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Geburtshilfe für Regierungsbildung

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Der kurze, aber als erste Visite eines amerikanischen Außenministers seit dem Umsturz von 1967 bedeutsame Besuch William Rogers' in Athen hat in Griechenland in dreifacher Hinsicht eine starke Nachwirkung hinterlassen. Der Regierung Papa-dopoulos ist endlich vor aller Welt bestätigt worden, daß sie nicht nur als Interessenvertretung amerikanischer Militär-und Geheimdienstkreise amtiert, wie das ihre Gegner behaupten, sondern sich des Vertrauens und der offiziellen Zusammenarbeit des State Department erfreut.

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Der kurze, aber als erste Visite eines amerikanischen Außenministers seit dem Umsturz von 1967 bedeutsame Besuch William Rogers' in Athen hat in Griechenland in dreifacher Hinsicht eine starke Nachwirkung hinterlassen. Der Regierung Papa-dopoulos ist endlich vor aller Welt bestätigt worden, daß sie nicht nur als Interessenvertretung amerikanischer Militär-und Geheimdienstkreise amtiert, wie das ihre Gegner behaupten, sondern sich des Vertrauens und der offiziellen Zusammenarbeit des State Department erfreut.

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Der zum Experiment einer Zusammenarbeit mit Papadopoulos und den anderen Militärs bereite Flügel unter den vor fünf Jahren ausgebooteten Altpolitikern erhielt auf dem Rogers-Empfang der amerikanischen Botschaft in Athen Gelegenheit, dem Außenminister noch vor seinem Zusammentreffen mit dem

Chef der autoritären Regierung seine Vorstellungen und Wünsche für die Wiederherstellung einer parlamentarischen Ordnung in Griechenland vorzutragen. Die meisten Vertreter der hellenischen Opposition zogen es aber vor, Rogers durch Ablehnung ihrer Einladungen zu brüskieren und sich damit endgültig auf einen antiamerikanischen Kurs festzulegen.

Unter diesen Begleitumständen hat sich dann das zentrale Treffen Rogers-Papadopoulos, bei dem der Chef des State Department gewiß keinen Versuch zur Beeinflussung der griechischen Innenpolitik unternahm, dennoch zu einer Art amerikanischer Geburtshilfe für die Bemühungen um die Bildung einer neuen Athener Regierung entwickelt. Es besteht kein Zweifel, daß an ihrer Spitze wieder nur Papadopoulos stehen kann, der sich in den Jahren seit der Machtergreifung des Revolutionsrates der 33 Obersten, sehr zum Unterschied von anderen Revolutionsgrößen, als zuverlässiger Erfüllungsgehilfe der amerikanischen Politik in Südosteuropa und am östlichen Mittelmeer bewährt hat. Bei allem Extremismus im Landesinnern zeigte sich Papadopoulos bei den wiederholten Krisen um Zypern als ein weiser Staatsmann, der die hellenischen Nationalbelange, sehr zum Unwillen seiner eigenen Ultras, immer wieder dem Zusammenhalt mit der NATO-Türkei untergeordnet hat. Ebenso gut hat es seine sonst so starre Militärregierung verstanden, den westlichen Interessen im Nahen Osten durch eine äußerst flexible Politik, Israel wie den Arabern gegenüber, zu dienen. Wurde in Hellas die Israelische Kultusgemeinde zur meistbegünstigten und einzigen steuerbefreiten Religionsgemeinschaft neben der orthodoxen Staatskirche gemacht, so bilden Papadopoulos' Piloten die gesamte libysche Luftwaffe aus, wie auch griechische Kirchengelder den Palästinensern zugute kommen. Für all das ist Papadopoulos nun mit dem Rogers-Besuch belohnt worden, der ihm den innenpolitischen Auftrieb gab, mit dem im Abstieg befindlichen radikalneutralistischen Offiziersflügel aufzuräumen. Verloren seine Exponenten in diesen Tagen ihre letzten Kommandoposten, so hat das Organ dieser Junta-Ultras, die Sturm-und-Drang-Zeitung „Nea Politeia“, ihr Erscheinen wenige Tage vor Rogers Eintreffen einstellen müssen.

Nun hindert Papadopoulos nichts mehr, die schon lange erwartete und durch die neuen Gesetze von Ende Juni vorbereitete „Öffnung“ seiner Nationalen Revolutionsregierung vorzunehmen. Neben bekannten Namen aus Griechenlands parlamentarischer Ära, wie dem griechischen Währungsreformer Spyros Markezi-nis oder dem Altaußenminister Ave-roff-Tositsa, ist jetzt vor allem eine Reihe junger Abgeordneter des 1967 aufgelösten Parlaments, die schon seit dem Vorjahr im „Beratenden Komitee“ kritisch mit der Regierung zusammenarbeiten, ministerverdächtig.

Kann Papadopoulos damit seine Position im bürgerlichen Lager, um dessen Sympathie jetzt auch sein neues Gesetz zur „Automatischen Scheidung“ schmeichelt, bedeutend festigen, so haben die nach wie vor im Schmollwinkel verharrenden Oppositionsführer, von Kanellopou-los bis Mavros, nicht darauf hinzuweisen versäumt, daß die Aufnahme von Mitläufern ins Kabinett noch lange nicht die Rückkehr zur Demokratie sei, wie sie von den vereinigten konservativ-liberalen Parteien gefordert werde. Damit wurde eine herbe Kritik an der amerikanischen Haltung im allgemeinen und dem Besuch Rogers' im besonderen verbunden. Solche Agitation kann diesen ursprünglich auf der griechischen

Rechten beheimateten Politikern aber ins Auge gehen, da Wirtschaft und Handel in Hellas wissen, daß die Stabilität der Drachme untrennbar an den Dollar und die griechische Konjunktur seit dem abbröckelnden Verhältnis zur EWG immer mehr an das Geschäft mit Amerika und den US-Tourismus gebunden sind. Ka-nellopoulos kann die Verärgerung dieser Kreise nur in Kauf genommen haben, um endlich seine Bewegung aus dem luftleeren Raum einer Cocktail-Party-Opposition in Kontakt mit den linksgerichteten Widerstandsgruppen im Volk zu bringen, die längst schon antiamerikanisch sind und ihre Bomben nicht nur in Papadopoulos' Kasernen, sondern auch in den US-Stützpunkten explodieren lassen. Rogers scheint den Groll der alten Parlamentarier und die Boykottierung seines Empfanges aber auf die leichte Schulter genommen zu haben: Selbst wenn diese „alten Herren“ noch einmal ans Ruder kommen sollten, müßten sie erst in Washington um Wirtschaftshilfe vorstellig werden, ehe sie das schwierige Erbe eines Papadopoulos halbwegs erfolgversprechend antreten könnten.

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