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Verzichtet Makarios?

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Auf Zypern urteilt man gegenwärtig noch außerordentlich pessimistisch über die Erfolgsaussichten der auf Initiative des UN-Generalsekretärs Kurt Waldheim zustandegekommenen neuen Runde der griechischtürkischen Verhandlungen über eine neue Verfassung der Inselrepublik im Mittelmeer. Die Delegationsfüh-rer — je ein Vertreter der griechischen und der türkischen Volksgruppe, je ein „Berater“ ohne klar umrissene Funktion und ein persönlicher Vertreter des UN-Generalsekretärs — tagen jetzt wöchentlich einmal im griechischen und einmal im türkischen Teil Zyperns. Dabei wurde vereinbart, daß man vorläufig einen Tagungsrhythmus von zwei wöchentlichen Zusammenkünften beibehalten wolle. Diese Übereinkunft hebt sich vorteilhaft ab von der Verfahrensweise der vor etwa einem Jahr abgebrochenen ersten Runde der Verfassungsgespräche. Damals hatte man sich, ohne einen UN-Vertreter und ohne Bevollmächtigte der „Mutterländer“ Griechenland und Türkei, nur zweimal monatlich getroffen. Trotz dieser Beschleunigung sind noch schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, bevor man sich mit der eigentlichen Kernfrage einer Verfassungsreform auseinandersetzt.

Besonders in Kreisen der türkischen Minderheit weist man darauf hin, daß die zuversichtlichen Äußerungen des UN-Generalsekretärs Waldheim während seines Zypern-Besuches und nach seinen Begegnungen mit Erzbischof Makarios und dem ehemaligen türkisch-zyprischen Vizepräsidenten Fazil Kütschük reiner Zweckoptimismus waren.

Staatspräsident Makarios bietet der Minderheit nach wie vor lediglich eine nicht fest umrissene „stärkere Beteiligung“ an politischer Führung und staatlicher Verwaltung. Die Türken hingegen wollen die Sicherheit eines Autonomiestatuts. Im übrigen geht es für sie nicht nur um die politische, sondern auch um die wirtschaftliche und soziale Gleichberechtigung. Während der griechische Teil der Inselrepublik seit der Unabhängigkeitserklärung eine bis heute andauernde Periode wirtschaftlicher Prosperität erlebte, blieben die türkischen Enklaven meist auf dem wirtschaftlichen Stand von 1960. Die muselmanischen Elendsviertel stehen in auffälligem Gegensatz zu den christlichen Wohlstandsoasen. Dieser Zustand beruht keineswegs auf der unterschiedlichen ökonomischen Begabung beider Bevölkerungsteile, sondern darauf, daß die Regierung Makarios den überwiegenden Teil der ihr zur Verfügung stehenden Mittel in den griechischen Gebieten zu investieren pflegt.

Die neue Verhandlungsrunde ist ein Wettlauf mit der Zeit. Im Februar 1973 gibt es Neuwahlen zur Präsidentschaft. Ginge es nach führenden Kreisen in Athen und Ankara, würden sie erst gar nicht mehr stattfinden, sondern die Insel würde geteilt und an Griechenland und die Türkei angeschlossen. Dieser Entwicklung steht nur noch die Abneigung beider zyprischer Volksteile entgegen, sich den Militärregimen der Mutterländer zu unterwerfen — und das Prestige des Ethnarchen Makarios. Doch der Präsident deutete soeben an, daß er möglicherweise auf eine neue Kandidatur verzichten könne. Zweifellos ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl an die beiden Verhandlungsdelegationen, so rasch wie möglich zu einer Einigung über eine neue Verfassung zu gelangen.

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