Kaum Aussichten auf EINIGUNG

19451960198020002020

Die aussichten für die Gespräche um eine Wiedervereinigung Zyperns standen gut, doch das Volk glaubt nicht daran. Eine Insel-Reportage.

19451960198020002020

Die aussichten für die Gespräche um eine Wiedervereinigung Zyperns standen gut, doch das Volk glaubt nicht daran. Eine Insel-Reportage.

Werbung
Werbung
Werbung

Das Problem Nummer eins ist das Wasser. Das Problem Nummer zwei sind die Türken. Vom einen haben wir zu wenig, vom anderen zu viel." Iannis spricht offen aus, was viele griechische Zyprioten denken. Aber auch auf die Schutzmacht des südlichen Inselteils - die Briten - ist der Busfahrer nicht gut zu sprechen. Ob Türkei oder Großbritannien -die Quasi-Kolonialmächte sind allzu präsent. Das wird auch in den immer noch stockenden Wiedervereinigungsverhandlungen mehr als deutlich, die am Mittwoch in ihre nächste Runde gingen.

"Keine Bevormundung" - so lautet das Credo im Süden der geteilten Mittelmeerinsel.Wenn man mit Einheimischen spricht, schlägt einem Frust entgegen. Und die Vereinigung der getrennten Inselteile scheint hier unvorstellbar. "Wie soll eine gemeinsame Zukunft aussehen? Die Briten wurden wir auch nicht wirklich los", macht Katharina ihrem Ärger Luft. Die Anthropologin erinnert sich an ihre Kindheit in der Gegend von Limassol, wo Großbritannien nach wie vor eine große Militärbasis unterhält. "Mitten im Militärgelände liegen archäologische Stätten. Mit ihren Abhöranlagen spionierten sie den Nahen Osten für die Amerikaner aus", so die junge Frau.

Geschäfte mit dem Brexit

Die Politiker der Republik Zypern sehen das freilich anders. Für sie ist Großbritannien ein Partner für die Zukunft. Seit dem Brexit-Referendum hofft man auf Big Business mit jenen Briten, die um die Vorteile ihrer EU-Zugehörigkeit bangen. Mit einer Zwei-Millionen-Euro-Investition kann man für sich und seine Familie eine zypriotische beziehungsweise eine EU-Staatsbürgerschaft "dazukaufen", verkündet ein Informationsblatt, das in Hotels mit großer Briten-Klientel aufliegt. Zypern hebe keine Erbschaftssteuer ein, Neo-Zyprioten müssten nicht dauerhaft auf der Insel wohnen.

Die Stadt Paphos ist ein Beispiel dafür, dass ganze Straßenzüge mit Apartmenthäusern und Villen in britischer Hand sind. Ein Fremdenführer berichtet stolz, nach dem Schicksalsjahr 1974 und der Teilung der Insel habe nur Frankreich die Unabhängigkeit Zyperns vor der UNO unterstützt. "Die ganze Welt war auf der britischen Seite." Jedenfalls behielt die einstige Kolonialmacht zwei Militärstützpunkte.

"Die Türkei bedeutet für uns eine Gefahr", verweist die Anthropologin Katharina dann auf den Nordteil der Insel, wo Ankara das Sagen hat. Schließlich sei die türkische Armee während des Waffenstillstandes 1974 einmarschiert und wolle auch bei einer Wiedervereinigung ihre Truppenpräsenz nicht aufgeben. Und warum sollten all die neu angesiedelten Türken vom Festland auch Anspruch auf eine EU-Bürgerschaft haben "wie die echten türkischen Zyprioten"?

Wer am Checkpoint in Nikosia/Lefkosia vom griechischen Teil in den Norden der geteilten Hauptstadt wechselt, erkennt sofort, dass er sich so gut wie in der Türkei befindet. Auf beiden Seiten wird streng kontrolliert. Milchprodukte dürfen nicht vom Nord-in den Südteil gebracht werden, auch Textilprodukte nicht. Das Grenzcafé auf griechischer Seite nennt sich ironischerweise "Berlin Wall", Sandsäcke bilden die Umzäunung.

Im Norden wehen überall türkische Fahnen, auf den Berghängen wie auf der Sophien-Kathedrale, heute die Selimiye-Moschee. Das Wahrzeichen der Stadt, einst gotische Krönungskathedrale, wurde seiner Türme beraubt und mit Minaretten bestückt. Das Innere ist kahl, auf einem Schriftenstand belehren Broschüren des türkischen Religionsamtes Diyanet über den wahren Islam. Das frühere Katharinen-Kloster dient als Kulturzentrum, in dem Derwisch-Tänze aufgeführt werden.

Schwierige Situation

Das Viertel hinter den Ex-Kirchen beherbergt unzählige Souvenirgeschäfte. Nachfragen ergeben, dass die meisten Läden von eingewanderten Türken geführt werden. Zurück ins griechische Süd-Nikosia. Die Altstadt Laiki Gitonia ist authentischer, man kann zwischen Buch-und Antiquitätengeschäften und Cafés flanieren. Insgesamt gibt es auf der geteilten Insel sieben Übergänge.

Die wirtschaftliche Situation ist schwierig. Aus griechisch-zypriotischer Sicht macht die eigene Bevölkerungsgruppe rund 80 Prozent aus. Zu den 60.000 "echten" türkischen Zyprioten -viele gingen im Zuge der Inselteilung ins Exil -kämen 150.000 türkische Zuwanderer. Zudem sei mit dem EU-Beitritt der Zustrom an Gastarbeitern auf rund 200.000 angewachsen. Im Tourismus arbeiten viele Osteuropäer. Dabei ist die Arbeitslosigkeit hoch. Viele gut ausgebildete Zyprioten finden keine Jobs.

Seit dem Vorjahr ängstigt sich Zypern um die Wasserversorgung. Die Regenfälle blieben großteils aus. Neben dem Tourismus ist die Landwirtschaft eine wichtige Einkommensquelle, Olivenhaine, Mandelplantagen, Weinberge säumen die Küstenstraßen. Aber auch Stauseen prägen das Bild -das größte dieser Reservoire fasst 150 Mio. Kubikmeter Wasser. Jede Stadt hat ihre Entsalzungsanlage. Vom Troodos-Gebirge kommt Trinkwasser.

Für Offshore-Business ist Zypern nicht unbekannt. Zentrum für derlei Geschäfte ist der bedeutende internationale Hafen Limassol. Vor allem russische Geschäftsleute sind hier aktiv, aber auch deutsche, wie ein Insider mit einem Augenzwinkern hinzufügt.Was läuft bei den jüngsten Verhandlungen ab? Geradezu euphorisch starteten im November Gespräche unter UNO-Vermittlung mit dem Ziel eines föderalen Staates, doch im Jänner trat Ernüchterung ein. Bei den Knackpunkten Territorium, Sicherheit und Restitutionen stießen die Verhandler -neben den Präsidenten der beiden Zypern waren Griechenland, Türkei und Großbritannien als Garantiemächte hochrangig eingebunden -schnell an Grenzen.

Kostensorgen und Lichtblicke

Punkto Militärpräsenz herrschen starre Fronten. Für Athen sind die Garantiemächte ein Anachronismus. Zugleich verlangt Griechenland den Abzug der 35.000 Mann starken türkischen Truppen. Die Türkei fordert genau das Gegenteil mit dem Argument, Schutzmacht für die türkischen Zyprioten zu sein. Eine Wiedervereinigung beider Inselteile würde zudem enorme Summen kosten. 160.000 griechische und 40.000 türkische Zyprioten mussten 1974 aus ihren Heimatorten fliehen. Deren Entschädigung würde sich auf über zehn Milliarden Euro belaufen. Der Disput zwischen EU und Türkei verschärft die Lage. Stichworte: die Flüchtlingsproblematik und Asyl für hohe türkische Militärs, die sich nach dem Putschversuch im Vorjahr ins Ausland absetzten.

Ein Lichtblick ist die Kür der antiken Inselhauptstadt Paphos zur europäischen Kulturhauptstadt 2017. Was die Politik nicht zustande bringt, soll also die Kultur vorleben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung