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Flecken auf der weißen Weste

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Das Ende November 1973 an die Macht gekommene „neue griechische Regime bereitet sich schon jetzt auf große Feiern für den 21. April vor, den siebten Jahrestag der militärischen Machtergreifung einer Gruppe von 38 Stabsoffizieren im Jahr 1967. Obwohl heute von diesen allen nur noch der Chef der Militärpolizei ESA, Oberst Ioannidis, als eigentlicher Drahtzieher von Präsident Gizikis und Regierungschef Androutsopoulos eine Rolle spielt, gibt sich das gegenwärtige griechische Establishment bewußt den Anstrich von Erneuerern und Vollendern der Anliegen der „Nationalen Erhebung“ des 67er Jahres. Deren Geist und Prinzipien seien von dem ursprünglichen Führer der Pu'tschisten, Georgios Papadopoulos, verraten worden, worauf sich die „Berichtigungsrevolution“ vom 25. November 1973 einstellte. Die neuen Männer in Athen waren bei ihrem Amtsantritt von konservativ-liberaler Seite freudig als Wegbereiter zu Normalisierung und Demokratie begrüßt worden. Die griechische und die internationale Linke erblickte in ihnen von Anfang an Verschlimmerer der unter Papadopoulos herrschenden Zustände. Beide Interpretationen lassen sich bis heute mit guten Gründen aufrechterhalten. Am zwiespältigen Image des neuen Athener Regimes hat sich in den bald fünf Monaten seiner Herrschaft nichts geändert. Weder auf personellem Gebiet noch hinsichtlich der Leistungen und Unterdrückungsakte. Für die innergriechische Opposition wie im KrSis der Athener Beobachter bleibt daher Abwarten weiter die Parole.

Der Papadopoulos-Naohfalger in der Präsidentschaft der 1973 nach einseitiger Absetzung von König Konstantin II. ausgerufenen „Hellenischen Demokratie“, Generai Phai-don Gizikis, hat seinem Anfangsbild als biederer, geradliniger, vielleicht etwas zu rauher Haudegen auch weiter voll entsprochen. Sein Kampf gegen die Korruption hat ihm beim einfachen Volk wachsende Sympathien gewonnen, die bei der Präsidentenreise durch die Provinzen Zentralgriechenlands spontan zum Ausdruck gekommen sind. Regierungschef Adamantios Androutsopoulos, ein früherer Finanzminister,hat bei der Bekämpfung der Inflation, die im letzten Papadopoulos-Jahr 33 Prozent betragen hatte, erste Erfolge zu verzeichnen. Echte Wunderkinder seines aus unpolitischen Fachministem zusammengesetzten Kabinetts sind Außenminister Teten es und Kultusminister Christou.

Der Chef der griechischen Diplomatie, die von Papadopoulos durch Jahre persönlich und dilettantisch geleitet worden war, hat sich nicht nur für ein besseres Verhältnis Athens zu Europa einsetzen können, das unter dem „MiMtärregime I“ zugunsten einer fiktiven griechischamerikanischen Achse vernachlässigt worden war. Tetenes' Hauptverdienst liegt in einer konstruktiveren Zypern-Politik, die nicht länger von Papadopoulos' privater Abneigung gegen den zypriotischen ErzbischofPräsidenten Makarios III. überschattet wird. Hatten 1967 bis 1973 Athen und Ankara gegen Nikosia gemeinsame Sache gemacht, so ist Griechenland die Freundschaft eines unabhängigen Zypern heute wieder wichtiger als eine Zweiteilung der Insel mit den Türken über die Köpfe der Zyprioten hinweg. Zu diesem Schulterschluß zwischen Athfen und Nikosia hat aber auch der griechisch-türkische Erdölstreit im Ägäischen Meer beigetragen, in dem Tetenes die wirtschaftlichen Interessen seines Landes energisch und wirkungsvoll verteidigt hat.

Kultusminister Christou wiederum ist die Beilegung des seit 1967 schwelenden griechischen Kirchenstreites und die Normalisierung der Beziehungen zu den orthodoxen Patriarchaten in Istanbul und Alexandria gelungen. Diese Leistung kann für die innere Stabilität nicht hoch genug veranschlagt werden. Der Einfluß des orthodoxen Klerus auf Weltanschauung und politische Meinungsbildung der griechischen Gesellschaft spielt nach wie vor die dominierende Rolle. Wenn heute die Mehrzahl der Griechen den neuen Macbthabern allen Härten und Ubergriffen zum Trotz immer noch eine „Bewährungsfrist“ einräumen will, so ist das neben der Linderung des Preisdruckes auch der Beruhigung auf religiösem Gebiet zuzuschreiben.

Allen diesen Qualitäten zum Trotz bietet das griechische „Militärregime II“ auch eine „Nachtansicht“, deren Schattenseiten in vielen Punkten die Papadopoulos-Herrschaft übertreffen. Die Wiedereröffnung des Insel-KZ von Gyaros, das Vorgehen gegen den von Papadopoulos niemals angetasteten Nestor der griechischen Liberalen, Georgios Mavros, Willkürakte der Militärpolizei und Annullierung der Presse-und Meinungsfreiheit sind düstere Flecken auf der weißen Ehrlichkeitsweste von Staa'tschef Gizikis. Die Verantwortung für diese Mißstände wird einmütig auf Oberst Ioannidis und die ESA-Polizisten geschoben. Nach wie vor stellt sich die Frage, wie sioh die große Zahl achtbarer Minister, außer Androutsopoulos, Tetenes und Christou etwa noch Bhallis und Tsakonas, zu dieser Narrenfreiheit für den Ultra Ioannidis und dessen Schergen verhalten? Das Motto „Abwarten“ und „Zuschauen“ sollte für sie als Mitverantwortliche keine Gültigkeit haben.

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