänner 1971 die parlamentarische Arbeit aufnehmen werden.

Nicht viel besser sieht es leider bei den Rsgionalvertretern aus: Notverordnung 642/70 hatte nämlich den Kreis der Stimmberechtigten auf die Bürgermeister und lokalen Vorsitzenden der Genossenschaften, Kammern und Arbeiterzentren, der Ärzte-, Rechtsanwalts- und Pharmazeutenvereine eingeengt. Der Grund, weshalb nun ein Apotheker wählen durfte, ein Lehrer aber zum Beispiel nicht, lag ebenfalls in der Ernennung aller dieser Funktionäre einschließlich der Bürgermeister durch das Innenministerium in Athen. Um aber auch da noch zu verhindern, daß ja keiner der alten demokratischen Politiker als Regionaldeputierter gewählt wurde, war für das' passive Wahlrecht eine obere Grenze von 50 Jahren gesetzt worden. Diese Verfügung richtete sich gezielt gegen den langjährigen konservativen Außenminister Averoff-Tositsa, der bei seiner makedorumänischen Volksgruppe im Pindus auch auf die Stimmen sonst mit Papadopoulos kollaborierender Wahlmänner rechnen durfte. Er hatte sich als Oppo-' sitionsführer für das „Kieme Parlament“ angeboten, während es die meisten' alten Politiker von vornherein abgelehnt hatten, sich in dieses machtlose Organ wählen zu lassen.

Um ganz sicher zu gehen, sind am 29. November aber nicht 60, sondern 92 Abgeordnete gewählt worden. Aus diesen wird der Ministerpräsident jetzt 46 aussuchen und die Kammer durch Ernennung von 14 weiteren Delegierten seiner ausschließlichen Wahl komplett machen. Daß sfch Papadopoulos die Bestellung der Abgeordneten selbst und nicht dem Ministerrat vorbehalten hat, läßt erwarten, daß er das „Kleine Parlament“ als persönliches Machtinstrument gegen den seinen ohnedies zaghaften Pluralisierungs-maßnähmen opponierenden extremen Offiziersflügel einsetzen will.

Daß man in Athen darüber hinaus an die Wiederzulassung politischer Parteien und für später auch an einen richtigen Parlamentarismus denkt, beweist das parallel zu dem ständischen Wahlgang vorgelegte Parteiengesetz, nach dem die griechischen Konservativen, National-und Linksliberalen ihre suspendierten Aktivitäten wieder aufnehmen werden können. Regelrecht verboten ist ja nur die kommunistisch geführte Arbeiterpartei EDA, doch wurden auch die Jugendorganisationen der Konservativen und Liberalen aufgelöst. Die Jugendarbeit soll in Zukunft überhaupt dem Staat — das Regime zieht die uniformierte Organisation „Alkimoi“ auf — und der orthodoxen Staatskirche vorbehalten bleiben.

Das neue Gesetz bringt aber den Parteien als Preis ihrer Reaktivie-rung noch weitere Auflagen, wie die staatliche Kontrolle ihrer internen Organisation und ihrer Finanzen. Die führenden konservativen und liberalen Politiker, Kanellopoulos, Mavros und Zigdis, sind daher nach wie vor entschlossen, ihre Parteien vom politischen Leben fernzuhalten, bis die Militärregierung zurücktritt oder zurücktreten muß. Auf diese Schmollwinkelhaltung der großen Parteien konzentriert Papadopoulos seine Hoffnungen auf den Erfolg der neuen „Nationalpartei“, die von:den Obersten noch vor Inkrafttreten des Parteienstatuts als ihre Fraktion aus der Taufe gehoben werden wird.

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