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Sogar eine ,Frau Präsident6

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Maurice Canal, Athen, über den Verfassungsstreit zwischen griechischer Regierung und Opposition

In vielwöchigen, heißen Parlamentsdebatten sind sich die konservative griechische Regierung Kara-manlis und die vereinigten Oppositionsparteien liberaler, sozialistischer und kommunistischer Provenienz bei der Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes für die „Hellenische Republik“, den Nachfolgestaat des „Königreichs der Hellenen“ und der siebenjährigen Militärdiktatur, nicht um eine Handbreit nähergekommen. Einstimmig wurde im Athener Parlament lediglich Artikel 31 der künftigen Verfassung verabschiedet, der es auch den Frauen ermöglicht, zum Staatsoberhaupt gewählt zu weiden. Allerdings ist den potentiellen Präsidentinnen von Hellas eine Altersgrenze nach unten gesetzt worden: Sie müssen mindestens das „kanonische“ Alter von 40 Jahren erreicht haben.

Der Widerstand der linksliberalen Minderheitsparteien, der allerdings der parlamentarischen Zweidrittelmehrheit der regierenden „Neuen Demokratie“ des altbewährten Ministerpräsidenten Konstantinos Kara-manlis gegenüber ziemlich aussichtslos ist, hat sich seit den Erfolgen von „Volksfronf'-Kandidaten bei den griechischen Gemeinderatswahlen zum Monatsanfang verhärtet. In der Hauptstadt und in den Industriemetropolen Patras, Volos und Heraklion, wo bei den Parlamentswahlen vom November 1974 die Konservativen noch eine klare Mehrheit erringen konnten, residieren jetzt von der bürgerlichen Mitte und der äußersten Linken gestützte sozialdemokratische Bürgermeister Die auf den „starken Mann“ Kara-manlis zugeschnittenen ungewöhnlich großen Vollmachten des Präsidenten stehen als nächste im Kreuzfeuer der oppositionellen Kritik Unter dem sich festigender Eindruck, daß die konservativ „Neue Demokratie“ bereits jetzt in Abbröckeln begriffen ist, fürchter Griechenlands „fortschrittliche' Kräfte dennoch eine Verewigunj von deren Herrschaft durch die Son dervollmachten des Staatsoberhaup tes. Dem liberalen Parteiche Mavros zufolge trägt sich der bal< 70jährige Karamanlis sogar mit de Absicht, sich als „panhellenische Führer auf Lebenszeit“ bestätigen zi lassen, solange ihm noch eine parla mentarische Mehrheit dafür zu Verfügung steht.

Für diese machtpolitischen Fein heiten hat aber die Mehrzahl de eben erst sieben üblen Diktatur und Teuerungsjahren entronnener Hellenen wenig Interesse. Ihre Auf merksamkeit ist auf den Athene „Nürnberger Prozeß“ gegen di Hauptverantwortlichen des Militär regimes gerichtet, der auf dei 21. April, den achten Jahrestag ihre

Machtergreifung von 1967, angesetzt ist. Die Stimmung der Bevölkerung den von ihnen einst so gehaßten „Triumviren“ Georgios Papadopou-los, Stylianos Pattakos und Nikolaos Makarezos gegenüber hat inzwischen einen bemerkenswerten Wandel zu einer Art von Wohlwollen durchgemacht. Seit die drei gar im berüchtigten Zuchthaus von Kory-dallos in strenger Untersuchungshaft sitzen, will sie niemand mehr am Athener Syntagma-Platz aufgehängt sehen, wie das gleich nach ihrem Sturz von allzu eifrigen Jakobinern gefordert worden war. Und von dem nie als Unmensch hervorgetretenen Makarezos erwar-

tet sich die griechische Öffentlichkeit eigentlich nur, daß er seine ins Ausland verschobenen Milliarden wieder an deren rechtsmäßige Eigentümer zurückerstattet. Ein besonders komischer Vogel unter den griechischen „Ehemaligen“ ist dann der „Sportoberst“ Aslanidis, der sich mit voller Totokasse ins Ausland absetzte, sobald sich in Athen die Götterdämmerung der autoritären Herrlichkeit abzuzeichnen begann.

Eine verdient harte Strafe wird hingegen für die beiden Folterverantwortlichen der schlimmen Jahre, für die Obristen Ladas und Ioannidis gefordert. Kein noch so gewitzter Verteidiger wird sie vor dem Exekutionskommando oder zumindest vor lebenslänglicher Haft retten können. Dafür werden schon die zu Hunderten angetretenen Belastungszeugen sorgen, darunter von Ladas eigenhändig mit dem Rasiermesser entmannte königstreue Offiziere, oder Frauen, denen Ioannidis die Ungeborenen aus dem Leib getreten hat. Die körperlichen und seelischen Wunden dieser Opfer sind noch nicht geheilt.Aber die Politiker streiten sich schon wieder!

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