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Einsamer Reichsverweser

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Als Reichsverweser-Vizekönig, Ministerpräsident, Verteidigungs-, Außen-, Unterrichtsminister und für Informationswesen, Abwehr und Archäologie zuständiger Minister der Staatskanzlei verwaltet der griechische Staatschef Papadopoulos seit der Ausschaltung des für den flüchtigen König Konstantin auf den Thron gesetzten Regenten Zoitakis eine im Land der Hellenen nie dagewesene Ämterfülle. Andere starke Männer der Vergangenheit hatten sich damit begnügt, an der Spitze des Landes und der Regierung zu stehen: So 1935 der letzte Präsident der griechischen Republik, Kondylis, und nach dem zweiten Weltkrieg der von der königlichen Exilregierung eingesetzte Reichsverweser Erz-bischof Damaskinos von Athen

Die Absetzung des Vizekönigs Zoitakis und Papadopoulos' Unfähigkeit, einen geeigneten und vertrauenswürdigen Nachfolger für ihn zu finden, war schon an und für sich alles andere als ein Beweis der Stärke. Wie schon im Dezember 1967, als die große Spaltung zwischen dem Militärregime und seinen royalisti-schen Mitläufern der ersten Monate auftrat, waren auch jetzt Mißerfolge in der Athener Zypernpolitik für die Palastrevolution in der Reichsverweserkanzlei, dem früheren Gästehaus des griechischen Außenministeriums, verantwortlich. Waren es damals aber nur Mitläufer wie Ministerpräsident Kolliaso oder Verteidigungsminister Spandidakis, die Papadopoulos auszuschalten versuchten, so ist der .Oppositionsversuch des Vizekönigs gegen den Defacto-Staatschef Papadopoulos ein ernstes Symptom für Auflösungserscheinungen im innersten Kreis jener Offiziere, die am 21. April 1967 in Hellas die Macht ergriffen hatten.

Der damalige Generalleutnant Zoitakis hatte bei dem Putsch die Schlüs-seirolle in Nordgriechenland gespielt und saß dann bis zum 13. Dezember 1967 als Aufpasser für den königstreuen Verteidigungsminister Spandidakis im Athener „Pentagon“, dem modernst ausgestatteten griechischen Armeezentrum. Er spielte bei der Niederschlagung der Royali-stenrevolution erneut eine entscheidende Rolle und wurde dafür mit dem Posten des Vizekönigs belöhnt, als König Konstantin aus seinem letzten Stützpunkt in Mazedonien nach Rom ausflog. Als Reichsverweser der Hellenen hatte Zoitakis mehr für Anekdoten und Skandäl-chen als für politische Einflußnahme gesorgt. Aber bereits 1969 begann er diskrete Kontakte zu demokratischen Altpolitikern, und ebenso scharten sich um seine Person zusehends jene Offizierskreise, die über die Entwicklung des Militär-regimes zu einer Familienherrschaft der Papadopoulossippe verstimmt waren.

Der „Nationalen Revolutionsregierung“ in Athen, die sich in letzter Zeit geschickt in den Mantel von Legalität und Rechtsstaat zu hüllen wußte, ist es außerdem besonders peinlich, daß bei der gewaltsamen Absetzung des Reichsverwesers ein flagranter Bruch der Verfassung unterlaufen mußte, die sich das Militärregime 1968 selbst gegeben hatte. In deren Artikel 134 heißt es nämlich, daß der Vizekönig bis zu den ersten Parlamentswahlen beziehungsweise der Rückkehr König Konstantins unabsetzbar ist, und die Regierung nur im Falle seines Rücktritts das Recht zur Nominierung eines Nachfolgers hat.

In Griechenland selbst hat es um solche Feinheiten keine große Diskussion gegeben, doch sind die außenpolitischen Folgen um so verwickelter. Schon 1967/68 hatte die Ersetzung Konstantins durch Zoitakis zur ernsten Überprüfung der weiteren Anerkennung des Regimes durch viele Regierungen geführt, und auch jetzt hüten sich die in Athen akkreditierten Botschafter, vor Klärung der Lage bei Papadopoulos in seiner Eigenschaft als Reichsverweser vorzusprechen. Ebenso isoliert und einsam erscheint der „Gandhi von Hellas“, wie sich Papadopoulos ebenfalls gerne zu nennen pflegt, aber von seinen alten Mitstreitern von 1967. Nach Ausfallen der Pufferfigur Zoitakis wird sich vor allem sein Machtkampf mit Feldmarschall Angelis auf die Dauer nicht verhindern lassen.

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