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Kleridis fester im Sattel

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In den gemütlichen Kaffeehäusern um den Hafenplatz der südzyprischen Mittelmeerstadt Limassol, wo seit Monaten nur noch vom „Verrat” der türkischen Minderheit gesprochen und wiederholt ein blutiger Sturm auf das gleich linker Hand beginnende osmanische Viertel ausgeheckt worden war, sind schnauzbärtige Zyperngriechen in dunklen Pluderhosen auf einmal des Lobes voll über ihre Mitbürger mit Fez oder Turban. Hatten diese während der beiden türkischen Invasionen vom Juli und August mit Maschinengewehren von den Minaretten der alten Moschee heruntergeschossen und auch später eine recht bedrohliche Haltung eingenommen, so sind sie auf einmal zu den besten Nachbarn der Griechen, Armenier und Maroniten geworden, die das christliche Gros der Hafenbewohner bilden. Türkische Hafenarbeiter, Verkäufer und Hotelbedienstete verlassen sogar in immer stärkerem Strom ihr selbstgewähltes Ghetto und suchen die alten Arbeitsplätze im griechischen Sektor auf.

Dieser erfreuliche Wandel im Süden Zyperns, während im Norden die türkischen Okkupanten ihre Präsenz durch fieberhafte Schanzarbeiten ah der die Insel teilenden „Attila-Linie” ä la Berliner Mauer einzementieren wollen, ist gerade auf den Schock der Zyperntürken angesichts der jüngsten Pläne Ankaras zurückzuführen. Die außerhalb der türkischen Besatzungszone verbliebenen osmanischen Zyprioten, die gerade in Limassol und Paphos sowie in den dazwischenliegenden Derwischheiligtümern tief verwurzelt sind, wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Absicht der Türkei, sie notfalls mit Gewalt nach dem Norden umzusiedeln. Die Osmanen des Südens hängen nicht nur an ihrer angestammten Heimat, sie haben inzwischen auch genug Schlechtes über die Zustände in der nördlichen Besatzungszone gehört, wo die türkische Soldateska nicht nur deh wenigen zurückgebliebenen Griechen, sondern immer stärker auch den ansässigen Zyperntürken die schlimmsten Streiche spielt. Vor allem auf der Suche nach „weiblicher Lebenshilfe” scheinen die Hunnen von der Attila-Linie den eigenen Volksgenossen gegenüber keine Skrupel zu kennen.

„Es gibt immer mehr Fälle von Zyperntürken im Norden, die ihre Töchter und Frauen zu uns herunter schicken, damit wir sie vor den Besatzungssoldaten bewahren”, berichtet der Magistratsdirektor Grigoriou, der mit den Kontakten zur türkischen Minderheit im Landkreis Limassol beauftragt ist. „In den meisten Dörfern beginnen sich die Invasoren gegen die zyperntürkischen Bauern so arrogant und so brutal zu benehmen, wie sie das den griechischen Einwohnern gegenüber bis zu ihrer Vertreibung getan haben. Die Türken im Süden werden uns Griechen im Fall eines weiteren Vormarsches der Truppen Ankaras genauso beistehen, wie das in Kyrenia, Nikosia und Famagusta der Fall gewesen ist!”

Ein Besuch in dem um eine einzige Hauptstraße gedrängten Osmanen- viertel bestätigt diese Aussagen. Der Unterschied zu einem früheren Lokalaugenschein im Sommer 1965, als eben erst ein Jahr zuvor der Leidensweg der Zyperntürken unter Makarios und vor allem Grivas begonnen hatte, ist frappierend: Keine gedrückte Ghetto-Stimmung mehr, sondern frohe Hoffnung auf eine bessere Zukunft ohne Umsiedlung und zusammen mit den Zyperngriechen.

Das sagt nicht nur der alte Moscheediener, der neben dem Brunnen für die rituellen Waschungen in der hier noch starken Oktobersonne sitzt: „Unsere türkischen Soldaten sollen zurück nach Anatolien gehen! Wir sind Zyprioten aus Limassol, wir weichen keinen Meter von hier!” Dieselbe Ansicht vertritt auch der noch recht junge Besitzer des einzigen Kinos im Türkenviertel. Vor neun Jah ren hatte er noch gemeint, daß die Zyperntürken früher oder später alle nach Großbritannien auswandern müßten. Heute vertraut er den von Ankaras Invasion schwer geprüften („Es war eine heilsame Lehre!”) Zyperngriechen, und vor allem ihrem neuen Führer, Glavkos Kleridis.

Seit dem letzten Anschlag der unverbesserlichen Mordbuben von der fanatisch hellenisch-nationalen

EOKA II auf Zyperns interimistischen Präsidenten haben auch die Zyperntürken eingesehen, wo ihre Belange in besten Händen sind: Nicht nur beim eigenen Führer Roauf Denktasch, der die Truppen der Türkei übereilt ins Land gerufen hat, sondern ebenso bei dessen Partner Kleridis, der sich mit dem osmanischen Boß fast täglich an den Verhandlungstisch setzt, um menschliche Erleichterungen im zweigeteilten Zypern realisieren zu können.

Diplomatische Beobachter in der zypriotischen Hauptstadt wollen jedoch ‘ bemerkt haben, daß Kleridis und Denktasch schon über ganz andere Dinge als nur über Gefangenenaustausch und die Sicherstellung der Winterernte der griechischen Zitruspflanzer aus dem Norden verhandeln. Es soll die gemeinsame Erklärung eines griechisch-türkischen Doppelregiments auf Zypern mit anschließendem Appell nach Abzug aller fremden Truppen (Türken, Griechen, Engländer) und der offiziellen Absetzung und Exilierung von Erzbi-

schof-Präsident Makarios im Gespräch sein. Zypern und seinem vielgeprüften Volk wäre damit am besten gedient!

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