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Lösung der Zypernfrage wird immer dringlicher

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Eine rasche Wiederaufnahme der seit mehr als einem Jahr unterbrochenen direkten Verhandlungen zwischen der griechischen und der türkischen Volksgruppe auf Zypern wird im zweigeteilten Nikosia zu beiden Seiten der von UNO-Soldaten bewachten „Grünen Linie“ als nächster Schritt nach der Begegnung des neuen türkischen Regierungschefs Ecevit mit seinem griechischen Amtskollegen Ka-ramanlis erwartet. Obwohl die zypriotischen Führer Kyprianou und Denk-tasch bei dem griechisch-türkischen Gipfeltreffen fehlten, stand die Zypernfrage im Mittelpunkt der Beratungen.

Daß die Mittelmeerinsel durch ihre weitgehend auf Makarios zurückzuführende Isolierung vom Westen und das Festhalten an längst überholten blockfreien Zielsetzungen im Sinne der Achse Tito-Nasser-Nehru in ein gefährliches Vakuum geraten war, hatte schon 1974 die von der Welt hilf- und fast protestlos hingenommene türkische Invasion und Besetzung der Nordhälfte Zyperns gezeigt. Daß aber auch der zyperngriechische Reststaat auf sich allein gestellt weiter gefährdet ist, bewiesen die jüngsten Ereignisse nach der Ermordung des ägyptischen Publizisten und Politikers Jussef as-Sibai durch palästinensische Terroristen in Nikosia.

Kairo ließ sich durch Kyprianous Weigerung nicht abhalten, seine Luftlandetruppen zur Festnahme der Attentäter nach dem zypriotischen Flughafen von Larnaka zusenden. Nach ihrer Festnahme durch die zyperngriechische Nationalgarde hatten die Ägypter mit einer großangelegten Intervention gedroht. Rasch eingeleitete Kontakte der Regierung in Nikosia ergaben, daß Zypern gegen einen solchen Angriff mit keinerlei Unterstützung, nicht einmal durch Griechenland, rechnen könne. So wurden die überlebenden ägyptischen Soldaten samt ihrer Bewaffnung freigegeben. Auch die anschließenden Polterreden Sadats, der in Zusammenhang mit der von ihm geforderten Auslieferung des Terroristenduos nach Kairo den „Zypernzwergen“ mit Vernichtung und Auslöschung drohte, wurden auf der Insel mitnichten auf die leichte Schulter genommen.

Der zyperngriechischen Abwehr im „Zweiten Büro“ von Nikosia liegen eben nicht nur die ägyptischen Zeitungen vor, in denen tendenziös darauf hingewiesen wird, daß die heutige Inselrepublik nur unter der Fremdherrschaft der Kreuzfahrer einmal ein eigener Staat war und sonst fast immer zum islamischen Machtbereich gehört hatte. Man weiß vor allem von einem saudiarabischen Plan für die Teilung

der Insel in eine türkische und eine arabische Einflußsphäre unter gemeinsamem islamischem Banner. Auch die syrisch-lybischen Pläne sind bekannt, Zypern im Ernstfall als Operationsbasis gegen Israel zu „kapern“. Bevor einer dieser Fälle eintritt, wollen es die Zyperngriechen lieber noch einmal mit den Türken versuchen.

Makarios-Nachfolger Spyros Kyprianou, erst Ende Februar definitiv in sein Präsidentenamt eingeschworen, will daher seine fünfjährige Amtszeit mit Lösung dieser inneren Spaltung beginnen. Die zyperntürkischen Vorschläge für eine Wiedervereinigung der zweigeteilten Inselrepublik, die Raouf Denktasch Anfang März den Vereinigten Nationen übermittelt hat, werden in der Umgebung Kyprianous als' „durchaus diskutabel“ gewertet. Vor allem scheint man im zyperngriechischen Süden endlich bereit zu sein, das alte Modell einer „helvetischen Lösung“ mit Kantonen für die türkischen Siedlungsgebiete aufzugeben. Denn an der Stelle der früheren Osma-nenviertel in allen Städten der Insel und bevorzugter ruraler Siedlungsgebiete in Westzypern ist seit der Zweiteilung und Zwangsumsiedlung von 1974/75 ein geschlossener türkischer Siedlungsraum im Norden getreten. Diesen wollen nun auch die Zyperngriechen als eigenen Gliedstaat der künftigen „Bundesrepublik Zypern“ anerkennen, allerdings nicht in dem Ausmaß, der heute von Truppen der Türkei besetztgehaltenen Zone, die weit über den für die etwa 120.000 Zyperntürken benötigten Lebensraum hinausgeht

Auf der anderen Seite der Demarkationslinie, in der Altstadt von Nikosia und seinen westlichen Vororten, zeigen sich die Vertreter dereinstweilen selbsterklärten „Türkischen Republik Zypern“ mit diesem grundsätzlichen Zugeständnis der Gegenpartei zufrieden. Sie sind auch zu territorialen Zugeständnissen bereit, doch müsse ebenso der Sicherheit der Minderheit bei der Grenzziehung zwischen den beiden Teilstaaten Rechnung getragen werden. Uber die Details wolle man nun eben mit den Zyperngriechen, wahrscheinlich um Ostern in Wien, verhandeln. An noch offenen Differenzpunkten für die Unterhändler Onan und Papadopoulos fehlt es wirklich nicht: Föderation oder nur Konföderation, Bewegungs- oder auch Niederlassungsfreiheit zwischen den beiden Volksgruppen und ihren Teilstaaten und vor allem das dornige Problem einer Rückkehr der fast 250.000 griechischen Flüchtlinge an ihre Heimatorte und -höfe im türkisch bleibenden Norden!

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