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Das Pressegesetz ist da!

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Nach fast dreiwöchigen Debatten im spanischen Parlament, dem Cortes, wurde das seit ungefähr drei Jahren als Entwurf vorliegende spanische Pressegesetz in seiner nunmehr endgültigen Fassung vom Presseausschuß zur Verabschiedung in einer der nächsten Plenarsitzungen weitergeleitet. Obzwar diese Verabschiedung noch einige Monate dauern kann, gilt das Pressegesetz als angenommen.

Das Gesetz, das eine wichtige Stufe bei der Festigung des Regimes darstellt, stimmt, abgesehen von einigen kleineren Änderungen technischen Charakters, mit dem Entwurf überein. Dieser ist das liebste Kind des jungen Informationsministers Fraga Iribarne, in das er trotz dem Widerstand einiger Pressionsgruppen aus den eigenen Regimereihen seinen ganzen Ehrgeiz gesetzt hat.

Der verräterische Artikel 2

Das projektierte Gesetz besteht aus drei Grundfreiheiten: Freiheit der Publikationsuntemehmen, Meinungsfreiheit, verbunden mit der Abschaffung der Zensur, und freie Bestimmung des Zeitungsdirektors. Daß diese Freiheiten im Detail starke Meinungsverschiedenheiten auslösten, beweist die ungewöhnlich hohe Zahl von 367 eingereichten Änderungsvorschlägen. Ihr Für und Wider wurde mit vollster Offenheit und in oft hitzigen Debatten genauestem untersucht. Der freiheitliche Geist, mit dem sie geführt wurden, ließe sie in nichts hinter denen anderer westeuropäischer Parlamente zurückstehen.

Eine besonders heftige — und in außerparlamentarischen Kreisen noch fortdauernde — Diskussion entspann sich um den Artikel 2 des Pressegesetzes. Er begrenzt die in Artikel 1 festgesetzte Meinungsfreiheit insofern, als die Verteidigungs- erfordemisse, die Staatssicherheit, innere Ordnung und äußerer Friede nicht gefährdet werden dürfen. Weiterhin wird Respekt vor den Einrichtungen des Staates und seiner Organe in ihren politischen und Ver- waltungshandlungen gefordert. Don Torcuato Luca de Tena, aus der Dynastie des „ABC”, der größten spanischen Tageszeitung, empfand diesen Artikel als im Widerspruch zu der angestrebten größeren Freiheit und behauptete, daß zwar die Person zu achten sei, ihre Handlungen aber, falls nicht achtenswert, uneingeschränkter Kritik unterworfen werden müßten. Von anderer Seite wurde die Befürchtung geäußert, daß Regierungsmaßnahmen nicht kommentiert werden dürften, die Presse also dazu schweigen müsse.

Der wichtigste Teil des Artikels 2 hat insofern eine Änderung erfahren, als die Formulierung „Achtung der in Kraft stehenden Verfassungsordnung” durch „Achtung des Prinzipiengesetzes der Nationalbewegung (Palange) und der anderen Grundgesetze” ersetzt wurde.

Vom Regen in die Traufe

Schwere Bedenken wurden im Parlamentsausschuß auch gegen den Artikel 2 geäußert, der die Deponierung von zehn Exemplaren eine halbe Stunde vor Erscheinen der Zeitung bestimmt. Bücher und ähnliche Publikationen müssen in entsprechend größeren Zeiträumen — nicht über einen Tag pro 50 Seiten — vor ihrer Veröffentlichung im Informationsministerium hinterlegt werden. Der Staat hat somit die Möglichkeit, rechtzeitig die entsprechenden Auflagen, die gegen das Pressegesetz verstoßen, beschlagnahmen zu lassen. Aus finanziellen Gründen wird also der Zeitungsdirektor oder Herausgeber, der für den Inhalt seiner Publikation nunmehr die alleinige Verantwortung trägt, das Gesetz genau zu befolgen bestrebt sein. Vor allem, da er nun frei bestimmt und nicht mehr vom Informationsministerium eingesetzt und bei drei oder mehr schweren Vergehen gegen das Pressegesetz seines Postens enthoben wird, wenn diese innerhalb eines Jahres begangen werden. Abgesehen davon kann ein schweres Vergehen — etwa die Mißachtung eines Grundgesetzes oder die Verbreitung verbotener ausländischer Druckschriften — den Zeitungsdirektor im Maximalfall ein sechsmonatiges Berufsverbot oder eine Geldstrafe von einer Viertelmil- ldon Pesetas kosten.

Diese Gesetzesparagraphen führten im Madrider Zeitungsjargon zu der Wortneubildung „Selbstzensur”, die nach Ansicht der Gesetzesgegner an Stelle der Vorzensur getreten sein soll. Offenbar gibt es einige Stimmen, die der Vorzensur nachtrauern, da sie dem Zeitungsdirektor oder Herausgeber einen Großteil der Verantwortung ersparte.

Rauchen Sie mit Filtert

Als Garantie für die Wahrhaftigkeit der nach Spanien kommenden Auslandsmeldungen sieht das Gesetz die Schaffung eines Monopols für eine spanische Nachrichtenagentur (zweifellos die halbstaatliche EFE) vor. Ihr wird die alleinige Siebung und Verteilung der von den fünf Weltagenturen stammenden Nachrichten übertragen.

Dies bedeutet nach „Ecclesia”, dem Organ der spanischen Katholischen Aktion, eine doppelte Filterung der Auslandsnachrichten: Einmal bei Passieren der Monopolagentur, ein zweites Mal bei der Hinterlegung der festgesetzten zehn Zeitungsexemplare im Informationsministerium.

Wird das Konkordat berührt?

Weitreichende Folgen kann die Einbeziehung der kirchlichen Veröffentlichungen in das neue Pressegesetz haben. Diese waren bisher nach dem Konkordat von 1953 von der spanischen Pressegesetzgebung ausgeschlossen und hatten somit keinerlei Zensur zu durchlaufen. Zwar ist in dem jetzigen Pressegesetz eine Klausel vorhanden, die eine Sonderregelung für kirchliche Veröffentlichungen zwischen der Regierung und einem bischöflichen Ausschuß ermöglicht, doch scheint diese nicht ganz den Bestrebungen der Kirche zu entsprechen. Dies war auch offensichtlich der Grund einer eiligen Aussprache zwischen dem Nuntius, dem Leiter der Katholischen Aktion in Spanien und dem Kardinal- Patriarchen von Toledo.

In kirchlichen Kreisen Spaniens spricht man bereits von einer Änderung des Konkordats in den spanischen kirchlichen Publikationen.

Obzwar das neue spanische Pressegesetz im Vergleich mit der Pressegesetzgebung anderer westeuropäischer Länder strenge Einschränkungen aufweist, sollte man nicht außer acht lassen, daß es für spezifisch spanische Verhältnisse geschaffen wurde und die weitestmöglichen Freiheiten innerhalb der politischen Struktur des Landes gewährt. Gegenüber dem strengen alten Pressegesetz von 1938 weist das Gesetz von 1966 direkt revolutionären Oharakter auf. Außerdem wird erst die praktische Anwendung zeigen, ob sich gewisse Paragraphen als Hemmnis erweisen. Bei der spanischen Presseberichterstattung über die Debatten des Pressegesetzes im Parlament, die in bisher ungewohnter Ausführlichkeit erfolgte, konnte man jedenfalls eine verblüffende Freizügigkeit feststellen.

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