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Der doppelte Wahlkampf um Makarios-Nachfolge

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Im griechischen Teil Zyperns läuft der Wahlkampf um die doppelte Nachfolge des Erzbischof-Präsidenten Ma- karios auf vollen Touren. Doppelt deswegen, weil die von ihm in Personalunion vereinten Ämter eines Erzbischofs der orthodoxen Inselkirche (seit 1950) und eines Präsidenten der zypriotischen Republik (seit 1960) jetzt getrennt vergeben werden müssen. In beiden Fällen ist die gesamte Bevölkerung stimmberechtigt. Auch im kirchlichen Bereich hat sich auf Zypern die frühchristliche Praxis einer direkten Volks wähl erhellten. Während in den Patriarchaten von Konstantinopel, Alexandria und Jerusalem sowie der hellenischen Orthodoxie der Oberhirte von den Bischöfen erkoren, in den Kirchen von Antiochia und vor allem Moskau auf einer Wahlversammlung bestellt wird, bei der Laienvertreter nur eine dekorative Rolle spielen, entscheidet im Erzbistum Zypern eine halbe Mülion Stimmbürger gleichberechtigt über den Primas ihrer Wahl.

Zur Auswahl stehen dafür die fünf Bischöfe der Insel in den Städten Pa- phos, Larnaka, Limassol, Kyreneia und Morphos, sowie der Hüfsbischof des Erzbistums Nikosia, Barnabas. Der „Wahlkampf“ wird in Pfarrge- meinden, religiösen Verbänden und den einflußreichen orthodoxen Klöstern mit großem Eifer, zum Teil leidenschaftlicher Heftigkeit ausgetragen. Die Politiker verfolgen seine Entwicklung mit gespannter Aufmerksamkeit. Zwar wird der neue Erzbischof von „Nea Justiniana und ganz Zypern“ nicht, wie Makarios, zugleich Staatsoberhaupt sein. Wie seine Vorgänger seit dem späten Mittelalter, bleibt er jedoch als „Ethnarch“ der griechisch-orthodoxen Kommunität Zyperns ein starker Faktor des öffentlichen Lebens. Der neue Zivüpräsi- dent wird nur mit seiner Unterstützung gedeihlich regieren können.

Die politischen Gegner des am 3. August verstorbenen Erzbischof- Präsidenten Makarios und seines zivilen Kronprinzen Kyprianou sind daher bei den Kirchenwahlen besonders aktiv. Sie haben von vornherein zwei Trümpfe in der Hand: Ihre seit langem geübte Kritik an Makarios’ Zwitter- roüe im kirchlichen und staatlichen Leben ist mit der jetzigen Ämtertrennung nachträglich für berechtigt erklärt worden. Zweitens sind in der Kirche von Zypern nach wie vor die Wirren des Schismas von 1972/73 spürbar. Damals hatten alle Diözesan- bischöfe auf einer Synode Makarios wegen „Cäsaropapismus“, das heißt: wegen Verquickung geistlicher und weltlicher Funktionen ab- und in den Laienstand zurückversetzt. Diese kirchliche Revolte wurde von Makarios unterdrückt, die Bischöfe wurder gestürzt, ihr Führer, Metropolit Gen- nadios von Paphos, wurde nach Äther verbannt. Für seine Wahl zum Erzbischof setzen sich jetzt die radikaler zyperngriechischen Nationalisten vor der EOKA II ein.

Das um so mehr, als die politische Tamorganisation dieses zweiten Ge heim- und Terrorbundes (EOKA I wai die zypriotische Befreiungsbewegung unter der englischen Herrschaft gewesen) bei den Präsidentenwahlen vom 10. September nicht die geringster Chancen besitzt. Nach Festlegung aller drei im Parlament von Nikosia vertretenen Parteien (in der Reihenfolge ihrer Stärke: Demokraten, AKEL- Kommunisten, EDEK-Sozialisten) aul die Bestätigung des Interimspräsidenten Spyros Kyprianou, hätte man sieb diese Wahlen eigentlich ersparen und einfüralleMal zu demimFebruar 1978 noch einmal fälligen Termin an die Urnen gehen können.

Zyperns September wählen sind jedoch durch die schweren Schatten bedingt, die seit dem Tod des Präsidenten Makarios außenpolitisch über dei Inselrepublik liegen. Kyprianou wird von den Zyperntürken und von Ankara nicht mehr als Staatschef, sondern nur als Führer der griechischen Bevölkerungsmajorität anerkannt. Das könnte für das von ihm geplante Auftreten vor der Generalversammlung der Vereinigten Nationen gefährliche Folgen haben. So geht es auf Zypern am 10. September gar nicht um die Wahl Kyprianous, sondern um seine Bestätigung als internationaler Alleinvertreter der zweigeteilten Insel. Um gerade den Anschein einer Mitvertretung der Zyperntürken durch Kyprianou zu erwecken, werden an die 100.000 von diesen in den jetzt aufgelegten Wählerverzeichnissen namentlich angeführt. Von diesem Stimmrecht können sie natürlich keinen Gebrauch machen, da sie jetzt alle isoliert in der türkischen Besatzungszone im Norden Zyperns leben. Kyprianous Hauptverbündete gegen die neue Drohung eines türkischen Griffes nach der ganzen Insel sind im Inneren die Kommunisten, und diplomatisch-strategisch die Sowjetunion. Erst im Juli wurde Kyprianou bei seiner Amerikareise vor den Kopf gestoßen, worauf er sich ganz dem Einfluß der Russen und ihrem Plan für eine internationale Zypernkonferenz unter Moskauer Ägide ergab. Die Krisenzone des östlichen Mittelmeeres hat so einen akuten Unruheherd mehr erhalten.

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