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Gottgnadenrepublik

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In der Athener Kathedrale ist der Chef des seit 1967 an der Macht befindlichen Militärregimes, Georgios Papadopoulos, in sein neues Amt als erster Präsident der Zweiten Griechischen Republik eingeführt worden. Am Beginn seiner siebenjährigen Präsidialzeit standen vor und nach der Vereidigung reiche kirchliche Zeremonien, die Griechenlands orthodoxer Erzbischof-Primas Hie-ronymos persönlich verfaßt und vorbereitet hatte. Diese Gebete und Räucherungen machten deutlich, daß in Hellas die Vorstellungen vom Gottesgnadentum politischer Führer und ihrer charismatischen Erwählung durch die Vorsehung keineswegs mit der Monarchie verschwunden sind. Der neue Präsident Papadopoulos hat von dem durch ihn gestürzten König Konstantin II. nicht nur die mit weißer Fustanella berockten Palastwachen, sondern auch das Zeremoniell übernommen. Gerade das scheint einige griechische Royalisten mit dem neuen republikanischen Herrn versöhnt zu haben: Papadopoulos, bei früheren offiziellen Auftritten und Ausfahrten von der Mehrzahl der Athener gemieden und nur mit spärlicher Begeisterung bedacht, konnte bei seiner sonntäglichen Premiere als Ersatzkönig weit mehr als die gewohnten und bezahlten Hoch- und Heilrufer um Kathedrale und Präsidentenpalais verbuchen. Im letzteren wurde dann in aller Stille der bisherige Oberbefehlshaber Angelis als Vizepräsident angelobt. Für diesen ein klarer Machtverlust, für Papadopoulos die Kaltstellung seines letzten potentiellen Rivalen um die Führung von Hellas.

Parallel zu Glockengeläut und Ehrensalut 'aus den Kanonen am Athener Lykabettoshausberg, zur Selbstberauschung der staatlichen Rundfunk- und Fernsehkommentatoren bei den Direktübertragungen des großartig inszenierten Staatsaktes, hat das außerordentliche Kriegsgericht der Festungskommandantur Athen mit den letzten Vorbereitungen für den Schauprozeß gegen die am royalistischen Umsturzversuch vom vergangenen Mai beteiligten Offiziere und Politiker begonnen. In der Anklageschrift finden sich prominente Namen der griechischen Rechten. Der in Haft befindliche langjährige Außenminister Averov, König Konstatins 1965 gegen den linksliberalen Regierungschef Papandreou getreuer Verteidigungsminister Garoufalias, und der ehemalige Innenminister Geor-gios Rhallis, der in der Nacht zum 21. April 1967 den einzigen nennenswerten Widerstand gegen die Machtergreifung der Papadopouli-sten geleitet hat. In Abwesenheit soll auch gegen keinen Geringeren als Konstantin Karamanlis, den seit 1963 in Paris lebenden großen griechischen Nachkriegspolitiker und -Stabilisator, verhandelt werden.

Für das von konservativen und liberalen griechischen Demokraten nach Ausrufung der Republik gebildete „Komitee für die Wiederherstellung der demokratischen Grundrechte“ stellt jedoch das Ausfallen dieser Persönlichkeiten mehr ein Abwerfen von Ballast als einen Verlust dar. Gerade Averov, selbst aro-munischer Bojar aus den Pindus-Bergen, hat aus seinen autoritären Ansichten nie ein Hehl gemacht. 1968 bis 1970 war er sogar um einen Schulterschluß zwischen den Konservativen und dem Militärregime bemüht gewesen. Sein Parteifreund Kanellopoulos, der jetzt an der Spitze von Griechenlands vereinigter demokratischer Opposition steht, ist hingegen ein alter Republikaner, der nichts gegen die Absetzung des Königs, aber sehr viel gegen dessen Ersetzung durch Papadopoulos und eine auf seine volle Machtfülle zugeschnittene Präsidialverfassung einzuwenden hat. Bisher hatte die von Kanellopoulos geführte „Zentrums“-Koalition der Konservativen und Liberalen durch ihr Bekenntnis zu Konstantin als dem legalen Gegenpol von Papadopoulos und die Verflechtung mit ebenso autoritär wie die Offiziers-Junta von 1967 gesinnten Rechtsextremisten keinen rechten Widerhall bei den nach links tendierenden griechischen Intellektuellen, Kleinbürgern und Arbeitern gefunden. Hier bahnt sich jetzt ein Wandel an, aus dem der „Zentrumis-Opposition“ bei den nun nicht mehr allzu fernen ersten Wahlen gute Chancen erwachsen könnten. Das um so mehr, als Linksparteien bei ihnen nicht zugelassen sein werden.

Papadopoulos hat diese erstarkende Opposition seit ihrem Auftreten im Juni unter Druck und Kontrolle gehalten, ihr aber doch eine gewisse Aktionsfredheit in Presse und Öffentlichkeit eingeräumt. Sein Regierungssprecher Stamatopoulos hat dann anläßlich von Papadopoulos' Amtseinführung in dessen Namen ein Bekenntnis zum Mehrparteien-Staat abgelegt. Eine solche Zusage kann kaum rückgängig gemacht werden.

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