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Hilfe aus Piräus

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Noch ist kein Monat seit den Jubelfeiern des griechischen Militärregimes am 21. April zum sechsten Jahrestag seiner Machtergreifung von 1967 vergangen, und schon haben in Athen wieder tiefgreifende Veränderungen in der Struktur dieses autoritären Regierungssystems eingesetzt. Diese Veränderungen wurden in der Umbesetzung zentraler Ministerposten deutlich, die aber nur Vorboten weiterer wichtiger Entwicklungen in Hellas sein dürften. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so schicken sich Staatschef Papadopoulos und die mit ihm an der Macht beteiligten Offiziere endlich an, ihre Isolierung von der Mehrheit des griechischen Volkes noch in diesem Sommer durch Schaffung einer breiten politischen Organisation zu durchbrechen.

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Noch ist kein Monat seit den Jubelfeiern des griechischen Militärregimes am 21. April zum sechsten Jahrestag seiner Machtergreifung von 1967 vergangen, und schon haben in Athen wieder tiefgreifende Veränderungen in der Struktur dieses autoritären Regierungssystems eingesetzt. Diese Veränderungen wurden in der Umbesetzung zentraler Ministerposten deutlich, die aber nur Vorboten weiterer wichtiger Entwicklungen in Hellas sein dürften. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so schicken sich Staatschef Papadopoulos und die mit ihm an der Macht beteiligten Offiziere endlich an, ihre Isolierung von der Mehrheit des griechischen Volkes noch in diesem Sommer durch Schaffung einer breiten politischen Organisation zu durchbrechen.

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Davon abgesehen, hat es natürlich auch seine Vorgeschichte, wenn jetzt in Athen der Innen- und der Justizminister ausgewechselt wurden. Die Studentenunruhen der letzten Wochen und Monate haben den Nimbus der Militärregierung als einer zwar undemokratischen, aber in NATO-Griechenland immerhin Ruhe und Ordnung gewährleistenden Einrichtung schwer angeschlagen. Dazu hat das harte Durchgreifen der Polizei und die exemplarische Strafbemessung der Justiz die nach sechs Jah-

ren Alleinherrschaft der Militärs schon fast eingelullte griechische Opposition erneut wachgerüttelt. Für die Vorkommnisse mußten jetzt Sündenböcke gefunden werden, und es ist der Regimeführung auch nicht schwergefallen, ihre zivilen Mitläufer Androustopoulos und Tsoukalas, wie schon viele Kollaborateure vor ihnen, einfach zum alten Eisen zu werfen. Der Stellvertretende Innenminister Orest Giaikas hingegen, der sich zum engeren Kreis der Mitarbeiter von Papadopoulos zählen darf, wurde zwar ebenfalls seiner Funktion entbunden, ihm wurde das aber mit der Beförderung zum Schiff-fahrts- und Verkehrsminister versüßt.

Die Tatsache, daß in Athen kein neuer Innen- und Justizminister berufen, sondern zentrale Persönlichkeiten des Militärregimes mit der zusätzlichen Ausübung dieser Funktionen betraut wurden, hat bei den Beobachtern in der griechischen Hauptstadt eine unterschiedliche Kommentierung gefunden. Sehen gerade diplomatische Kreise in dem zusätzlichen Agieren von Vizepremier Pattakos, einem ehemaligen Panzergeneral, als Innenminister und in der Bestellung von Papadopoulos' persönlichem Staatssekretär Agathan-gelou zum vorläufigen Justizminister einen neuen Beweis für die Isolierung der Machthaber und ihre wachsende Schwierigkeit, geeignete zivile Mitarbeiter zu finden, so fehlt es auch nicht an Stimmen, die, im Gegenteil, von einer Vorbereitung für die Uberwindung dieser Isolierung sprechen. Sowohl Altgeneral Pattakos wie

der jetzt als sein Staatssekretär ins Innenministerium zurückgeholte Oberst Skandalias, der gleichzeitig Gouverneur von Attika und Inselgriechenland bleibt, gehören trotz ihres oft rauhbeinigen Auftretens zu den konzilianteren Exponenten der Papadopoulos-Diktatur. Sie haben sich schon öfters für die Schaffung einer regimenahen Volkspartei ausgesprochen. Der Keim zu einer solchen ist bereits Ende April durch Gründung der sogenannten „Griechischen Kulturrellen Bewegung“ gelegt worden. An ihrer Spitze steht der tüchtige und beliebte Bürgermeister von Piräus, Skylitzis. Diese Persönlichkeit ist für die unkonventionellen Formen griechischer Politik ganz bezeichnend: Aus einer aristokratischen, in byzantinische Zeit zurückreichenden Familie stammend, die sich in den letzten Jahrzehnten mit Griechenlands liberal-demokratischer Bewegung liiert hat, zögerte Skylitzis 1967 keine Minute, den ihm von einem Verwandten in der Militärjunta angebotenen Bürgermei-

sterposten von Piräus anzunehmen. Parallel dazu versorgte er jedoch entlassene Regimegegner und die Angehörigen verhafteter Kommunisten mit guten Posten in der von ihm betriebenen großen Werbeagentur. Seitdem hat Skylitzis den einst verkommenen Piräus mit seiner grotesken Dirnenwirtschaft zu einer blühenden Schwesterstadt Athens gemacht. Die roten Hafen- und Fabrikarbeiter schwören zwar weiter auf KP und Internationale, aber zu allererst auf „ihren“ Skylitzis.

Dieser Mann ist nun sehr geschickt an die Spitze einer Bewegung gestellt worden, die Griechenlands seit dem Tod von Georg Papandreou heimatlos gewordene liberale und linke Mitte an Papadopoulos heranführen soll. Um die Rechtsparteien, die sich einer Heimkehr König Konstantins und des Alt-Ministerpräsidenten Karamanlis entgegensehnen, zu werben, ist ohnedies verlorene Liebesmüh, und auch die kommunistischen Kader haben sich nicht zerbröckeln lassen. Im breiten Lager der führerlosen Liberalen dürfte für Papadopoulos und seine Mannen hingegen einiges zu holen sein, wenn sie es weiter klug genug anpacken.

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