6806307-1972_09_10.jpg
Digital In Arbeit

Graue Spitzel

19451960198020002020

Zu den schwersten ZusammenstoBen seit einem Jahr kam es an den Madrider Universitaten, wo die bewaffnete Polizei im Stahlhelm nur mit Miihe die Ruhe und Ordnung wieder-herstellte. Das Resultat waren 500 Festnahmen in einer Woche, Verletzte auf beiden Seiten, 75.000 Studenten im totalen Aus-stand und unter anderem der Riicktritt des Direktors der Archi-tektenschule, der zusammen mit anderen Professor en von den Ordnungskraften ebenfalls verpriigelt wurde.

19451960198020002020

Zu den schwersten ZusammenstoBen seit einem Jahr kam es an den Madrider Universitaten, wo die bewaffnete Polizei im Stahlhelm nur mit Miihe die Ruhe und Ordnung wieder-herstellte. Das Resultat waren 500 Festnahmen in einer Woche, Verletzte auf beiden Seiten, 75.000 Studenten im totalen Aus-stand und unter anderem der Riicktritt des Direktors der Archi-tektenschule, der zusammen mit anderen Professor en von den Ordnungskraften ebenfalls verpriigelt wurde.

Werbung
Werbung
Werbung

General Grivas, der den einstigen Widerstand gegen die Briten ebenso militarisch organisiert hatte, wie Erz-bischof Makarios dessen Symbol und politischer Kopf war, steht jetzt seinem Verbiindeten von gestern als trefflich iiber alle Plane der Grivas-Bewegung informiert, daB sie diese meist schon im Keim zu ersticken vermag. Bei dieser gelungenen Beob-achtung der Partisanen stiitzt sich Makarios auf ehemalige EOKA-

In Madrid sind zwolf Falle be-kanntgeworden, bei welchen Geld-strafen von 100.000 Peseten gegen­iiber einzelnen Studenten ausge-sprochen wurden.

Sah es auf den ersten Blick nach einer der explosiven Auseinander-setzungen aus, wie sie in der Ver-gangenheit mehrmals die spanischen Universitaten erschiitterten, so scheint sich diesmal das Feuer zu verbreiten und die Glut nicht so leicht loschen zu lassen: Ausgehend von Madrids drei Universitaten mit nahezu 80.000 Studierenden haben die Unruhen so gut wie samtliche Universitatsstadte Spaniens erfaBt.

Obschon nur ein Prozent der Stu­dierenden aus der Arbeiterfclasse stammt, kommt die Regierung mit dem wachsenden Freiheitsdrang, dem Wunsch nach Selbstverwaltung und freien Wahlen der Studenten-vertreter offensichtlich nicht zu Rande. Seit 1969 ist die Polizei aus dem Universitatsbild nicht mehr wegzudenken. Die Anwesenheit der sogenannten „Grauen“, der bewaff-neten Polizei, beschrankt sich nicht auf die Kontrolle des eigentlichen Campus, vielmehr besteht in jeder Fakultat eine regelrechte Wach-stube, die mit bis zu 20 Mann be-legt ist. Die in den Bereitschafts-wagen wartenden Reserven ergan-zen das Bild genauso wie die vergit-terten Fenster einzelner Abteilun-gen. Mit diesen SicherheitsmaBnah-men will man die Flucht von Stu­denten bei ZusamimenstoBen mit den

Fuhrer einer Partisanenarmee in den westzypriotischen Bergen gegeniiber.

Immerhin konnte der Sicherheits-dienst des Erzbischof-Prasidenten Befehle des Partisanenchefs an ver-schiedene Gruppen seiner Anhanger abfangen. Diese verteilen sich heute, nur wenige Monate nach Grivas' ge-heimem Eintreffen auf der Insel, be­reits iiber ganz Zypern. Der Anhang des Generals rekrutiert sich aus alten, im Kleinkrieg bewahrten EOKA-Kampfern, jungen, national gesinnten Heifikbpf en und Vertretern der zypriotischen Rechten. Letztere setzten im Hinblick auf das Erstarken der Kommunistischen Partei Zyperns (AKEL), und die engen Beziehungen des Prasidenten Makarios zur Sowjetunion, ihre Hoffnungen in einen moglichst raschen AnschluB der Inselrepublik an das autoritar regierte Griechenland.

Das Regime Makarios stand dieser um sich greifenden Bewegunig, ihrem Sturm auf das Parlament von Nikosia im Janner und den sich haufenden Waffendiebstahlen aus Heeresarse-nalen anfangs ziemlich machtlos ge­geniiber. Der General verfiigt gerade bei den Streitkraften, der „National-garde“, uber starken Anhang aus sei­ner Kommandantenzeit, so daB der Erzbischof den Ausschreitungen wohl-weisdich immer nur Pohzisten gegen-iiberstellte. Diese haben bisher bei alien ZusammenstoBen den kiirze-ren gezogen, doch zeigt sich die Regierung in den letzten Wochen so

Leute, die Grivas' TaktiKen genau kennen, mit dem General aber aus verschiedenen Griinden in Konflikt gekommen sind.

Die gegenwartige Auseinanderset-zung auf Zypern ist uberhaupt im wesentlichen die Fortsetzung des schon 1959 innerhalib der EOKA aus-gebrochenen Zwistes um die An-nahme des brdtischen Unabhangig-keitsangebots unter Auflage eines AnschluBvePbotes an Griechenland oder die Fortsetzung des bewaff-neten Widerstandes bis zur totalen Enosis mit der hellenischen Heimat. Die beiden Fliigel waren damals von Grivas und Kliridis, dem heutigen Parlaimentsprasidenten gefiihrt wor-den. Makarios schwankte lange zwi­schen den beiden Richtungen. Er ent-schied sich dann fur die Eigenstaat-lichkeit, lieB aber immer wieder durchblicken, daB er fruher oder spater doch auf die „Enosis“ hinar-beiten werden.

Viele alte EGKA-Kampfer und andere hellasbegeisterte Zyprdoten betrachten das als Verrat an dem nationalen Ideal. Bei der Prasiden-tenwahl von 1968 trat erstmals ein erklarter Anschluflkandidat gegen Makarios auf, und schon wenige Monate spater machten die Terrori-sten der „Nationalen Front“ von sich reden. Beide Bewegungen verhefen zwar im Sande, schufen aber einen gunstigen Nahrboden fur die jetzt von Grivas hochstpersanlich einge-leitete Agitation.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung