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Diktatur im Nacken

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Der bis heute nicht aufgeklärte Straßentod des griechischen Widerstandskämpfers und heutigen Linksmandatars Aleksios Pa-nagoulis hat in und außerhalb von Hellas die Aufmerksamkeit auf die anhaltende Terroraktivität von Anhängern der 1974 durch die demokratische Regierung, Karamanlis abgelösten Militärdiktatur gelenkt. Die Griechen wollen der neuen Freiheit nach mehr als sieben Jahren Unterdrückung nun erst recht nicht trauen. Die Oppositionsparteien, von' den Kommunisten bis zur liberalen Zentrumsunion, werfen dter konservativen Regierungspartei „Nea Dimokratia“ ein zu nachsichtiges Vorgehen gegen die nach wie vor in vielen Schlüsselstellungen sitzenden Kollaborateure und Gesinnungsgenossen der; Obtfsten des Offiziersputsches vom 21. April 1967 vor und sprechen im Zusammenhang mit der angeblichen Ermordung des Panagoulis von einer „neuen Affäre Lambrakis“.

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Der bis heute nicht aufgeklärte Straßentod des griechischen Widerstandskämpfers und heutigen Linksmandatars Aleksios Pa-nagoulis hat in und außerhalb von Hellas die Aufmerksamkeit auf die anhaltende Terroraktivität von Anhängern der 1974 durch die demokratische Regierung, Karamanlis abgelösten Militärdiktatur gelenkt. Die Griechen wollen der neuen Freiheit nach mehr als sieben Jahren Unterdrückung nun erst recht nicht trauen. Die Oppositionsparteien, von' den Kommunisten bis zur liberalen Zentrumsunion, werfen dter konservativen Regierungspartei „Nea Dimokratia“ ein zu nachsichtiges Vorgehen gegen die nach wie vor in vielen Schlüsselstellungen sitzenden Kollaborateure und Gesinnungsgenossen der; Obtfsten des Offiziersputsches vom 21. April 1967 vor und sprechen im Zusammenhang mit der angeblichen Ermordung des Panagoulis von einer „neuen Affäre Lambrakis“.

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Dieser linksradikale „Friedenskämpfer“ war während Karamanlis' erster Amtszeit von 1956 bis 1963 in Thessaloniki von einem Dreiradfahrzeug zu Tode gefahren worden. Der persönlich integre Staatsmann hatte sich damals in Unkenntnis der Tatsachen schützend vor die für die Mordtat Verantwortlichen schieben lassen, was bald darauf zur Hauptursache seines Rücktritts und eines elfjährigen, selbstgewählten Exils in Paris werden sollte.

Lautstarke Krakeeler unter den vielen Hunderttausend Trauergästen beim Begräbnis des Panagoulis drohten dem Athener Premierminister in Sprechchören mit neuem Exil. Vor Karamanlis wird in der griechischen Hauptstadt aber dann zweifellos ein anderer seinen Abschied zu nehmen haben: Verteidigungsminister Evangelos Averoff-Tositsa, in alten konservativen Regierungsmannschaften bald als Außen- und, wegen seiner Käsealmen im Pindos-Gebirge, auch als Landwirtschaftsminister bewährt, hatte in der Diktaturzeit seinen Frieden mit dem „Führer“ Georgios Pa-padopoulos gemacht.

Als im November 1973, nach der blutigen Niederschlagung des Studentenaufstands am Athener Polytechnikum, der „harte“ Offiziersflügel um den Brigadier Ioannidis das Kleeblatt Papadopoulos-Makarezos-Pattakos ablöste, war Averoff wieder mit von der Partie. Bei der großen „Hofübergabe“ des von der Junta schließlich auch noch in der Zypernfrage angerichteten Augiasstalles an den „Herkules“ Karamanlis durch den besonnenen General Phädon Gizikis, war die Ernennung Averoffs zum Verteidigungsminister eine der Hauptbedingungen. Bis zum Februar 1975, als juntatreue Offiziere einen Gegencoup mit dem Ziel der Ermordung von Karamanlis und der Befreiung der Putschisten von 1967 aus dem Zuchthaus von Kory-dallos versuchten, hat sich der Außen-, Landwirtschafts- und Kriegsminister dann auch erfolgreich gegen jede Säuberung der Armee von Elementen der Diktatur zur Wehr gesetzt. Sein Argument der „nationalen Eintracht“ angesichts der griechischen Kontroverse mit Ankara wegen Zypern und der türkischen Erdölansprüche in der Aegäis ist auch in anderen Ministerien zu einem schützenden Schild über allen „Ehemaligen“ geworden. Neben den Streitkräften sind heute noch Polizei und Gendarmerie, das Justiz- und das Außenamt Hochburgen offener und heimlicher Anhänger von Papadopoulos und Konsorten geblieben.

Diese Präsenz der Diktatur in der griechischen Administration von heute — ins Parlament konnten die faschistoiden „Nationaldemokraten“ keinen einzigen Abgeordneten entsenden — ermutigt natürlich illegale Terrorgruppen, die meist von entlassenen Offizieren geführt werden, durch die ihnen winkende Straffreiheit. Bis heute sind die Urheber der Brandstiftungen des letzten Sommers in Nordgriechenland nicht aufgegriffen worden, und jetzt droht die Untersuchung gegen die Mörder von Aleksios Panagoulis im Sande zu verlaufen.

Vor dem Hintergrund der von den italienischen Parlamentswahlen im Juni befürchteten kommunistischen Gefahr im mediterranen Bereich der NATO scheint auch die amerikani-kanische Griechenlandpolitik zur seinerzeitigen Befürwortung autoritärer „Ruhe und Ordnung“ zurückzukehren. Nachdem zumindest das Pentagon und, wenn auch nicht nachweisbar, das Weiße Haus die griechischen Obristen samt ihrem Umsturzversuch auf Zypern im Juli 1974 gefördert hatten, war die US-Diplomatie auf einen eindeutig prodemokratischen Kurs in Hellas eingeschwenkt. Seit dem unerwarteten Ärger mit Karamanlis durch seinen NATO-Austritt und der Infragestellung der Stützpunkte der 6. Flotte im Piräus und auf Kreta mehren sich jedoch die Stimmen, die von dem „treuen, alten Verbündeten“ Papadopoulos schwärmen.

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