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Wien - ein Ausweg aus der Sackgasse?

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Dank Waldheim und Makarios ist es, wie wir wissen, so weit: Am 31. März sollen in der österreichischen Bundeshauptstadt die neuen und hoffentlich endgültigen Friedensverhandlungen mit dem Führer der seit 1963 in permanentem Aufstand befindlichen zyperntürkischen Minderheit, Raouf Denktasch, beginnen. Nach der Besetzung des Nordens der Insel durch reguläre türkische Invasionstruppen und nach der Zwangsumsiedlung der Zypemtürken aus dem frei gebliebenen Süden, versuchte sich Denktasch zum Chef eines eigenen Staatswesens zu machen. Mit den internen und inte rnationaleri Wiedererstarken der legalen Inselrepublik unter Präsident Makarios war der Traum vom neuen Türkenreich auf Zypern jedoch bald ausgeträumt.

Von Makarios weiß man inzwischen schon, daß er mit den unumstößlichen Grundsätzen für ein einiges, freies und neutrales Zypern, aber auch mit großer Flexibilität für jeden Sonderstatus der türkischen Minderheit in die Wiener Verhandlungen geht Viel schwerer hat es da Denktasch, aus der Sackgasse seiner unrealistischen Vorstellungen herauszukommen, nachdem seine „Politik der Stärke” und der „vollendeten Tatsachen” sich als klarer Mißerfolg erwiesen hat.

Zum ersten Mal seit Jahren sucht der Bannerträger des türkischen Nationalismus auf Zypern in diesen Wochen vor Wien wieder das Gespräch mit zypemgriechischen und Auslandsjournalisten. Von diesen waren die meisten schon 1974 auf die Schwarze Liste der Zyperntürken gesetzt und am Betreten der nördlichen Besatzungszone gehindert worden. Nun hat Denktasch im türkischen Lefkoscha - jenem Teil der Hauptstadt Nikosia, in dem die roten Fahnen mit dem Halbmond wehen - schon zwei allgemein zugängliche Pressekonferenzen abgehalten.

Auch Denktasch bekennt sich jetzt zu einem unabhängigen, ungeteilten und blockfreien Zypern, verlangt je doch eine föderative, gleichberechtigte Verbindung der beiden Nationalitäten. Mit einem Proporz nach Volksgruppenstärke, der den Griechen eine um das Fünffache größere Vertretung in allen Positionen sichern würde, oder mit Regionalautonomie könnten sich die Zyperntürken heute nicht mehr abfinden. Ihr Teilstaat der künftigen Bundesrepublik Zypern muß, nach ihrer Auffassung, seinem griechischen Partnerstaat ebenbürtig sein. Das bedeutet nicht territoriale Gleichheit oder Identität mit dem heutigen türkischen Okkupationsgebiet.

Mit diesem letzten Zugeständnis ist Raouf Denktasch ganz erheblich bescheidener geworden und er verspricht auch, nach Wien einen konstruktiven Verhandlungsansatz mitzubringen.

Was nun die Einzelfragen der neuen zypriotischen Bundesverfassung betrifft, so berät sich Denktasch Tag für Tag mit seinem konstitutionellen Berater Aldikaschti, der ihn auch an die Donau begleiten wird. Besonderes Kopfzerbrechen bereitet ihnen beiden die Regelung des privaten Grund- und Immobilienbesitzes der türkischen und der griechischen Seite im jeweils anderen Bundesstaat. Die Zypemtürken wollen nach wie vor ein viel größeres Gebiet politisch verwalten, als von ihren Volksgenossen tatsächlich bewohnt und bebaut wird.

Meinungsverschiedenheiten mit Makarios führt Denktasch schließlich noch in der Frage der Garantien ins Treffen, welche die Minderheit vor dem Abzug der „Schutztruppen” aus der Türkei für ihre künftige Sicherheit erhalten soll. Scheint sich der Erzbischof-Präsident mit der innerzyprischen Garantie eines diesbezüglichen Verfassungsartikels begnügen zu wollen, so hat Denktasch eine Art von „österreichischem Staatsvertrag” ausländischer Signatar- und Interventionsmächte, mit der Türkei an der Spitze, vor Augen.

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