6822691-1973_46_06.jpg
Digital In Arbeit

Autoritäre Notbremse

Werbung
Werbung
Werbung

Mit der Bestellung des altbewährten Politikers und Finanzexperten Spyros Markezinis zu Griechenlands erstem zivilen Ministerpräsidenten seit der militärischen Machtergreifung vom 25. April 1967 hat für Hellas die langerwartete Übergangsphase von einer autoritären zu einer demokratischeren Ordnung begonnen. Die Zusammensetzung von Markezinis' nach einwöchigen Konsultationen gebildetem Mammutkabinett (20 Minister und 21 Staatssekretäre) hat jedoch die Schwierigkeit seines Unterfangens, Griechenlands politische und wirtschaftliche Stabilität in Freiheit zu sichern, hervortreten lassen: Trotz Absenz aller Exponenten des sechsjährigen Militärregimes in der neuen Regierung, hat sich keiner der namhaften demokratischen Politiker zur Beteiligung an diesem Experiment bewegen lassen. Markezinis' Ministerliste setzt sich aus einer großen Zahl von zivilen Mitgliedern des Kabinetts Papadopoulos III (August 1972 bis September 1973), Fraktionskollegen aus seiner kleinen „Fortschritts-Partei“ und Angehörigen des ebenso unbedeutenden ,,Liberaldemokrati-schen Zentrums“ zusammen. Beide Parteien waren die einzigen, die 1967 keine Kritik am Putsch der Obristen geübt haben. Standen ihnen doch im Mai 1967 Wahlen bevor, die „Fortschrittliche“ wie „Liberaldemokra-

ten“ um ihre letzten Mandate gebracht hätten.

Aber auch der Regierungschef selbst ist im Grunde keine echte Alternative zum bisherigen Regime. Hat er doch aus dem Hintergrund als dessen Wirtschaftsberater fungiert. Sehr wohl bedeutet aber seine Berufung einen Wandel im System, mit Milderung von Härten. Der energische, kleine Politiker, dessen parlamentarische Hausmacht sich auf die katholische Minderheit der griechischen Inseln und die türkische Volksgruppe im Norden stützte, wird seinen Namen nie und nimmer mit Unfreiheit und Folter, Terror und Pressemanipulation in Zusammenhang bringen lassen.

Seine Parlaments- und parteilose, nur von Präsident Papadopoulos' Gnaden abhängige Regierung erinnert so in Zusammensetzung und Ausrichtung an die einst vom königlichen Hof gedeckten Minderheitsregierungen der Jahre 1965/66, die zu Wahlen führen sollten und in der Militärdiktatur endeten. Dieselbe Drohung liegt auch über Markezinis' Kabinett. Seine Berufung hat immerhin für den Großteil der neben Papadopoulos noch 37 Revolutionsratsmitglieder von 1967/68 den endgültigen Abschied von Macht und Ehren bedeutet. Nur eine kleine Gruppe von Papadopoulos' nächsten Verwandten und Getreuen hat das

politische Großreinemachen in der Präsidentschaftskanzlei oder auf Gouverneursposten in der Provinz

überdauert. So vor allem die Präsidentenbrüder Konstantin und Cha-ralambos Papadopoulos und der ehemalige Chef der berüchtigten Militärpolizei, Ioannidis. Diese Gruppe stellt eine Art „autoritärer Notbremse“ dar, die jede Liberalisierung sofort stoppen würde, sofern

ihr die papadopoulistische Machtposition gefährdet erschiene. Neben diesem ganz wesentlichen

Vorbehalt für Griechenlands demokratische Zukunft droht aber auch die Interferenz der entmachteten militärischen Gruppen. Oberst Stama-telopoulos, der mit einer eigenen Partei in die Wahlen ziehen will, und Papadopoulos' Regierungssprecher Stamatopoulos, der Spitzenkandidat einer hellenisch-sozialistischen Liste zu werden gedenkt, sind die Ausnahmen von der Regel. Autoritäre Haudegen wie Pattakos oder Ladas, die jetzt nur zähneknirschend ihren Abschied von den Ministersesseln genommen haben, werden sich keine Gelegenheit entgehen lassen, neuerlich auf ihre Art für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Markezinis' eigentliche Widersacher sind jedoch in der ebenfalls abgedankten Offiziersgruppe um Oberst Makarezos, den ökonomischen Kopf des Militärregimes, zu suchen. Markezinis, der schon einmal, vor 20 Jahren, die griechische Währung stabilisiert hat, will jetzt der neuen inflationistischen Entwicklung in Hellas durch ein liberales Wirtschaftskonzept an Stelle von Makarezos' Planungen und Reglementierungen entgegentreten. Sollte er dabei in den nächsten Monaten nicht von Erfolg begleitet sein oder zu unpopulären Schritten Zuflucht nehmen müssen, so wird Markezinis zur Ausschreibung von Wahlen wohl gar nicht mehr kommen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung