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Der Schutz des Urheberrechts

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Soeben veröffentlichte die Zeitschrift „Le droit d’auteur“ den Wortlaut des revidierten Berner Übereinkommens über den Schutz des Urheberrechtes. Die Delegierten von 52 Staaten hatten sich in Brüssel eingefunden und mehr als 50 Sitzungen benötigt, ehe sie einstimmig ein Werk beschlossen, das so verschieden gearteten Kulturen wie Finnland und Pakistan, , Libanon und Brasilien angepaßt sein mußte. Daß Österreich trotz allerlei Bedenken über den Fortbestand seiner Mitgliedschaft vollberechtigt teilnehmen konnte, verdankte es nicht allein der Darlegung seines Anspruchs, sondern — französische, italienische, eidgenössische und belgische Befürwortung bekräftigte dies —seinen Erfolgen auf dem Gebiete des Urheberrechts. Wir dürfen mit Genugtuung feststellen, daß unser österreichisches Gesetz auf Grund der Brüsseler Beschlüsse kaum nennenswerten Änderungen unterworfen werden muß. 1936 beschlossen, hat es die Entwicklung von zwölf Jahren vorweggenommen. Nun werden zahllose Menschen, die hierzulande aus der Verwertung geistigen Schaffens Nutzen ziehen, dankbar es als Erleichterung empfinden, daß sich der internationale Schutz des Schriftstellers, des Komponisten, des Gelehrten, des bildenden Künstlers und des Kunstgewerblers mehr und mehr dem inländischen nähert. Immer freilich stellt ein Abkommen über die ganze Erde hin wegen der Verschiedenheiten der Teilnehmerstaaten nur ein Mindestmaß an Schutz dar. Die Gesetzgebung der einzelnen Verbandsländer hat die Bestimmungen auszubauen und zu ergänzen.

Was die Abhaltung dieser Revisionskonferenz nach der vorangehenden von 1928 zu Rom so unaufschiebbar erscheinen ließ, war die Entwicklung der technischen Erfindungen. Dennoch mußte die Tagung vertagt und wieder vertagt werden. Sorgenvoll sahen ihr nunmehr weltumspannende Industriekonzerne von gewaltiger Finanzkraft entgegen. Hatten sich doch im Laufe der letzten Jahrzehnte die schöpferischen Menschen allenthalben gleichfalls zu mächtigen Verbänden zusammengetan. Das erfolgreiche Werk, der geniale Wurf, der begehrte Schlager sind Werte, hochbezahlt. Zögen heute Mozart und Schubert von den unzähligen Aufführungen ihrer Werke, von allen Schallplatten und Rundfunksendungen den nach den geltenden Schutzbestimmungen angemessenen Gewinn, sie könnten fürstlich Hof halten. Man hätte sie nicht in jungen Jähren zu Grabe tragen müssen.

Nur allzu viele wollen ebenfalls profitieren am künstlerischen Erfolg. Ihr Anteil soll möglichst groß sein. Eilends berief die „International Federation of the phono- graphic industry" ihre erste Generalversammlung ebenfalls nach Brüssel ein. Vorangegangen waren mühevolle Auseinandersetzungen mit dem „Internationalen Bureau für mechanische Veröffentlichungen“, das für die Komponisten und Textdichter einen fühfzigprozentigen Ertragsanteil bei Schallplatteneinnahmen aus Rundfunksendungen gefordert hatte. Nach endlicher Einigung glaubte sich die Schallplattenindustrie rühmen zu dürfen, wie sehr sie die Rechte der Ürheber achte. Anders die OIR, die „Internationale Organisation für Rundfunksendung". Sie erklärte, die Interessen von 150 Millionen Zuhörern gegenüber den Schaffenden und den Verlegern wahren zu wollen. Ohne erst eine Erlaubnis einholen zu müssen, sollte den Sendestationen das unbegrenzte Senderecht zustehen; dem Urheber sollte gerade noch ein nachträglicher Anspruch auf Entschädigung bleiben, womöglich nur für die erste Sendung. Daß es dennoch gelang, den U r- hebern .das ausschließliche Recht der Genehmigung von Aufführungen, Vervielfältigungen, Sendungen ihrer Werke und ihren Anspruch auf ein jedesmaliges, angemessenes Entgelt zu wahren, muß als ein bedeutender Erfolg gewertet Werden. Was in den früheren Konferenzen erst noch abgelehnt, später als Wunsch geäußert, nunmehr endlich als Bestimmung in das Übereinkommen aufgenommen wurde: für uns Österreicher bedeutete es keine Neuerung.

Die erwähnte römische Konferenz hatte dem Schöpfer unseres Urheberrechtes, Ministerialrat des Justizministeriums Doktor Karl L i ß b a u e r, die Anregungen für sein Werk geboten. Nach vieljähriger Tätigkeit in Strafsachen hatte er die Abteilung für immaterielles Güterrecht übernommen. Damals, in den zwanziger Jahren, herrschte das Bestreben nach Rechtsangleichung an das Deutsche Reich. So begann er einen gemeinsamen Entwurf neu zu gestalten. Doch bald hemmte die Politik des Nationalsozialismus mehr und mehr die Zusammenarbeit, bis endlich in Österreich allein der vierte der Entwürfe nach Beratungen mit den Interessenten im Jahre 1936 mit unwesentlichen vom Staatsrat angeregten Änderungen Gesetz wurde. Jahre angestrengtester geistiger Arbeit, unermüdlicher Überlegung aller Möglichkeiten und Zusammenhänge hatten die Formulierungen reifen lassen. Schon den vorletzten Entwurf hatte Lißbauer zwei der bedeutendsten Fachmänner, dem Italiener Giannini und dem früheren Leiter des Berner Büros, Oster- tag, übersandt, die sich beide höchst anerkennend äußerten. Ja, letzterer veröffentlichte diese Arbeit als beispielgebend im „Droit d’auteur“. Aus einer englischen Übersetzung, die das Foreign Office veranlaßte, lernte der bedeutendste Kenner des Urheberrechts in den Vereinigten Staaten — Mr. Ladas — Lißbauers Schöpfung bewundern. Der amerikanische Verfechter des Anschlusses der USA an die Berner Konvention schrieb in seinem dreibändigen Kommentar „Literary ond artistic property" oft und oft, auch hier „trifft das österreichische Gesetz den Nagel auf den Kop f".

Seit Lißbauer ist es wissenschaftliches Gemeingut, daß das Urheberrecht ein dingliches, absolutes und unübertragbares Recht darstellt, das nach Wegfall von Belastungen und Verträgen immer wieder auflebt. Leider konnte Lißbauers so überaus wichtiger Entwurf eines Gesetzes über den Verlagsvertrag, im Februar 1938 der gesetzgebenden Körperschaft unterbreitet, wegen der kurz darauf erfolgenden Besetzung Österreichs nicht mehr beschlossen werden. Daß der geniale Schöpfer des österreichischen Urheberrechtsgesetzes dem „nationalsozialistischen Geiste“ keine Konzessionen machen wollte, trug man ihm in Berlin nach. Man berief den einzig begabten Mann nicht in die legislative Abteilung des Reichsjustizministeriums, sondern er mußte verletzenderweise als Rat des Reichsgerichtes in Leipzig eine Abteilung für Strafsachen führen. 1942 erfuhr er, daß sein einziger Sohn verwundet in einem Lazarett liege. Beim Antritt der schmerzlichen Reise ans Krankenlager fiel er auf dem Bahnsteig in Leipzig einem Herzschlag zum Opfer.

Lißbauers Werk ist der Entwicklung eines der schwierigsten Rechtsgebiete weit vorausgeeilt. Das Berner Übereinkommen ist unserem österreichischen Gesetze erst auf der Brüsseler Konferenz nachgereift. Anträge, die noch der Verewigte entworfen hatte, fanden Eingang in den erdumspannenden Vertrag. Gerade im Gedenken an die Vorarbeiten Mr. Ladas’ dürfen wir hoffen, daß sich auch ein überall in der Welt gelten-

des Urheberrechtsübereinkommen, wie es nunmehr die UNESCO durchzusetzen be absichtigt, Lißbauers Gedanken und Formulierungen zu eigen machen wird, den Geist eines Werkes von Dauer, das sich würdig den größten Schöpfungen österreichischer Jurisprudenz anreiht, dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und der Zivilprozeßordnung.

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