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GEORGE PAPADOPOULOS GOTT UND ICH

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Vor einer Sommervilla am Prominentenstrand der Apollonküste explodierte eine Bombe. Ein erstes regsames Zeichen des bewaffneten Widerstands?

Die Bombe galt Griechenlands diktatorischem Ministerpräsiden ten, dem Chef des hellenischen Militärregimes. Die Welt registrierte die Bombe des Exoffiziers Panaghoulias als Anfang der Auseinandersetzung innerhalb der blauweißen Grenzpfähle. Denn die Ruhe, die nach dem Putsch der Obersten am 21. April 1967 eingekehrt war, glich der Ruhe des Kasernen- und Gefängnishofes.

Zwar weiß der Mitteleuropäer sehr wenig von der Seele der modernen Hellenen, und ihr politisches Profil ist nicht so leichtfertig erkennbar, wie man allerorts in nördlichen Breiten vermeint. Das Feuer der Seele brennt in übersteigertem Nationalismus, in einer Enge orthodoxer Parteilichkeit und in der Weite überschlagender Anarchie. Dies Volk zu regieren, so soll einer der deutschblütigen Könige Griechenlands geseufzt haben, ist schwerer, als ein Faß Bier in einen Fingerhut zu füllen..

Griechenlands heiße Ruhe dauert unter Papadopoulos nun schon 16 Monate. Aber schon 54 Monate ist es nun her, daß Griechenland das letztemal wählen konnte. Damals wählten die 8 Millionen Griechen Papandreou und seinen linken Filius. Im heißen Juli 1965 entließ der junge König Konstantin den alten Premier Papandreou. Aber das Volk bekam keine Gelegenheit zur Neuwahl nach Eintritt dieser Situation. Die Lawine rollte; und sie ergriff auch bald den jungen Monarchen, der sich im Strudel nicht zurechtfand und die Ministerpräsidenten ablöste, wie die Stunde eben schlug. Der Schnitt ins Fleisch der legitimen Anarchie von oben durch den Putsch der Obersten machte konkret, was folgerichtig eintrat. Zuerst war

Konstantin für die Junta Zwangsfreund des Papadopoulos, dann Gegner, dann (fast) Gefangener. Und heute nur noch Galionsfigur.

Papadopoulos sitzt an seinem Empireschreibtisch vor dem Bild des exilierten Monarchen, vor sich eine Ikone, Charisma seiner Berufung, und regiert ein Land mit einem Handwerkszeug, das er auf der Militärakademie erworben hat.

Stolz erfüllt den Offizier, der sich auf der militärischen Stufenleiter bereits selbst nach oben geschoben hat, wenn er von der „Ruhe“ und „Sauberkeit" spricht, die in die Straßen Athens, in die Kleinstädte am Peloponnes und in die Lehmdörfer der 1000 Inseln einkehrte. Aber ist ein Regime „sauber“ und eine „Ruhe“ echt, die mit Schnellgerichten, Deportationen und Ausbürgerungen sichergestellt wird?

Angst und Arroganz haben Papadopoulos zu jenem orthodoxen Religionsmißbrauch geführt, der auch den Kreml den Moskauer Patriarchen benützen ließ. „Gott und Griechenland“ wurde zum Leitspruch eines Regimes, das zum Übernatürlichen griff, um vom Natürlichen abzulenken; das die Kirche neben die Uniform stellt, ja sie sogar in die Uniform der Einheitsschablone der Autokratie preßte. — Papadopoulos meint, er und seine Uniformierten seien gotterwählt, so etwas wie die Werkzeuge der Gegenwart Gottes in Hellas ..

Und obwohl — oder gerade weil die Wunderlichkeit des Systems zum überholten Inventar, lächerlichen Firlefanz politischer Legitimation gehört, haben die Obersten in Athen zwar die Ablehnung der Welt zu spüren be kommen — aber getroffen hat sie die west-östliche Ignoranz absolut nicht.

Weder die EWG — deren assoziiertes Mitglied Griechenland ist — noch der Europarat, noch die NATO oder die UNO haben das freundliche Lächeln der Obersten, die dienern und versichern, einladen und diskutieren, wenn es ums Ausland geht, zurückgewiesen. Und auch in den Hauptstädten des Ostblocks sitzen die Botschafter Athens weiterhin ungeschoren.

Freilich: Papadopoulos denkt jetzt an seine Untertanen. Am 29. September 1968 sollen die Griechen über eine neue Verfassung abstimmen — und damit der Regierung, die sich selbst ernannte, die Legitimation der Demokratie im Mutterland des Parlaments geben.

Die Schweizer „Weltwoche" schreibt, daß es das Regime nie versäumt hat. diese Volkskonsultation als Theaterstück zu werten und daß Papadopoulos diktaturgerecht die Vorbereitungen des Referendums mit Verhaftung und Deportation zu treffen beginnt.

War die Bombe gegen Papadopoulos am Sonnenstrand bei Athen der Anfang vom Ende?

Hat das Regime jetzt eine neue Front im „ruhigen“ Inneren, nachdem Schauspielerinnen im Ausland hetzen, Rechts- und Linkspolitiker im Exil Pläne schmieden und ein junger und sympathischer Monarch auf seine Stunde wartet? Papadopoulos wird freilich auch nach seinem Referendum nicht demokratischer und akzeptabler sein — und die Griechen werden auch ihm ein Faß sein, das er vergeblich in den Fingerhut preßt..

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