6838170-1975_27_06.jpg
Digital In Arbeit

Retter aus Türkennot

19451960198020002020

Mit einer neuen Verfassung, und einem endgültigen Staats-Oberhaupt kann Griechenland nach einem Jahr des demokratischen Wiederaufbaus an den politischen Ruinen siebenjähriger Gewaltherrschaft der Papadopoulos-Junta nun ruhig in den Sommer, wenn auch nicht in diplomatische Ferien gehen. Nach der „Herkulesarbeit in dem von den Diktatoren zurückgelassenen Augias-Stall“ — so ein Sprecher der Regierungspartei „Neue Demokratie“ —, will Ministerpräsident Karamanlis im Juli und im August seine ganze Arbeitskraft den Türken „widmen', um deren Besatzungstruppen aus Zypern und Ankaras Hoheits- und Erdölprospektionsansprüche auf die griechische Insel Ägäis zurückzudrängen.

19451960198020002020

Mit einer neuen Verfassung, und einem endgültigen Staats-Oberhaupt kann Griechenland nach einem Jahr des demokratischen Wiederaufbaus an den politischen Ruinen siebenjähriger Gewaltherrschaft der Papadopoulos-Junta nun ruhig in den Sommer, wenn auch nicht in diplomatische Ferien gehen. Nach der „Herkulesarbeit in dem von den Diktatoren zurückgelassenen Augias-Stall“ — so ein Sprecher der Regierungspartei „Neue Demokratie“ —, will Ministerpräsident Karamanlis im Juli und im August seine ganze Arbeitskraft den Türken „widmen', um deren Besatzungstruppen aus Zypern und Ankaras Hoheits- und Erdölprospektionsansprüche auf die griechische Insel Ägäis zurückzudrängen.

Werbung
Werbung
Werbung

Das zur Juntalitte im Athener Parlament gegen die Stimmen der Liberalen, Sozialdemokraten und Kommunisten durch die Zweidrittelmehrheit der Regierungsfraktion verabschiedete Grundgesetz ist Griechenlands dritte Nachkriegskonstitution. Während des Bürgerkrieges von 1944 bis 1951 war einfach durch Notverordnungen regiert worden, worauf 1952 ein Grundgesetz folgte, das unter Wahrung demokratischer Normen doch sehr polizeistaatlich ausgerichtet war und darüber wichtige Lücken vergaß, die es dem königlichen Hof in den neuerlichen Krisenjahren 1963 bis 1967 ermöglichte,, den schon damals mit starker Mehrheit an der Macht befindlichen Karamanlis aus seinem Amt als Regierungschef zu entfernen, den ihm folgenden Ministerpräsidenten Georg Papandreou durch Spaltung seiner linksliberalen Regierungskoalition zu stürzen und das Land zwei Jahre lang durch Minderheitskabinette regieren zu lassen.

Der antiroyalistische Anstrich der Militärrevolution vom 21. April 1967 brachte den Obristen in ihren Anfängen breite Sympathien in altrepublikanischen Kreisen. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung wurde selbst von Gegnern der Militärherrschaft begrüßt,-bis diese sehen mußten, daß die bisher so bekrittelten Rechte der Krone in noch viel größerem Umfang auf den autoritären Regierungschef Georgios Pa-padopoulos übertragen werden sollten. Dessen am 29. September 1968 durch eine in jeder Hinsicht unfreie Volksabstimmung in Kraft gesetztes „Syntagma“ ist dann durch die ganze Diktaturära bis zum Juli 1974 in Kraft geblieben und wurde nur 1973 nach der Absetzung König Konstantins in den Rahmen einer Präsidialdiktatur umgeschneidert.

Die auf die Obristen im Vorjahr folgende „Regierung der nationalen Einheit“ aller nichtkommunistischen Demokraten setzte vorläufig die alte Konstitution der „Königlichen Demokratie“ von 1952 wieder in Kraft, machte Konstantins Rückkehr aus dem Exil aber am 8. Dezember 1974 von einem Plebiszit abhängig, das sich dann für eine Republik entschied.

Die republikanische Verfassung ist inzwischen im Parlament ausgearbeitet und verabschiedet worden, ohne einer neuerlichen Volksbefragung zu bedürfen. Vor einer solchen fürchteten sich die „Neuen Demokraten“, da ihr Rückhalt im Volk inzwischen längst nicht mehr dem massiven Mehrheitsvotum der Wahlen vom November 1974 entspricht.

Jedem kritischen Beobachter der neuen republikanischen Verfassung

Präsident Karamanlis: „Adenauer von HeUas“ Photo: Votava muß nämlich auffallen, daß alle seinerzeit beim König und bei den Diktatoren kritisierten Vollmachten jetzt auf einmal in den Händen eines Superpräsidenten vereint sind. Noch bedenklicher hat die. Opposition der Modus gestimmt, daß dieser „starke

Mann“ nicht direkt vom Volk, sondern von den Abgeordneten gewählt werden soll. Der Antrag des liberalen Parteichefs Mavros, für die Präsidentenwahl zumindest eine Art „Bundesversammlung“ aus Parlament und regionalen Mandataren zu schaffen, ist bei Karamanlis ebenfalls abgeblitzt.

Vorderhand hat sich der „Adenauer von Hellas“ wie Freund und Feind den ergrauten Altmeister der griechischen Konservativen immer mehr zu nennen beginnen, aber nicht auf diesen für seine Person zugeschnittenen Präsidentenstuhl gesetzt, sondern den „Ehrenabgeordneten“ Tsatsos. Sicher läßt sich Karamanlis, solange ihm der parlamentarische Rückhalt dafür sicher ist, zum Staatschef wählen, als der er dann eine ihm passende Regierung formen kann, selbst wenn die nächsten Wahlen einen Auftrieb der Liberalen und Marxisten — wie zu erwarten — mit sich bringen sollten. Bevor das alles so geschickt eingefädelt wird, will Karmanlis aber noch außenpolitischen Ruhm in der Zypern- und Ägäisfrage ernten, um sich den Lorbeerkranz als „Retter des Vaterlandes aus Diktatur- und Türkennot“ flechten zu können. Sollte ihm das gelingen, wäre ihm vielleicht sogar die „Präsidentschaft auf Lebenszeit“ sicher.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung